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„BSG-Folgenmilderungsgesetz“ beschlossen

BSG-Folgenmilderungsgesetz“ beschlossen

Der Deutsche Bundestag hat im Rahmen des am 9. November 2018 beschlossenen Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes – PpSG die negativen Folgen der in den letzten Jahren immer eigenwilligeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abgemildert und der schonungslosen Ausnutzung dieser Rechtsprechung durch die Krankenkassen eine zeitliche Grenze gesetzt.

Die dafür geschaffenen Regelungen umfassen die deutliche Verkürzung des den Krankenkassen zur Verfügung stehenden Zeitraums, in welchem Rückforderungen geltend gemacht werden können (rückwirkende Verkürzung der Verjährungsfrist, Geltung einer Ausschlussfrist für Krankenkassenrückforderungen). Hinzu tritt die Ermächtigung des DIMDI, auch für die Vergangenheit verbindliche Klarstellungen zu ICD- oder OPS-Schlüsseln zu veröffentlichen. Diese Klarstellungen dürfen dabei aber nicht zulasten der Krankenhäuser gehen, indem Anforderungen verschärft werden.

Klagewelle der Krankenkassen überschwemmt die Sozialgerichte

Das PpSG verkürzt die Verjährungsfrist auf zwei Jahre

  • für Krankenhausvergütungsforderungen, welche ab dem 1. Januar 2019 entstehen werden;
  • für alle noch bestehenden Rückforderungen der Krankenkassen, auch wenn diese in der Vergangenheit entstanden sind (Rückwirkung!).

Neu ist eine Regelung (§ 325 SGB V i. d. F. ab dem 1. Januar 2019), nach welcher Krankenkassen Rückforderungen, welche vor dem 1. Januar 2017 entstanden sind (maßgeblich ist der Tag der Zahlung der Krankenkasse), nur noch bis zum 9. November 2018 verjährungshemmend gerichtlich geltend machen durften (Ausschlussfrist!).

Dies führte zu einer beispiellosen Klagewelle der Krankenkassen. Sozialgerichte berichten von einem um mehrere hundert Prozent gestiegenen Klageaufkommen seit dem 5. November 2018.

Was bedeutet dies für Sie

1.    Klagewelle der Krankenkassen:

Die Klagewelle trifft nach der Auskunft z. B. einer AOK nicht jedes Krankenhaus in gleichem Maße. Gegenstand der Klagen werden vornehmlich die vom Bundessozialgericht (BSG) kürzlich thematisierten OPS 8-981/b und 8-550 sein. Es sind jedoch auch „allgemeine“ Rückforderungen eingeklagt worden. Die Klagen werden Ihnen in den nächsten Tagen und Wochen von den Sozialgerichten zugestellt werden. Gern stehen wir Ihnen für Ihre Vertretung vor dem Sozialgericht und zur Klärung der Fälle zur Verfügung.

2.    Verjährungsfrist für Krankenhäuser:

Für Krankenhäuser ändert sich noch nichts. Vergütungsforderungen der Jahrgänge 2018 und früher unterfallen der „alten“ vierjährigen Verjährungsfrist. Erst für Vergütungsforderungen ab dem 1.Januar 2019 ist die zweijährige Verjährungsfrist anzuwenden.

Unklar ist die Situation bei „Überliegern“ oder solchen Fällen, welche im Jahr 2018 behandelt und im Jahr 2019 abgerechnet wurden. Grund für die Unklarheit ist, dass die Frage, wann ein Krankenhausvergütungsanspruch entsteht, gerichtlich noch nicht geklärt wurde. Mit der Aufnahme (BSG: der Vergütungsanspruch entsteht mit der Inanspruchnahme der Leistung) und der Entlassung sowie Abrechnung stehen drei mögliche Anknüpfungspunkte zur Verfügung. Um auf der sicheren Seite zu sein, raten wir Ihnen aus anwaltlicher Vorsicht im Rahmen Ihres Forderungsmanagements für

  • Fälle mit Aufnahme ab dem Jahr 2019 die verkürzte zweijährige Verjährungsfrist anzuwenden;
  • Fälle mit Abrechnung noch bis einschließlich 31. Dezember 2018 die „alte“ vierjährige Verjährungsfrist anzuwenden;
  • „Überlieger“ (Aufnahme 2018, Entlassung und/oder Abrechnung im Jahr 2019) die verkürzte zweijährige Verjährungsfrist anzuwenden.

 3.    Verjährungs- und Ausschlussfristen für Krankenkassen:

Zunächst ist klarzustellen, dass das PpSG erst am 1. Januar 2019 in Kraft tritt. Auf die Ausschluss- und die verkürzte Verjährungsfrist können sich Krankenhäuser daher erst ab dem 1. Januar 2019 berufen. Zeitlicher Anknüpfungspunkt für die Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Krankenkassen ist jeweils der Tag, an welchem die Krankenkasse den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses bezahlt hat. Damit ergeben sich ab dem 1. Januar 2019 folgende Verjährungs- und Ausschlussfristen für Rückforderungen der Krankenkassen:

  • Erfolgte die Zahlung der Krankenkasse im Jahr 2017 bzw. 2018 usw., verjährt ein Rückforderungsanspruch der Krankenkasse mit dem Ablauf des Jahres 2019 bzw. 2020 usw.
  • Erfolgte die Zahlung der Krankenkasse im Jahr 2016, verjährt der Rückforderungsanspruch der Krankenkasse eigentlich mit dem Ablauf des Jahres 2018.

