Der Ex-Chef der International Unit wurde aus der Untersuchungshaft entlassen. Es besteht offenbar keine Flucht- und Verdunklungsgefahr mehr. Die Stadt hat ihm erneut gekündigt.

Stuttgart - Der frühere Leiter der International Unit (IU) des Klinikums Stuttgart, Andreas Braun, ist am Mittwoch nach fast fünf Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Ihm wird im Zusammenhang mit dubiosen Zahlungen für Projekte mit Libyen und Kuwait vorgeworfen, sich von Geschäftspartnern bestechen lassen zu haben. Die Inhaftierung wurde seinerzeit mit Flucht- und Verdunklungsgefahr begründet. Nach seiner Aussage und diversen Auflagen bestehe diese nun nicht mehr, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft mit.

 

Indes hat ihm die Stadt nach Informationen unserer Zeitung eine weitere ordentliche Kündigung zugeschickt. Zwar war in der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht die ordentliche Kündigung für wirksam erklärt worden, nur nicht die außerordentliche. Bei der Stadt heißt es aber, doppelt genäht halte besser. Aufhorchen lässt die Begründung: es heißt, beim Prozessaktenstudium sei die Erkenntnis gereift, die gegen Braun erhobenen Vorwürfe, er habe sich empfänglich gezeigt, hätten sich bestätigt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Geld direkt und in Form zinsloser Darlehen in Anspruch genommen zu haben. Diesen Vorwurf hatte der Ex-Abteilungsleiter zumindest vor der Festnahme stets zurückgewiesen. „Ich bin kein Betrüger“, betonte er immer wieder.

600 Abbuchungen vom Konto der Libyer

Eine Woche vor der Inhaftierung hatten die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt 24 Wohnungen und Büros in mehreren Bundesländern wegen des Verdachts des Betrugs, der Bestechung und der Untreue durchsucht. Die Namen der Verdächtigen finden sich auf einem Kontoauszug des Klinikums mit mehr als 600 Buchungen, der unserer Zeitung vorliegt.

Die Zahlungen stehen im Zusammenhang mit der Betreuung von 371 libyschen Kriegsversehrten zwischen dem Sommer 2013 und Dezember 2014. Während viele Überweisungen, etwa für die Hotelaufenthalte der ambulanten Patienten, sinnhaft erscheinen, gibt es auch Zahlungen mit zweifelhafter Begründung, etwa jene an Brauns Freund Hermann-Josef Arentz aus Köln. Der ehemalige CDU-Grande kassierte laut Auszug in vier Tranchen 112 000 Euro – angeblich wegen seiner Kontakte zum Auswärtigen Amt, die dazu dienen sollten, schneller an Visa für die Patienten zu kommen. Sogar auf 832 899 Euro belief sich die Überweisung an Libya Consult, um „Einreisekosten“ zu decken. Ob die tatsächlich angefallen sind, ist unklar. Verdächtig sind diverse Patientenvermittler und offenbar der für die Rechnungsprüfung zuständige Dienstleister. Auch das Finanzamt ist interessiert. Das Klinikum hat tatsächlich Dienstleistungen ohne Umsatzsteuer abgerechnet.

Beim Kuwaitgeschäft verdienten vor allem Vermittler

Bekannt sind jene Verfehlungen, die im Zusammenhang mit dem Kuwait-Vertrag stehen. Das Klinikum sagte dem Gesundheitsministerium zu, drei Jahre lang Orthopäden ins Al Razi-Krankenhaus zu entsenden. Der Großteil der Einnahmen von 20 Millionen Euro floss jedoch in die Taschen von Vermittlern. Dass es eine Gegenleistung gab, bezweifeln Stadt und Fahnder.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen neun Mitarbeiter des Klinikums, darunter Ex-Geschäftsführer Ralf-Michael Schmitz, vom dem sich die Stadt 2016 getrennt hat. Die Aufhebungsvereinbarung ist neben der Suche nach politisch Verantwortlichen Thema eines Ausschusses des Gemeinderats zur Akteneineinsicht. Neben Ex-Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) geriet auch dessen Vorgänger Klaus-Peter Murawski (Grüne) in den Sog der Affäre. Er stand noch nach deren Beginn 2015 in SMS-Kontakt mit Parteifreund Braun. Der kürzlich von seinem Posten als Staatsminister aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretene Murawski beteuert, nichts von Verfehlungen gewusst zu haben. Die Opposition im Landtag erhofft sich von Braun, der kürzlich wegen mangelnden Rückhalts von Parteifreunden die Grünen verlassen hat, Aufklärung.