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Uni-Rektor Axel Freimuth„Die Klinik-Fusion ist eine Riesenchance für Köln“

Lesezeit 9 Minuten
Axel Freimuth ist seit 2005 Rektor an der Kölner Universität.

Axel Freimuth ist seit 2005 Rektor an der Kölner Universität.

  • Unter Rektor Axel Freimuth hat sich die Kölner Universität von der Massen-Hochschule zu einer Exzellenz-Universität entwickelt.
  • Im Interview spricht Freimuth über seinen Masterplan - und erklärt, warum die Fusion der städtischen Kliniken mit der Uniklinik so wichtig für Köln ist.

Herr Freimuth, Glückwunsch zum Erfolg der Universität bei der Exzellenzstrategie, wo vier Kölner Cluster als exzellent eingestuft wurden. Wie haben Sie es geschafft, von 2005 bis heute aus der guten Massenuniversität eine exzellente Hochschule zu formen?

Die ersten Anstöße kamen von den Bologna-Reformen und der damaligen Wissenschaftsministerin Edelgard Bulmahn, die mehr deutsche Hochschulen auf internationalem Niveau haben wollte. Entscheidend waren aber die neuen Gesetze, die den Hochschulen mehr Autonomie eingeräumt haben. Für uns heißt das: Wir können die Professoren und Mitarbeiter selbst einstellen. Für einen internationalen Spitzenwissenschaftler kann man auch mal etwas mehr auf den Tisch legen. Früher waren Universitäten dezentrale Gebilde mit durchaus Qualität. Aber es gab keine Gesamtstrategie. Die Uni Köln hatte damals erkannt, dass wir ins Hintertreffen kommen, wenn wir bei der Exzellenzinitiative nicht punkten. Dann stünden wir heute nicht gut da. Wir hatten den Ruf einer ganz guten Massenuniversität. Aber heute sind wir unter den Top-Unis in Deutschland. In der ersten Runde des Exzellenzwettbewerbes waren wir zwar mit dem Antrag für die gesamte Uni gescheitert, aber in der zweiten Runde 2012 waren wir dabei – als großer Überraschungskandidat. Ich hoffe sehr, dass wir das halten können.

Was bedeuten die vier Cluster und der mögliche erneute Titel der Exzellenzuni?

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Es ist eine gewaltige Förderung für die Spitzenforschung und gibt außerdem wichtige Impulse der dazugehörenden Lehre. In jedem dieser vier Bereiche sind wir jetzt schon außerordentlich gut und international vorne dabei. Beim Exzellenzcluster Cecad haben die Gutachter festgestellt, es sei einer der weltbesten, wenn nicht der weltbeste Cluster in der Alternsforschung. Das ist ein unglaubliches Lob. Im Bereich der Wirtschafts- und Volkswirtschaften wusste ich immer schon, dass Bonn und Köln, wenn sie sich zusammentun und ein gemeinsames Konzept entwickeln sowie das Max-Planck-Institut in Bonn noch dazuholen, europäisch und international vorne dabei sind. In der Pflanzenforschung sind wir mit Ceplas der einzige Cluster und waren schon in der letzten Runde erfolgreich. Die Physiker haben es mit dem Cluster ML4Q geschafft, sich im Bereich Quanten-Computing durchzusetzen, in dem es starke Konkurrenz von anderen Unis gibt und in dem zudem Firmen wie Microsoft und IBM tätig sind. Die Exzellenzcluster bringen nochmals viel Geld für die weitere Entwicklung: Über sieben Jahre gibt es für die vier Cluster gut 120 Millionen Euro, das ist eine Menge Geld. Für die Universität als Ganzes gäbe es im Erfolgsfall über sieben Jahre eine Finanzspritze von etwa 100 Millionen Euro. Und unsere Reputation würde nochmals gewaltig steigen.

Wie sehen Sie die deutschen Hochschulen finanziell ausgestattet? Top-Unis wie Stanford in Kalifornien verfügen über Budgets von fünf Milliarden Dollar.

