350 Millionen im Jahr: So finanziert sich der Rettungsdienst

27.11.2018, 05:56 Uhr
350 Millionen im Jahr: So finanziert sich der Rettungsdienst

© News5/Grundmann

Eine Rettungswagen-Fahrt: 700 Euro; ein Notarzt-Einsatz: 900 Euro. Gesundheit ist ein teures Gut. Doch dieses Geld bekommt nicht der Rettungsdienst direkt, sondern es fließt nach München. Dort sitzt die "Zentrale Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst Bayern" (ZAST), die die genannten 350 Millionen Euro verteilt. Die Rettungsdienst-Organisationen erhalten eine Erstattung ihrer realen Kosten – mehr nicht, sagen Brigitte Lischka, die BRK-Geschäftsführerin in Nürnberg, und der stellvertretende Rettungsdienst-Leiter des BRK, Marc Lechner.

Und das funktioniert so: Wie viele Rettungswagen in Nürnberg (oder anderswo in Bayern) im Regeleinsatz unterwegs sein dürfen, legen einmal im Jahr die Gutachter des Instituts für Notfallmedizin (München) fest. Als Basis für die Entscheidung wird unter anderem die Auslastung der Fahrzeuge in den zurückliegenden zwölf Monaten herangezogen. Werden laut Gutachten zusätzliche Retter nötig, so werden diese "Lizenzen" ausgeschrieben. In Nürnberg und der Region läuft dies über den Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Nürnberg (ZRFN). Der Verband schreibt auch etliche bestehende Lizenzen in Abständen immer wieder neu aus.

Bewerber müssen ihr medizinisches Konzept darlegen und ein Kostenangebot abgeben: Personalkosten (sie sind mit Abstand der größte Brocken) sowie Sachaufwendungen von der Einsatzkleidung bis zum medizinischen Verbrauchsmaterial. Für den Verwaltungsaufwand sind kleine Pauschalen vorgesehen, so Brigitte Lischka.

Zwischen fünf und acht Einsätze pro Schicht

Die Rettungsfahrzeuge werden zentral für ganz Bayern vom BRK München beschafft. Wer den Zuschlag bekommt, ist an sein Kostenangebot gebunden – und erhält diese Aufwendungen von der ZAST zurück. In Nürnberg fahren Rettungsfahrzeuge meist zwischen fünf und acht Einsätze pro Acht-Stunden-Schicht. Multipliziert mit 700 Euro pro Einsatz kommt dabei deutlich mehr Geld in die ZAST-Kasse, als der Retter an Gesamtkosten verursacht.

Was passiert mit dem "Überschuss"? Der fließt gleichsam aufs Land. Während ein Retter in Nürnberg binnen 24 Stunden etwa 20 Mal alarmiert wird, sind es in Neumarkt mitunter nur zwei Einsätze. Das ZAST-Modell einer Querfinanzierung ermöglicht also erst den Rettungsdienst in ländlicheren Regionen.

Andere Bundesländern fahren ganz andere Modelle. In Nordrhein-Westfalen etwa verhandelt jede Stadt ihren eigenen Vertrag zur Rettungsdienst-Finanzierung mit den Krankenkassen – ein mühsames Unterfangen. Das erklärt, weshalb etwa in Köln ein Retter-Einsatz lediglich rund 200 Euro kostet. In dieser Großstadt mit knapp 1,1 Millionen Einwohnern sind die Fahrzeuge gut ausgelastet – und müssen keine "Schwachlast"-Gebiete querfinanzieren.

Eine Sonderstellung im Nürnberger Rettungsdienst nimmt die Berufsfeuerwehr ein. Bislang betreibt sie lediglich ein Rettungsfahrzeug, das vor allem zur Eigensicherung bei Feuerwehr-Einsätzen vorgesehen ist. Tatsächlich fordert die Integrierte Leitstelle diesen Retter seit Jahren immer häufiger zur Spitzenlast-Abdeckung an. 2017 kamen so rund 2000 Einsätze zusammen, statistisch betrachtet 5,5 Alarmierungen pro Kalendertag. Anders als die Organisationen erhält die Feuerwehr dafür nicht die tatsächlichen Kosten von der ZAST zurück, sondern lediglich ein Kilometergeld. Materialverbrauch und Personalkosten trägt die Feuerwehr – also die Stadt Nürnberg.

Mit den Krankenkassen rechnet die ZAST dennoch 700 Euro je Feuerwehr-Rettungsfahrt ab. Rechnerisch entsteht dadurch am Jahresende ein Überschuss von bald 1,4 Millionen Euro. Was passiert mit diesem Geld? Ein Überschuss wird nicht an die Rettungsdienst-Organisationen ausgeschüttet, sondern trägt gegebenenfalls dazu bei, die Einsatzpauschalen für das Folgejahr etwas abzusenken, unterstreichen Lischka und Lechner. Eine Unterdeckung führe entsprechend zu einer Erhöhung der Pauschalen im Folgejahr.

Auslastung von 96 Prozent

Seit einigen Wochen müssten die Einsatzzahlen des Feuerwehr-Retters eigentlich spürbar zurückgegangen sein. Denn zum 1. Oktober wurden vier zusätzliche Rettungsfahrzeuge für das Stadtgebiet in den Dienst gestellt (die NZ berichtete). Ermöglicht haben dies die Gutachter des Instituts für Notfallmedizin, die erkannten, dass die Notfallversorgung in Nürnberg zuletzt bei einer Auslastung von 96 Prozent lag. Das sei "grenzwertig", sagen Lischka und Lechner nicht zuletzt mit Blick auf die Dauerbelastung der Rettungsdienst-Mitarbeiter. Und: Außergewöhnliche Ereignisse, wie ein Eisregen im Winter oder ein größerer Unfall auf der Autobahn, brächten das System schnell an seine Grenzen.

Während die Belastungen hier seit 1. Oktober etwas abgenommen haben dürften, bleibt sie beim Krankentransport unverändert hoch (die NZ berichtete mehrfach). Der Grund: Anders als im Rettungsdienst – er muss binnen zwölf Minuten beim Patienten sein – gelten für den Krankentransport keine Schutzziele. Mit der Folge, dass hier viele Betroffene zum Teil mehrere Stunden auf den Transport etwa zum Arzt oder vom Krankenhaus nach Hause warten müssen.

Hier wäre der Gesetzgeber gefordert, meinen Lischka und Lechner. Denn erst die Einführung von Schutzzielen würde dazu führen, dass die Notfallmedizin-Gutachter die Krankenkassen dazu zwingen, mehr Geld auszugeben für eine bessere Ausstattung des Krankentransports. Dessen Einsätze kosten übrigens weit weniger als die der Rettungsfahrzeuge: Die Krankenkasse zahlt für jede Fahrt eine Grundpauschale sowie ein Kilometergeld an die ZAST. Die Abrechnungsstelle wiederum vergütet die tatsächlichen Kosten des Krankentransporters, der in aller Regel mit ehrenamtlichem Personal unterwegs ist.

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