Sorge um Notaufnahmen: Auch Nürnberger Kliniken betroffen

9.10.2018, 09:58 Uhr
Durch die Neuregelung bei der Finanzierung der Notfallversorgung drohen zwei Kliniken in Nürnberg finanzielle Einbußen.

© Paul Zinken/dpa Durch die Neuregelung bei der Finanzierung der Notfallversorgung drohen zwei Kliniken in Nürnberg finanzielle Einbußen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) - das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland - hat eine dreistufige Notfallversorgung beschlossen, die 2019 in Kraft treten soll. Für jede Stufe - Basisversorgung, erweiterte Notfallversorgung und umfassende Notfallversorgung - wurden Mindestanforderungen festgelegt.

Dabei geht es zum Beispiel um die Art und Anzahl von Fachabteilungen, die Zahl und Qualifikation des vorzuhaltenden Fachpersonals, die Zahl der Intensivbetten, die technische Ausstattung oder auch um den zeitlichen Umfang der Notfallversorgung.

"Prinzipiell richtig", aber...

Krankenhäuser, die diese Kriterien für eine der drei Stufen erfüllen, bekommen dann gestaffelte Zuschläge für ihre Vorhaltekosten. Das Geld dafür fließt aber nicht zusätzlich ins System, sondern kommt von den Kliniken, die die Vorgaben nicht erfüllen und deshalb Abschläge hinnehmen müssen. "Prinzipiell ist die Neuordnung der Notfallversorgung zum Wohle des Patienten richtig", meint Markus Stark, Geschäftsführer der Kliniken Dr. Erler. Aber die eigentlich lobenswerten Bemühungen für mehr Qualität treffen sein Haus ins Mark: Weil eine rund um die Uhr besetzte Fachabteilung für Innere Medizin fehlt, fällt die Erler-Klinik künftig aus der Notfallversorgung heraus und muss Abschläge hinnehmen. Und zwar auch noch für alle stationär versorgten Patienten - pro Jahr sind das im Schnitt 10.000. Nach ersten Informationen beträgt der Abschlag 50 Euro pro vollstationärem Fall.

"Wir sind eine auf Unfallchirurgie und Orthopädie spezialisierte Fachklinik. Laut Versorgungsauftrag dürften wir gar keine Abteilung für Innere Medizin haben", erklärt Stark. Eine zentrale Anlaufstelle für Notfälle, zehn Intensivbetten inklusive Beatmungsmöglichkeit, Schockraum sowie Fachpersonal, das rund um die Uhr vorgehalten wird - all das genügt nach den GBA-Vorgaben künftig nicht mehr, um den Status als Notfallkrankenhaus zu behalten. Auch Prof. Roland Biber, Chefarzt der Unfallchirurgie und stellvertretender Ärztlicher Direktor der Erler-Klinik, reibt sich ungläubig die Augen: "Es kann doch nicht sein, dass ein Patient, der sich ein Bein bricht, im Theresien-Krankenhaus oder in Martha-Maria anders, sprich besser, vergütet wird als bei uns. Und zwar nur deshalb, weil wir hier keine Innere Medizin haben."

"Das ist grober Unsinn"

Als "schlichtweg absurd" bezeichnet auch der Vorstandsvorsitzende des Klinikums Nürnberg, Prof. Achim Jockwig, die Auswirkungen der GBA-Kriterien für sein Haus. Als einer der größten Notfallversorger in ganz Deutschland bekäme das Klinikum nach der Neuregelung nämlich nur für den Standort im Süden die höchste Versorgungsstufe und damit auch die höchste Finanzierungsstufe. Das Nordklinikum, das sogar noch mehr Patienten versorgt, bliebe außen vor. Der Knackpunkt hier: Nach den BGA-Anforderungen fehlen medizinische Fachabteilungen wie Unfallchirurgie, Kardiologie oder Neurologie.

"Wir werden wie zwei eigenständige Krankenhäuser gesehen, das heißt, die Kriterien werden auf jeden Standort bezogen. Das ist grober Unsinn", meint Jockwig. Das Klinikum werde nun quasi dafür bestraft, dass es die Fachabteilungen gezielt und strukturiert auf zwei Standorte verteilt hat, damit - wie von der Gesundheitspolitik gewünscht - keine Doppelvorhaltungen entstehen. "Wir halten an beiden Standorten große Intensiv- und Notfallkapazitäten vor und zählen bundesweit zu den leistungsfähigsten Notfallversorgern. Wenn wir trotzdem nicht mit beiden Standorten in die höchste Finanzierungsstufe kommen, dann muss man doch das System insgesamt hinterfragen", urteilt der Vorstandsvorsitzende.

Droht jetzt die Schließung von Notaufnahmen?

Markus Stark von der Erler-Klinik verneint entschieden: "Wir werden weiterhin Notfallpatienten versorgen. Mit einem großen Neubauprojekt erweitern wir auf eigene Kosten sogar unsere Notfallambulanz um zwei Behandlungsräume. Auch der stationären Notfallbereich bekommt zusätzliche zwei neue OP-Säle. Dieses Bauprojekt wird mit rund 17,5 Millionen vom Freistaat gefördert. Das zeigt doch, dass unsere Notfallversorgung nötig ist und geschätzt wird." Mittelfristig müsse die Erler-Klinik aber sehen, "ob wir aufgrund der drohenden Abschläge, die diesen schon ohnehin defizitären Bereich zusätzlich treffen, unsere Patienten noch adäquat versorgen können", gibt Stark zu bedenken.

Auch wenn es beim Klinikum bei den drohenden Abschlägen in der Summe wohl um Millionen geht, kommt für Jockwig die Schließung einer der beiden Notaufnahme ebenfalls nicht infrage. Auch personelle Konsequenzen in der Notfallversorgung schließt er aus. Jockwig hat bereits viele Gespräche geführt, unter anderem auch mit dem GBA-Vorsitzenden Prof. Josef Hecken. Er hat deshalb die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass "die wildesten Unschärfen" noch ausgebügelt werden. 

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