In der Nacht zu Mittwoch sind zwei Patienten in der Klinik am Eichert gestorben, nachdem ihnen falsche Infusionslösungen verabreicht worden waren.  Nach Informationen unserer Zeitung wurde ihnen Betäubungsmittel statt Kochsalzlösung verabreicht. Bei den Todesopfern handelt es sich um eine 62-jährige Frau, die wegen eines Bandscheibenvorfalls behandelt wurde, sowie um einen 78-jährigen Mann, der auf derselben Normalstation lag.
Insgesamt wurden vermutlich sieben Patienten mit für sie nicht geeigneten Infusionen behandelt, gab die Klinik am Mittwochabend bekannt, nachdem unsere Zeitung von Klinik-Patienten und Angehörigen der Verstorbenen über die mutmaßlichen Behandlungsfehler informiert worden war und bei der Klinik nachgefragt hatte.

Die Kriminalpolizei ermittelt

Vier Patienten, die wohl ebenfalls das Betäubungsmittel verabreicht bekommen hatten, werden auf der Intensivstation und in der Zentralen Notaufnahme am Monitor überwacht und sind nach Auskunft der Klinik-Pressestelle „nach aktuellem Stand stabil“. Bei einem weiteren Patienten sei noch unklar, ob er ebenfalls eine entsprechende Infusionstherapie erhalten hat. Er werde ebenfalls monitorüberwacht und sei stabil.
 „Die Angehörigen und betroffenen Mitarbeiter werden durch Notfallseelsorger betreut“, heißt es in der Mitteilung der landkreiseigenen Alb-Fils-Kliniken, zu denen die Klinik am Eichert gehört. Dies bestätigte ein Angehöriger. Bereits am Nachmittag hatte er berichtet, wie ein Oberarzt die betroffenen Familien morgens informiert und den Fehler ohne Umschweife eingeräumt habe. Auch die Klinik schreibt: „Sofort nach Bekanntwerden dieses Zwischenfalls wurden von der Geschäftsführung des Klinikums die Behörden und die Angehörigen informiert.“ Die Krankenschwester, die auf der Station Nachtdienst hatte, stehe unter Schock und sei nicht ansprechbar, sagte der Angehörige. Bei ihr soll es sich um eine erfahrene Pflegekraft handeln, die seit vielen Jahren in der Klinik arbeitet. Er nahm die Frau aber in Schutz: „Das kann man ihr sicher nicht vorwerfen, da ist ein Fehler im System.“ 
Die Kriminalpolizei ermittelte am Mittwoch vor Ort, denn „der genaue Ablauf und eventuelle Todesursachen stehen noch nicht fest“, sagte Klinik-Pressesprecherin Britta Käppeler. Polizeisprecher Wolfgang Jürgens teilte am Abend mit: „Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln jetzt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung. Die Ermittlungen richten sich derzeit gegen eine Beschäftigte der Klinik.“
In der Pressemitteilung der Klinik heißt es zudem: „Wir sind zutiefst bestürzt über diesen Vorfall und unterstützen die Ermittlungen der Behörden in vollem Umfang.“
Die Alb-Fils-Kliniken sorgten in diesem Jahr bereits mehrfach für Schlagzeilen wegen multiresistenter VRE-Keime. Im vergangenen Jahr war ein Patient, der diverse Vorerkrankungen hatte, an einem solchen Krankenhauskeim gestorben. In einem zweiten Fall wird noch ermittelt, ob es einen Zusammenhang zwischen Keimen und dem Tod einer Frau gibt.

Pressekonferenz mit weiteren Informationen

Am Donnerstagvormittag um 11 Uhr soll die Öffentlichkeit bei einer Pressekonferenz über weitere Details informiert werden. (Wir berichten von dort).
Die Pressekonferenz hat um 11 Uhr begonnen.
Die Pressekonferenz hat um 11 Uhr begonnen.
© Foto: Sandra Schröder

