Dauerhaft kaum tragbar: So bewerten Politik und Landratsamt die  defizitäre Klinikstruktur im Kreis Neu-Ulm. Nach einem Minus von 16,4 Millionen Euro in den Jahren 2014 bis 2016 sowie 7,6 Millionen im vorigen Jahr wird heuer laut Wirtschaftsplan ein Fehlbetrag von 8,9 Millionen Euro erwartet. Wurde erwartet, muss  man seit gestern sagen. Denn da kam heraus, dass das Defizit in diesem Jahr wohl um bis zu 3,3 Millionen Euro höher liegen wird. Mithin der Landkreis der Spitalstiftung rund 12 Millionen Euro zuschießen muss.
So jedenfalls sagen es Kreisräte, wenn man zusichert, ihren Namen nicht zu schreiben. Denn frei zugänglich sind die Zahlen nicht. Der Krankenhausausschuss hatte den Punkt „Hochrechnung des Halbjahresergebnisses“ in seiner Sitzung am Vormittag einstimmig in den nicht-öffentlichen Teil verschoben. Auf Bitten der Klinikleitung und mit der von Landrat Thorsten Freudenberger vorgetragenen Begründung, dass aufgrund der „Detailschärfe“ des Berichtes „Betriebsgeheimnisse“ publik werden könnten.
Kliniksprecherin Edeltraud Braunwarth erklärte auf Anfrage, die Nichtöffentlichkeit sei gewählt worden, „um den nun angestoßenen Umstrukturierungsprozess nicht durch prognostizierte Werte zu gefährden“. Denn die Zahlen könnten sich noch ändern bis zum Jahresende. Zum anderen sollte der Eindruck vermieden werden, es klappe nicht mit der Restrukturierung der Krankenhäuser. Diese laufe aus Kliniksicht „durchaus erfolgreich“.
Ohne die 3,3 Millionen Euro zu bestätigen, berichtete die Sprecherin von einer berechneten „Erlös-Steigerung“ von 1,3 Millionen für 2018. Basierend auf „steigenden Fallzahlen und gesteigertem Schweregrad in der Behandlung“, also mehr Patienten. Konkret steigen die Fallzahlen an von 11 053 in 2017 auf 11 234. Mehr Patienten indes bedeuten nicht automatisch mehr Gewinn, ja nicht mal mehr Umsatz.  Die Mehrerlöse kommen von der Behandlung schwer kranker Menschen.

Die Leute werden gebraucht

Dem gegenüber stehen höhere Ausgaben für Personal von 2,9 Millionen Euro. Mehr Mitarbeiter werden benötigt, um aufgelaufene Überstunden – im Herbst 2017 waren es in Weißenhorn 37 000 – abzubauen und das Angebot auszubauen, also für die „medizinstrategische Neuausrichtung“. Man kalkuliere alles ein und mache sich ehrlicher als bisher, sagte die Sprecherin.
Klinikdirektor Marc Engelhard sagte gestern im Ausschuss, nicht zuletzt dank der erstmals durchgeführten einheitlichen DIN-Zertifizierung (siehe Info-Kasten) sei es einfacher, Personal an andere Standorte zu verlagern. Kreisräte bestätigen, dass das gestiegene Defizit vor allem auf erhöhte Personalkosten zurückzuführen sei. Offenbar sei der Wirtschaftsplan 2018 handwerklich schlecht gemacht gewesen.
Und strukturell? Da verlautbarte der Klinikchef, dass die Geriatrie an der Illertalklinik ausgebaut werden soll. Gedacht sei an „tagesklinische Angebote“. Landrat Freudenberger sagte in der Sitzung, es seien „Mittel und Wege“ aufgezeigt, wie man die Probleme lösen könne. Er ließ aber durchblicken, dass es für die Kreisspitalstiftung, in welcher die Häuser in Neu-Ulm, Weißenhorn und Illertissen zusammengefasst sind, besser laufen könnte. „Wir sind nach wie vor in einer schwierigen Situation. Wie die gesamte Krankenhauslandschaft in Deutschland. Wir haben aufgrund von Problemen aus der Vergangenheit sicher ganz besondere Herausforderungen. Wir sind lange nicht an irgendeinem Ziel.“
Kreisräte sagen, es sei unklar, wie das „strukturelle Problem“ angegangen werden soll, also die Tatsache, dass aus dem laufenden Betrieb heraus jedes Jahr ein Millionen-Defizit aufläuft.

Neuigkeiten aus dem Bericht der Klinikleitung

Zertifizierung Ziel ist es, interne Abläufe zu verbessern und die Behandlungsqualität zu steigern: Erstmals haben alle drei Kreis-Kliniken sich nach der ISO-Norm 9001:2015 zertifizieren lassen. Damit würden die gesetzlichen Qualitätsanforderungen übererfüllt, heißt es.
Ausbau Zum 1. Oktober übernimmt die Spitalstiftung den kassenärztlichen Sitz des Gynäkologen Martin Schlipf in Illertissen. Der Betrieb in der Praxis geht nahtlos mit anderem Personal weiter.
Messe Heute und morgen präsentiert sich die Spitalstiftung auf der Gesundheitsmesse in der Ratiopharm Arena: Es gibt unter anderem Fachvorträge.