Die Uni Köln ist weit davon entfernt. Im Moment haben wir, alles zusammengenommen, ein Budget von etwa 800 Millionen Euro pro Jahr. Zudem etwa fast dreimal so viele Studenten wie Stanford. Man darf aber nicht vergessen, dass Stanford und andere führende amerikanische Top-Unis keine staatlichen Unis sind. Mit ihren riesigen Budgets können sie jederzeit jedes Forschungsgebiet aus dem Stand aufbauen und die besten Leute einstellen. Die deutschen Universitäten stehen zwar im Verhältnis von investiertem Geld zum Output gut da. Aber bei ihrer derzeitigen Finanzausstattung und dem derzeitigen im internationalen Vergleich schlechten Verhältnis von Studenten zu Professoren können wir mit internationalen Spitzeneinrichtungen nicht mithalten.

Wie wird sich die Kölner Universität baulich verändern?

Wir sind die einzige Universität in NRW, die selbst bauen kann und dafür ein Budget von etwa 75 Millionen Euro pro Jahr bekommt. Unser Bau-Masterplan wurde gerade fortgeschrieben. Er läuft über zehn Jahre. Dass sich unser Campus so hervorragend entwickelt hat, hätte vor 15 Jahren niemand geglaubt. Damals hat jeder gesagt, das größte Problem der Uni Köln sind die Gebäude: Es gab Lampen in Hörsälen, die – zum Glück nachts – aus sieben Metern Höhe herabfielen. Zur Sicherung wurden Netze daruntergezogen. Das Hauptgebäude war außen abgesperrt, weil die ganze Fassade bröckelte. In den vergangenen Jahren haben wir im großen Stil saniert, neu gebaut und investiert: Hinter einem international führenden Profilbereich wie Cecad stecken um die 300 Millionen Euro Neuinvestitionen, die wir bei Land und Bund zusätzlich einwerben konnten.

Ein Kern des Masterplans ist, dass ein Campus am Zülpicher Wall entstehen soll. Kritiker befürchten, dass Sie in den Grüngürtel eingreifen wollen.

Direkt am Zülpicher Wall gibt es ohnehin keinen Grüngürtel, weil dort auf den Grundstücken der Universität die Sportanlagen der Universität liegen. Wir würden gerne dort bauen, weil diese Flächen sich nahe am Hauptcampus befinden. Die Grünflächen wären nicht betroffen. Es würden sogar Teile der Flächen, die derzeit durch Sportplätze bebaut sind, für die Öffentlichkeit erschlossen. Das Konzept sieht auch vor, dass die Mensa ein Stück zum Zülpicher Wall zurückgezogen wird und damit Platz für Grünflächen freimacht. Bei den geplanten Gebäuden am Zülpicher Wall handelt es sich um eine normale Bebauung, die sich in die bisherige Bebauung einfügt, also vor allem keine Hochhäuser. Für die Uni Köln ist das sehr wichtig. Wir haben nach wie vor die geringste Fläche pro Student in Deutschland und derzeit zudem viel zu viele Gebäude in Streulagen, was die Qualität der Lehre und Forschung stark behindert. Andererseits verstehe ich sehr gut, dass man in Köln auf den Grüngürtel aufpasst. Denn der ist eine Bereicherung – das sehen wir an der Uni ganz genauso und daran wollen wir auch mit den geplanten Baumaßnahmen nichts ändern.

Es gibt eine Novelle zum Hochschulgesetz. des Landes. Wo sehen Sie Stärken und Schwächen des Papiers ?

Richtig wichtig ist, dass die Autonomie der Hochschulen im Gesetz verankert bleibt. Das hat sich sehr bewährt. Die Universitäten wissen selbst am besten, wie sie Forschung und Lehre organisieren und stärken können, das hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt. Ansonsten hatten wir im Hochschulzukunftsgesetz von Rot-Grün einige Punkte, die uns geärgert haben, insbesondere die Rahmenvorgaben, mit denen man über die Hintertüre wieder Detailsteuerung einführen wollte. Das kommt alles raus – und das finde ich gut so. Bei den Gremienstrukturen wird es an der Uni Köln keine besonderen Veränderungen geben. Unsere Gremienstrukturen sind partizipativ, Studenten und Mitarbeiter sind gut beteiligt. Gut ist, dass die Rahmenvorgaben wegfallen. Entweder man ist autonom, oder man ist es nicht. Irgendwas dazwischen in dem Sinn, wir sind autonom, solange wir das tun, was das Ministerium sagt, das ist eine kaum zufriedenstellende Lösung.

Wird es Anwesenheitspflichten an der Uni geben?

