Nach Berichten über eine Zunahme von Verletzungen und Todesfällen durch mangelhafte medizinische Implantate will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für mehr Transparenz bei den Medizinprodukten sorgen. Dafür solle ein Implantate-Register geschaffen werden. "Wir bauen eine industrieunabhängige Stelle auf, bei der alle verbauten Implantate gemeldet werden müssen", sagte Spahn der Rheinischen Post. Zugleich räumte der Minister Defizite ein. Bei Problemen mit einem Medizinprodukt habe das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) "keinen Gesamtüberblick über alle vergleichbaren Fälle" und damit auch keine Chance, Patientinnen gezielt vor Fehlern zu warnen. 

Nach den Ergebnissen einer internationalen Recherche, an der in Deutschland die Sender NDR und WDR sowie die Süddeutsche Zeitung beteiligt waren, haben Verletzungen und Todesfälle, die im Zusammenhang mit Implantaten stehen könnten, stark zugenommen. Allein in Deutschland sind demnach im vergangenen Jahr 14.034 Verdachtsfälle gemeldet worden. Der Marktführer in Medizintechnologie, das US-Unternehmen Medtronic, könne mit bis zu 9.300 Todesfällen und 292.000 Verletzungen allein in den USA in Verbindung gebracht werden, heißt es in den Berichten.

Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte, man nehme die Berichte sehr ernst. "Jeder einzelne dort beschriebene Fall ist tragisch und einer zu viel."  

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach forderte die Regierung zum Handeln auf. "Wir müssen die Patientensicherheit deutlich verbessern", sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Für möglicherweise gefährliche Nebenwirkungen von Implantaten müssten "Untersuchungen mit Menschen" eine "deutlich höhere Bedeutung erhalten". Nötig sei außerdem ein lückenloses Implantate-Register und dessen Veröffentlichung. Strengere Regeln müssten sicherstellen, dass Implantate, die Auffälligkeiten zeigten, "sofort vom Markt genommen werden". Lauterbach warf Union und FDP vor, solch strengere Auflagen in der Vergangenheit verhindert zu haben.

Scheininnovationen und schädliche Produkte

Auch die gesetzlichen Krankenversicherungen riefen zu Verbesserungen auf. "Bei Medizinprodukten kommen Scheininnovationen und sogar schädliche Produkte viel zu leicht in die Versorgung. Es gibt keine sicheren Regeln und Vorgaben, die das verhindern", sagte Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. Beispiele reichten von "sich selbst auflösenden Stents bis zu Metall-auf-Metall-Hüftprothesen". Die Politik habe seit Jahren "trotz zahlreicher Mahnungen viel zu wenig getan", obwohl die gesetzliche Krankenversicherung mehrfach auf die Probleme hingewiesen habe. 

Die EU-Kommission forderte eine bessere Umsetzung von Regeln und Kontrollen. Auf EU-Ebene sei als Konsequenz aus dem Skandal um geplatzte Brustimplantate 2017 ein neues Regelwerk beschlossen worden, sagte eine Sprecherin. Die EU-Staaten, Hersteller und Ärzte seien aufgefordert, die strengeren Qualitäts- und Sicherheitsstandards anzuwenden und ihre Arbeit transparenter zu machen.

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) verwies darauf, dass die Patientensicherheit bereits heute "oberste Priorität" habe. Die Branche sei "heute schon extrem stark reguliert", sagte Geschäftsführer Joachim Schmitt. Durch die neue EU-Verordnung würden die Anforderungen weiter erhöht.