Fresenius-Chef Stephan Sturm sieht kleine Kliniken vor dem Aus

Fotos: beerkoff – stock.adobe, Volker Watschounek

Nach Ansicht des Vorstandschefs des Gesundheitskonzerns Fresenius, Stephan Sturm, können Kliniken nur überleben, wenn sie größer werden und sich spezialisieren.

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WIESBADEN. Kliniken können den Budgetbeschränkungen und steigenden Qualitätsanforderungen nur durch Größenwachstum und Spezialisierung begegnen. Das betonte der Vorstandsvorsitzende des Gesundheitskonzerns Fresenius, Stephan Sturm am Rande des Naspa-Dialogs im Gespräch mit dieser Zeitung in Wiesbaden. Künftig werde es mehr Pauschalvergütungen geben.

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Stephan Sturm. Foto: Volker Watschounek

Herr Sturm, zu Fresenius gehören neben den deutschen Helios-Krankenhäusern auch die spanischen Quironsalud-Kliniken. Was kann ein deutsches Klinikum von einem Spanischen lernen?

Zum Beispiel wie man den Patienten noch stärker als Kunden betrachtet und auch so behandelt. Zudem wird in Spanien ein wesentlich größerer Anteil der Patienten ambulant behandelt. Und die Verweildauer in den dortigen Kliniken ist erheblich kürzer.

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Ist die Verweildauer in deutschen Kliniken generell zu hoch?

Im internationalen Vergleich bleiben deutsche Patienten deutlich länger im Krankenhaus – ohne deswegen besser versorgt zu werden als zum Beispiel in Spanien.

Wie verändert sich der deutsche Krankenhausmarkt?

Mit zunehmender Alterung der Gesellschaft steigen die Gesundheitsausgaben. Gleichzeitig steigen auch die Qualitätsanforderungen. Dagegen stehen die Budgetbeschränkungen der öffentlichen Haushalte. Die Kostenerstattung pro Fall wird deshalb sinken. Dem können Kliniken nur durch Größenwachstum und Spezialisierung begegnen. Auf dem Krankenhausmarkt wird es zu einer weiteren Konzentration und Bereinigung kommen.

Was bedeutet das für kleinere Kliniken? War die Schließung der Helios-Klinik in Bad Schwalbach notwendig?

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Größe und Qualität hängen zusammen. Wenn sie zehn Knie-Operationen pro Tag machen, gelingt das besser, als wenn sie nur eine Knie-OP in der Woche machen. Wenn ein Haus wie in Bad Schwalbach zu klein ist, in Konkurrenz steht mit größeren Kliniken in direkter Nähe und daher von den Patienten vor Ort nicht gut angenommen wird, ist eine Schließung notwendig.

Die Helios-Kliniken stehen oft in der Kritik wegen zu knapper Personalpläne.

Ich teile die pauschale Kritik nicht. Den Personalschlüssel muss man differenziert betrachten. Bei Helios entlasten wir unsere Pflegekräfte von Tätigkeiten wie der Essensausgabe. Das übernehmen bei uns Servicemitarbeiter. So haben die Pflegekräfte mehr Zeit für die Patienten. Übrigens haben wir an manchen Standorten wie Wiesbaden offene Stellen, da wir qualifiziertes Personal suchen und nicht immer finden.

Es hat in Wiesbaden immer mal wieder im Verhältnis zur Stadt als Miteigentümer der Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken (HSK) geknirscht. Wie sehen Sie die Zusammenarbeit?

Unter Partnern darf es durchaus mal knirschen. Die Zielrichtung, die Patientenversorgung zu stärken, verbindet uns aber. Die HSK haben sehr gute Perspektiven. Der Neubau kommt gut voran. Nach Fertigstellung wird er das modernste Krankenhaus im Rhein-Main-Gebiet sein. Von dem Investitionsvolumen von rund 270 Millionen Euro übernimmt Fresenius etwa 200 Millionen Euro.

Was halten Sie von der politischen Forderung nach festen Personalschlüsseln?

Im Kern sollte es doch darum gehen, Patienten gut zu versorgen. Dafür brauchen Pflegekräfte genug Zeit. Ich glaube, der Weg mit einem fixen Stellenschlüssel ignoriert die notwendige Differenzierung der Tätigkeiten. Ein Ausklammern der Pflegevergütung aus der Fallpauschale würde einen enormen Rückschritt bedeuten. Denn damit würden Effizienzverbesserungen durch sinnvolle Arbeitsteilung und gute Organisation nicht mehr honoriert.

Wie sehen Sie die Kostenerstattung bei Krankenhäusern?

Die Qualität müsste eine wesentlich stärkere Rolle spielen. In Spanien gibt es Modelle, die auch in Deutschland funktionieren könnten. In Madrid haben wir beispielsweise gegen eine jährliche Pauschale die Versorgung von mehr als 800 000 Einwohnern eines Stadtteils übernommen. Sind die Patienten mit uns nicht zufrieden, steht es ihnen frei, ein anderes Krankenhaus aufzusuchen. Wir müssen dann die Rechnung übernehmen. So entsteht ein Qualitätswettbewerb.

Sind Pauschalvergütungen ein Modell für die Zukunft?

Unsere Pilotprojekte mit Dialysepatienten in den USA zeigen, dass es funktionieren kann. Wir erhalten dort eine pauschale Vergütung pro Patient und übernehmen dafür die Verantwortung für die gesamte Behandlung inklusive aller Begleiterkrankungen. Aufgrund vieler Datensätze können wir die Risiken und Krankheitsverläufe abschätzen und präventive Maßnahmen ergreifen. Den Patienten ersparen wir dadurch Komplikationen, dem Gesundheitssystem unnötige Ausgaben.

Wie hoch ist der Nutzen von Big Data?

Wir stehen da erst am Anfang. Die großen Datenmengen werden uns ein noch besseres Bild für die jeweils am besten geeignete Therapie geben.

Am Ende der Diskussion steht der Pflegeroboter. Ist das eine wünschenswerte Entwicklung?

Ein Pflegeroboter wird die menschliche Zuwendung am Krankenbett nicht ersetzen. Deswegen reden wir nicht davon, Pflegekräfte eines Tages durch Roboter zu ersetzen, sondern sie damit zu entlasten. Das ist das, was ich mir vorstellen kann. Fresenius hat noch keine Pflegeroboter im Einsatz, aber wir beobachten die Entwicklung.