Es gibt Kollegen und Kolleginnen, die denken, dass Ihre Veranstaltungen unbedingt persönlich gehört werden müssen. Bei Vorlesungen etwa, ist das bestimmt nicht so: Ich persönlich habe zum ersten Mal eine Vorlesung ganz gehört, als ich selbst eine gehalten habe. Die waren immer so früh, und ich war ein ausgesprochener Langschläfer (lacht). Ich finde, in Vorlesungen muss man nicht anwesend sein. Wenn man aus Büchern lernen will und kann, ist das auch in Ordnung. Im Seminaren und Praktika ist das etwas anderes.

NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen überlegt, eine Studiengebühr für Nicht-EU-Ausländer einzuführen. Wären Sie dafür?

Die Uni Köln hat sich klar positioniert, der Senat lehnt das ab. Solche Studiengebühren würden zum Beispiel Studenten aus Afrika betreffen. Ich möchte aber nicht, dass nur die Kinder von reichen Eltern aus Afrika Zugang zu unseren Studiengängen haben.

Bei der Digitalisierung sind andere Hochschulen weiter als Köln. Wird es Online-Vorlesungen geben?

Kaum jemand hört sich zu Hause anderthalb Stunden lang Vorlesungen an. Das ist nicht das Format der Zukunft. Wir sind im Moment dabei, die gesamte IT-Struktur der Universität neu zu strukturieren und ein umfassendes zentrales IT-Service-Zentrum aufzubauen. Außerdem haben wir Anfang des Jahres ein großes Zentrum für Data and Simulation Science gegründet. Da werden wir Computer-Know-how für die Geistes-, Natur- und Sozialwissenschaften bündeln. Und es wird demnächst ein weiteres Zentrum geben, in dem das Gleiche für die Lehre gemacht wird. Da wird es unter anderem darum gehen, dass unsere Dozenten auf vielfältige digitale Formate für die Lehre zugreifen können. Zudem haben wir mit Ilias eine gute Plattform für E-Learning. Mir schwebt vor, dass Studierende, die sich einschreiben, eine Woche später alles in einer E-Mail haben, was sie für das erste Semester brauchen.

Sind Sie eigentlich für die Zusammenarbeit der städtischen Kliniken mit der Uniklinik?

Meiner Meinung nach gibt es nichts, was dagegen spricht.Es ist schließlich nicht unsere Absicht, etwas zusammenzuführen und dann kaputtzumachen. Die Uniklinik hat in den letzten Jahren kein Personal entlassen, sondern zusätzliches Personal eingestellt, obwohl sie wie andere Unikliniken unter erheblichem Kostendruck steht. Und die Uniklinik ist nicht defizitär, sondern eine der wenigen, die kostendeckend arbeitet. Das war nicht immer so, aber daran haben wir in den vergangenen 15 bis 20 Jahren gearbeitet. Die Fusion ist eine Riesenchance für den Standort Köln. Man könnte sich besser aufeinander abstimmen. Wir arbeiten übrigens jetzt schon hervorragend zusammen und sehen keinen Grund, die Fusion nicht durchzuführen, es sei denn es käme bei der wirtschaftlichen Bewertung heraus, dass wir nicht in der Lage sind, das Projekt in gute Bahnen zu lenken. Eine gemeinsame Einrichtung wäre nach wie vor öffentlich, so dass Politik, Landesregierung und Stadt weiter einen großen Einfluss haben werden.

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Sie feiern bald den 100. Jahrestag der Neugründung der Universität im Jahr 1919. Was erwartet die Öffentlichkeit zum Jubiläum?

Es wird große Veranstaltungen geben, die mit dem Jahresempfang des Rektors beginnen und in einem Jubiläumsfestival gipfeln. Weitere Höhepunkte sind die „Wissenschaft in den Kölner Häusern“, ein Science-Slam in der Kulturkirche Nippes und eine App, die anzeigt, wo sich in Köln einmal Standorte der Uni befunden haben. Zudem erarbeiten wir eine Chronik der Geschichte der Neuen Universität, die keine Schönfärberei betreibt. Wir haben außerdem an vier renommierte Historiker außerhalb der Universität einen Auftrag herausgegeben, um die Geschichte der Uni Köln im Dritten Reich aufzuarbeiten.

Im kommenden Jahr steht auch die Rektor-Wahl an. Werden Sie wieder kandidieren?

Ich habe erst abgewartet, ob wir die Cluster bekommen (lacht). Aber ja, ich habe meine Bereitschaft erklärt zu kandidieren.

Das Gespräch führten Maria Dohmen, Christian Hümmeler und Dirk Riße

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