ABER:

  • Wurde die Rückforderung aus einer Zahlung der Krankenkasse im Jahr 2016 nicht bis zum 9. November 2018 von der Krankenkasse eingeklagt, greift die Ausschlussfrist nach § 325 SGB V (i. d. F. ab dem 1. Januar 2019).Verspätet erhobene Klagen, Aufrechnungen oder sonstige Rückforderungen sind u. E. nach Ablauf dieser Frist ausgeschlossen und nicht mehr zulässig.
  • Erfolgte die Zahlung der Krankenkasse im Jahr 2015/2014 oder früher,greift die in § 109 Abs. 5 Satz 2 SGB V (i. d. F. ab dem 1. Januar 2019) angeordnete rückwirkende Verkürzung der Verjährungsfrist. Diese Rückforderungen gelten als am Ende des Jahres 2017/2016 usw. verjährt.  

ABER:

Parallel hierzu kann sich ein Krankenhaus ggf. auf die in § 325 SGB V (i. d. F. ab dem 1. Januar 2019) geregelte Ausschlussfrist berufen. Wurde eine Rückforderung aus einer Zahlung der Krankenkasse im Jahr 2015/2014 oder früher nicht bis zum 9. November 2018 von der Krankenkasse eingeklagt, sindverspäteteKlagen, Aufrechnungen oder sonstige Rückforderungen u. E. ausgeschlossen und nicht mehr zulässig.

4.    Anwendungsbereich:

Nach der Gesetzesformulierung ist unklar, ob die verkürzte Verjährungsfrist sowie die Ausschlussfrist für Rückforderungen der Krankenkassen auch z. B. für Rückforderungen von Umsatzsteuer, Kosten für Hilfsmittel, Aufwandspauschalen nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V usw. gilt.

Umsatzsteuer oder Kosten für Hilfsmittel sind regelmäßig Teil der in einer Abrechnung geltend gemachten Vergütung eines Krankenhauses. Diese enge Verknüpfung spricht u. E. dafür, dass diese ebenfalls unter die Anwendung der verkürzten Verjährungsfrist und der Ausschlussfrist fallen.

Wir halten die verkürzte Verjährungsfrist und die Ausschlussfrist auch auf Rückforderungen von Aufwandspauschalen durch die Krankenkasse für anwendbar. Wir sehen diese Auffassung durch die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 22. Juni 2010, Az. B 1 KR 29/09 R) bestätigt, welches ausführt: „Die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung (…), ihre Vergütung (…) und deren Kontrolle durch KKn und MDK (…) sind dabei auf das Engste miteinander verknüpft und vertragen kein Nebeneinander unterschiedlichen Rechts in Bezug auf die einzelnen Teilkomponenten (…).“ Letztlich wird diese Frage jedoch gerichtlich geklärt werden müssen.

Empfehlungen

1.    Eigene Forderungen des Krankenhauses

Für die eigenen Forderungen des Krankenhauses sind keine Besonderheiten zu beachten. Forderungen aus dem Jahr 2014 müssen bis zum Ablauf des Jahres 2018 geklärt, ein Verjährungsverzicht muss eingeholt
oder verjährungshemmend Klage erhoben worden sein. Hierbei unterstützen wir Sie gern.

2.    Rückforderungen der Krankenkassen

  • Rückforderungen von Krankenkassen, welche in den Jahren 2016 oder früher entstanden sind und aktuell noch geltend gemacht werden, sollten nicht mehr akzeptiert werden. Krankenhäuser sollten diesbezüglich auch keine Rechnungskorrekturen zugunsten von Krankenkassen mehr vornehmen. Diese Rückforderungen sind mangels Klageerhebung ausgeschlossen!
  • Wir raten dazu keine Verjährungsverzichtserklärungen für Rückforderungen von Krankenkassen mehr abzugeben, welche in den Jahren 2016 oder früher entstanden sind. Zwar besteht die Gefahr, dass Krankenkassen dann Klage erheben und damit ein Kostenrisiko für das Krankenhaus verbun-
    den ist. Gibt ein Krankenhaus jedoch eine Verjährungsverzichtserklärung ab, kann es sich dann ggf. nicht mehr auf die positiven Regelungen des PpSG (Verjährung/Ausschlussfrist) berufen.
  • Soll unabhängig von dem Vorstehenden mit Krankenkassen über Rückforderungen verhandeln werden, müssen die Neuregelungen des PpSG bei Forderungen, welche in den Jahren 2016 oder früher entstanden sind, „eingepreist“ werden. Der Wert solcher Rückforderungen der Krankenkassen geht gegen Null.
  • Die vorstehenden Empfehlungen können nicht alle krankenhausindividuell gegebenen Situationen erfassen. Krankenhäusern, welche trotz der Neuregelungen Verjährungsverzichtserklärungen, Vergleiche oder sonstige Vereinbarungen abgeben bzw. vereinbaren wollen, raten wir dringend dazu diese juristisch prüfen zu lassen. Abhängig von der Formulierung solcher Erklärungen oder Vereinbarungen ist die Anwendung der positiven Regelungen des PpSG (Verjährung/Ausschlussfrist) nach dessen Inkrafttreten dann nicht mehr möglich. Dies hätte zur Folge, dass Forderungen beglichen werden müssten, welche unter Anwendung der verkürzten Verjährungsfrist oder der Ausschlussfrist nicht mehr bezahlt werden müssten.