LIVE von der Pressekonferenz

11 Uhr: Die Pressekonferenz hat begonnen.
11.16 Uhr: Statt einer wirkstofffreien Kochsalzlösung, in die ein Schmerzmittel gemischt werden sollte, wurde die falsche Infusionslösung genommen, die bereits einen eigenen Wirkstoff enthielt, nämlich ein Lokal-Anästhetikum mit dem Wirkstoff Ropivacain. Das sagt Dr. Ingo Hüttner, medizinischer Geschäftsführer der Alb-Fils-Kliniken. Das Problem: Die verwendete Trägerlösung ist nicht für eine intravenöse Gabe geeignet, sprich in die Blutbahn. Das Mittel werde normalerweise mit einer kleinen Pumpe langsam über einen sogenannten Schmerzkatheter lokal an die schmerzende Stelle ins Gewebe oder in die Nähe des Rückenmarks verabreicht und so ganz anders vom Körper verarbeitet.
So aber kam es laut Hüttner zu einer Überdosierung durch die Infusion in die Vene, was zu Herzrhythmusstörungen oder Kammerflimmern führen kann.
11.18 Uhr: Die anderen vier Patienten, die per Monitor überwacht wurden, sind am Donnerstag außer Gefahr und haben keine Schäden davon getragen.
11.20 Uhr: Alle Beteiligten der Klinik sprechen über ihr tiefes Unverständnis, wie dieser Fehler passieren konnte. Die Pflegefachkraft arbeite schon sehr lange in der Klinik, habe viel Erfahrung und bislang auch keine Fehler gemacht.
Die neutrale Kochsalzlösung befindet sich in einer Glasflasche mit einem blauen Deckel, jene Lösung mit dem eigenen Wirkstoff ist eingeschweißt in Plastik mit einem roten Deckel und einem Warnhinweis darauf, so Hüttner. Lösungen mit einem roten Deckel bzw. Verschluss sind gar nicht dafür vorgesehen, mit einem anderen Medikament gemischt zu werden. Das hätte auch die examinierte Pflegekraft wissen und merken müssen.
11.28 Uhr: In der Nachtschicht hatten drei examinierte Pflegekräfte Dienst für 63 Patienten, also kamen auf jeden von ihnen 21 Patienten. Laut Hüttner handelte es sich um eine „ganz normale Schicht ohne Notfälle“. Es habe keine Hinweise auf Besetzungsprobleme oder mangelnde Qualifikation der Kräfte gegeben.
11.30 Uhr: Die eingesetzten Kräfte seien weder überarbeitet gewesen noch übermüdet. Es sei für sie die zweite beziehungsweise dritte Nachtschicht im Schichtdienst gewesen.
11.44 Uhr: Die examinierte Pflegerin ist bereits länger als 25 Jahre im Dienst. Sie hatte ihre zweite Nachtschicht in Folge. Es ist allen Beteiligten unverständlich, wie sie trotz ihrer Erfahrung die Trägerlösung verwechseln konnte.
Nach der Mischung müsse eine Pflegekraft das Medikament vor der Verabreichung immer zwingend mit der Anordnung des Arztes vergleichen. Erst dann dürfe es dem Patienten gegeben werden.
Unbegreiflich erscheine die Verwechslung auch, weil die beiden Infusionslösungen in der Normalstation (Pflegegruppe 63), wo sich die Todesfälle ereigneten, in getrennten Räumen und in verschiedenen Schränken aufbewahrt werden. Die reine Kochsalzlösung in 100 ml-Glasflaschen mit blauem Deckel seinen mit rund 4500 Stück in einem großen Hängeschrank aufbewahrt. Diese werden als Trägerlösung routinemäßig zum Mischen mit Medikamenten verwendet und dann per Infusionsständer an den Halter gehängt.
Die andere, gebrauchsfertige Infusionslösung in dem eingeschweißten Flexibeutel mit rotem Verschluss, der das Ropivacain bereits enthält, sei in der Nacht nur mit 85 Stück in einem anderen Raum in der Schublade eines Rollwagens vorrätig gewesen und werde nach OPs zur Schmerzlinderung verabreicht. Allerdings sei das Präparat nicht etwa betäubungsmittelpflichtig und unterliege damit keinen gesonderten Sicherungsvorkehrungen, erklärt Hüttner. Tragischerweise sei nur die Gabe in die Vene so gefährlich gewesen.
12.00 Uhr: Wie Prof. Dr. Matthias Fischer erklärt, sind für Donnerstag zwei Mitarbeiterversammlungen im Krankenhaus geplant, bei denen den Angestellten erklärt werden soll, was bereits seit dem Vorfall veranlasst wurde und was noch passieren wird. Damit es nicht erneut zu einer solchen Verwechslung kommt, gab es bereits Nachschulungen.
Die Klinik habe den Versicherer informiert, es gab ausführliche Gespräche mit Angehörigen der Verstorbenen, ein Seelsorger sei vor Ort.
Den genauen zeitlichen Ablauf der Nacht, welcher Patient zuerst gefunden wurde, ob das Schmerzmittel Novalgin nach den Vorgaben der Anordnung des diensthabenden Arztes tatsächlich zusätzlich in die bereits angereicherte Infusionslösung gemischt wurde oder nicht, ob alle Infusionen komplett in alle der genannten Patienten gelaufen sind, das alles müssen jetzt die Ermittlungen der Kriminalpolizei klären. Von den überwachten Patienten sind Blutproben genommen worden, die Mülleimer in der Station wurden beschlagnahmt und die beiden Toten werden von der Gerichtsmedizin untersucht.
12.05 Uhr: Abschließend sagte Wolfgang Schmid, der kaufmännische Geschäftsführer der Alb-Fils-Kliniken, nach eigener Aussage seit 19 Jahren im Dienst: „Das war einer meiner schlimmsten Tage“.

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