Klinikum Worms von Klagewelle durch Krankenkassen betroffen

Vor einigen Monaten präsentierten Klinikum-Geschäftsführer Bernhard Büttner (v.l.), Pilot Martin Müller und OB Michael Kissel den neuen Hubschrauber-Landeplatz, von dem auch Schlaganfallpatienten abtransportiert werden.  Archivfoto: Klinikum Worms
© Archivfoto: Klinikum Worms

Nach einem Urteil des BSG zu Schlaganfall-Abrechnungen haben die Krankenkassen in Rheinland-Pfalz massenweise gegen Klinikbetreiber geklagt. Auch das Klinikum Worms ist betroffen.

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WORMS. Die Krankenkassen in Rheinland-Pfalz haben die Klinikbetreiber mit einer Klagewelle überzogen. In Tausenden von Fällen fordern sie Behandlungskosten zurück. „Wir sind ebenfalls betroffen. Die ersten Klageschriften beziehungsweise Verrechnungsankündigungen sind bereits bei uns eingegangen. Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Tagen und Wochen noch weitere Rückforderungen kommen werden“, bestätigte Klinikum-Geschäftsführer Bernhard Büttner auf Nachfrage der WZ. Da die Erfassung der Verfahren und die Vergabe von Aktenzeichen durch die angerufenen Sozialgerichte voraussichtlich mehrere Monate dauern wird, könne das Klinikum zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht angeben, um wie viele Klagefälle es gehen wird. „Wir können auch noch nicht sagen, wie hoch die Summe ist, die die Krankenkassen letztlich von uns zurückfordern“, stochert Büttner wie viele seiner Kollegen noch im Nebel.

Andere Kliniken sehen sich ernsthaft bedroht. So weit geht Büttner nicht. „Mögliche Rückzahlungen sind nicht existenzgefährdend für unser Haus, aber durch die Rückforderungen würden bereits erbrachte Leistungen nicht in der erforderlichen Höhe vergütet“, spricht Büttner allerdings auch von wirtschaftlich schwer auffangbaren Verlusten. Eines ist für ihn allerdings klar: „Sollte es bei dem unverständlichen Urteil des Bundessozialgerichtes bleiben, gefährdet das die gesamte wohnortnahe und flächendeckende Schlaganfallversorgung in Deutschland. Betroffen sind bundesweit über 300 Kliniken.“ Das Wormser Klinikum habe seine Behandlungen „korrekt abgerechnet“, betont der Klinikchef.

Zeitlimit für Transport umstritten

Hintergrund der vorher nicht absehbaren Klageflut ist ein am 9. November vom Bundestag verabschiedetes Gesetz. Es legt fest, dass Forderungen der Krankenkassen gegenüber Krankenhäusern bereits nach zwei Jahren verjährt sind. „Bisher waren es vier Jahre. Die Folge war eine Klagewelle vor Ablauf dieser Frist“, erläutert Büttner den Hintergrund des Streits ums liebe Geld.

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Anlass für die pauschale Vorgehensweise der Krankenkassen ist ein aus Büttners Sicht „umstrittenes Urteil“ des Bundessozialgerichteshofes (BSG) aus dem Juni 2018 zu Komplexbehandlungen des Schlaganfalls, das den Begriff „halbstündige Transportentfernung“ völlig überraschend neu interpretiert habe. „Hierbei geht es um ein Zeitlimit für den Transport von Schlaganfallpatienten, das Kliniken erfüllen müssen, um eine Komplexpauschale abrechnen zu können und die Streitfrage, wann genau diese Transportzeit beginnt.“

Das Wormser Klinikum verfügt über eine Schlaganfalleinheit (Stroke Unit) zur Behandlung von Schlaganfällen. Es kann allerdings sein, dass eine Überführung in eine Spezialklinik mit Neurochirurgie oder Neuroradiologie erforderlich wird. Um diese Fälle geht es. Nach Interpretation des Bundessozialgerichtes, auf das sich die Krankenkassen nun berufen, beginnt dieser Zeitraum mit der Entscheidung, ein Transportmittel anzufordern und endet mit der Übergabe des Patienten an die behandelnde Spezialklinik. Damit steht die BSG-Entscheidung im Widerspruch zur Definition des für Qualitätsanforderungen im Krankenhaus zuständigen Deutschen Instituts für medizinische Dokumentation und Information (Dimdi), das zwischenzeitlich klargestellt habe, dass mit der halbstündigen Transportentfernung unverändert die Zeit zwischen Beginn und Ende des Rettungstransportes gemeint ist.“ Für Büttner ist der Fall eindeutig: „Es kommt also auf die Fahrzeit des Rettungswagens oder auf die Flugzeit des Rettungshubschraubers an.“