S 15 KR 3663/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 3663/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2993/18 NZB
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 710,33 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 04.08.2017 zu zahlen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird endgültig auf 710,33 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin stellte der Beklagten am 10.11.2016 für eine vom 05.07.2016 bis 04.08.2016 stattgehabte stationäre Behandlung eines bei der Beklagten versicherten Patienten unter Bezeichnung der Hauptdiagnose D62 (Akute Blutungsanämie) und unter Zugrundelegung der DRG Q61A einen Betrag von 6.875,98 Euro in Rechnung. Am 29.11.2016 teilte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) der Klägerin mit, dass die Beklagte ihn mit der Überprüfung des Sachverhalts beauftragt habe. In seinem Gutachten vom 19.06.2017 gelangte der MDK zu dem Ergebnis, dass die Hauptdiagnose falsch kodiert worden sei; statt D62 sei D64.8 (Sonstige näher bezeichnete Anämien) zu kodieren gewesen. Sodann legte die Klägerin der Beklagten am 03.07.2017 eine auf Grundlage des Gutachtenergebnisses korrigierte Rechnung über einen Betrag von 7.586,31 Euro vor.

Die Beklagte hat die Zahlung der sich im Vergleich zur ursprünglichen, bereits durch sie beglichenen Rechnung ergebenden Differenz mit der Begründung verweigert, nach § 7 Abs. 5 der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) seien Korrekturen oder Ergänzungen nur innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens möglich.

Mit Schriftsatz vom 26.09.2017, eingegangen beim Gericht am 28.09.2017, hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben.

Sie trägt vor, es bestehe bereits keine wirksame Ermächtigungsgrundlage für die Normierung einer Ausschlussfrist. Zudem habe sie keine Korrektur während des Prüfverfahrens vorgenommen, sondern mit der korrigierten Rechnung lediglich das Ergebnis des MDK-Gutachtens umgesetzt. Wäre der MDK zu dem Ergebnis gekommen, dass der Rechnungsbetrag zu mindern gewesen wäre, hätte die Beklagte diese Minderung auch nicht mit dem Argument negiert, die Frist nach § 7 Abs. 5 S. 2 PrüfvV sei bereits abgelaufen. Die Beklagte verstoße mit diesem Verhalten gegen die geltenden Gebote gegenseitiger Rücksichtnahme nach Treu und Glauben.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 710,33 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.08.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

Sie meint, eine nachträgliche Rechnungskorrektur könne nach Abschluss des Prüfverfahrens nicht mehr erfolgen. Das Prüfverfahren sei einseitig zugunsten der Krankenkassen ausgestaltet, da diese mangels hinreichender Patientenunterlagen erst hierdurch auf "Augenhöhe" mit den Krankenhäusern gelangten. Sie dürfe daher wenigstens darauf vertrauen, dass die notwendige Einschaltung des MDK nicht auch noch zu ihren Lasten gehe. Das Prüfverfahren könne nicht den Zweck haben, eine kostenfreie Rechnungsoptimierung der Krankenhäuser zu sein.

Mit Schriftsätzen vom 22.06.2018 (Beklagte) bzw. 25.06.2018 (Klägerin) haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte im hiesigen Verfahren und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil ist gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben.

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 710,33 Euro nebst Zinsen seit dem 04.08.2017.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 109 Abs. 4 S. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), die Fallpauschalenvereinbarung in der hier gültigen Fassung i.V.m. § 17b Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG), die zwischen den Beteiligten für die Versorgung maßgebliche geschlossene Budget- und Entgeltvereinbarung sowie der Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V. Die Klägerin kann gegenüber der Beklagten den zuletzt mit korrigierter Rechnung vom 03.07.2017 geltend gemachten Betrag in Höhe von 7.586,31 Euro abrechnen. Entsprechende nachträgliche Rechnungskorrekturen sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich bis zum Abschluss des nachfolgenden Haushaltsjahres möglich (vgl. nur BSG, Urt. v. 05.07.2016 - B 1 KR 40/15 R, Rn. 21 bei juris). Die am 03.07.2017 vorgenommene Korrektur der Rechnung vom 10.11.2016 ist nach diesen Vorgaben rechtzeitig erfolgt.

Der nachträglichen Rechnungskorrektur steht auch nicht die Vorschrift des § 7 Abs. 5 S. 2 PrüfvV entgegen, wonach der MDK eine einmalige Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur dann in seine Prüfung einzubeziehen hat, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Abs. 2 PrüfvV an die Krankenkasse erfolgt. Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob für eine solche Ausschlussfrist überhaupt eine wirksame Ermächtigungsgrundlage besteht (verneinend u.a. SG Detmold, Urt. v. 20.04.2018 - S 24 KR 863/17, Rn. 27 bei juris, SG Dortmund, Urt. v. 05.05.2017 - S 49 KR 580/16, Rn. 43 bei juris sowie SG Kassel, Urt. v. 25.11.2016 - S 12 KR 512/15, Rn. 49 bei juris). Denn der vorliegende Sachverhalt ist nach Auffassung der Kammer schon gar nicht unter die genannte Vorschrift zu subsumieren. Durch die Ausschlussfrist soll vermieden werden, dass sich der MDK nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist erneut mit einer von ihm bereits geprüften Krankenhausabrechnung gutachterlich zu befassen hat. Der Regelung ist jedoch nicht zu entnehmen, dass nach Abschluss der Prüfung durch den MDK eine einmalige Korrektur oder Ergänzung einer Rechnung ausgeschlossen sein soll, was im Übrigen auch nicht mit der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu vereinbaren wäre, wonach eine nachträgliche Rechnungskorrektur grundsätzlich bis zum Abschluss des nachfolgenden Haushaltsjahres möglich ist. Liegt das MDK-Gutachten - wie im vorliegenden Fall - zum Zeitpunkt der Rechnungskorrektur bereits vor, kann es zu keinen Verzögerungen im Prüfverfahren kommen, die die PrüfvV verhindern will. Durch die korrigierte Rechnung vom 03.07.2017 musste der MDK nicht nochmals mit einer Prüfung befasst werden, weil die Rechnung gerade auf dem Ergebnis des MDK-Gutachtens beruhte. Schließlich verstößt die nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist erfolgte nachträgliche Rechnungskorrektur auch nicht gegen den Rechtsgedanken von Treu und Glauben, der auch im Verhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse Anwendung findet, da ein solcher Verstoß nur dann anzunehmen wäre, wenn die Beklagte auf den Bestand der Rechnung vom 10.11.2016 vertraut hätte und ihr Vertrauen schutzwürdig gewesen wäre (vgl. hierzu nur BSG, Urt. v. 23.05.2017 - B 1 KR 27/16 R, Rn. 10 bei juris). Ein solches schutzwürdiges Vertrauen scheidet hier jedoch bereits deshalb aus, weil die Beklagte selbst durch Einschaltung des MDK mit der Prüfung dieser Rechnung deutlich gemacht hat, dass bei ihr Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung bestehen.

Der Anspruch der Klägerin auf Verzinsung ergibt sich aus § 19 Abs. 3 des hier maßgeblichen Landesvertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 S. 1 SGB V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 S. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Anlass für die Zulassung der Berufung besteht nicht, da der Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung zukommt noch das Urteil von Entscheidungen höherer Gerichtsinstanzen abweicht (§ 144 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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