Für Patienten mit chronischen Schmerzen stellt die Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie (IMST) eine der wichtigsten verfügbaren therapeutischen Möglichkeiten dar. Das Verfahren ist seit vielen Jahren etabliert und wissenschaftlich gut belegt [5]. Nach der Einführung des deutschen DRG-Systems im Jahr 2003 ist deshalb die Etablierung des Prozedurenschlüssels OPS-Kode 8‑918 für die Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie im Jahr 2002 mit den dadurch angesteuerten Fallpauschalen (German Diagnosis Related Groups; G‑DRG) ein wesentlicher Meilenstein. Die Fallpauschalen wurden 2005 freigeschaltet und ermöglichen zumindest im stationären Sektor (für die teilstationäre IMST müssen nach wie vor individuelle Verhandlungen geführt werden) eine Refinanzierung der sehr aufwändigen Therapie.

„Einzelfallprüfungen“ in der Fläche

Seit der Einführung der entsprechenden Fallpauschalen haben in Deutschland die stationären Angebote für IMST kontinuierlich zugenommen. Mittlerweile rechnen laut Weißer Liste der Bertelsmann Stiftung (www.weisse-liste.de) über 400 Einrichtungen eine stationäre IMST ab. Die Qualität der entsprechenden Angebote ist inhomogen und infolge dessen die Prüfung von Indikationen für eine stationäre IMST sowie der Qualität der Umsetzung der Prozedur 8‑918 ein legitimer Ansatz der Qualitätskontrolle. Die Kostenträger haben nach SGB V das Recht, Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie bei Auffälligkeiten auch die ordnungsgemäße Abrechnung zu prüfen. Zu diesem Zweck beauftragen sie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dieses Vorgehen ist zunächst geltendes Recht und bietet einerseits die Chancen für eine Qualitätsprüfung der entsprechenden Fälle und Abteilungen, andererseits aber auch die Gefahr ungerechtfertigter Fallstreichungen bei unsachgemäßer oder oberflächlicher Prüfung. Es ist allerdings eine Tatsache, dass die gängige Prüfpraxis und -quote der Kostenträger eine „Einzelfallprüfung bei Auffälligkeit“ in einigen Landesteilen bzw. Bundesländern weit überschreitet. Dieses sozialrechtlich fragwürdige Vorgehen gefährdet die flächendeckend notwendige Versorgung von Patienten mit hochchronifizierten Schmerzen.

Die OPS 8‑918 ist eine Komplexziffer, die – wie ähnliche OPS-Kodes im DRG-System – eine ausführliche Definition von Voraussetzungen und Umsetzungsanweisungen mit entsprechenden Strukturanforderungen enthält [3]. Die Entstehung von Diskrepanzen in der Interpretation dieser Komplexziffern zwischen Leistungserbringern, Kostenträgern, und Gutachtern des Medizinischen Dienstes ist insofern zu erwarten. Aus diesem Grunde und mit dem gemeinsamen Ziel, eine gute Qualität in der IMST zu gewährleisten, haben der Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e. V. (BVSD) sowie die schmerztherapeutischen Vertreter der sozialmedizinischen Expertengruppe IV „Vergütung und Abrechnung“ der MDK-Gemeinschaft (SEG 4) nach entsprechenden fachlichen Verhandlungen im November 2012 einen Begutachtungsleitfaden „Begutachtung des OPS-Komplexcodes 8‑918 Multimodale Schmerztherapie“ erarbeitet. Dieser Begutachtungsleitfaden ergänzte die Deutschen Kodierrichtlinien [4], die jährlich von den Spitzenverbänden Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), GKV-Spitzenverband, Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) und dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK GmbH) herausgegeben werden. Der Begutachtungsleitfaden war sowohl für die Gutachter des MDK als auch für die Leistungserbringer eine hilfreiche Veröffentlichung, die in Streitfällen immer wieder zur Argumentation herangezogen wurde. Es blieben dennoch in den letzten Jahren zunehmend Streitpunkte offen, die eine Novellierung dieses Leitfadens sinnvoll erschienen ließen.

Indikationsstellung nur bei der Einzelfallbetrachtung möglich

Zum Jahreswechsel 2017/2018 wurde eine Neuauflage des Begutachtungsleitfadens veröffentlicht, die nunmehr „Sozialmedizinische Begutachtungs‑, Wissen‑, Arbeitshilfe ‚Begutachtung des OPS-Komplexcodes 8‑918 Multimodale Schmerztherapie‘“ heißt und unter Einbindung von BVSD, Deutscher Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS) und der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. entstand [6]. Erneut wurde in fast 2‑jährigen Konsensgesprächen für die Neuauflage evident, dass das Aufstellen harter Kriterien für die stationäre Erbringung der IMST schwierig ist. Konsens besteht dahingehend, dass die Indikationsstellung immer nur individuell in Abhängigkeit von der besonderen Biografie, Komorbidität und Risikokonstellation des Patienten möglich ist.

Die klar strukturierte Begutachtungshilfe befasst sich zunächst mit den übergeordneten Fragen der Indikation für eine IMST und der Notwendigkeit der vollstationären Behandlung (§ 39 SGB V) bei chronischen Schmerzen, um dann im Einzelnen auf die Subkriterien der OPS-Ziffer 8‑918 einzugehen.

Dem Leser der Begutachtungsleithilfe wird auffallen, dass die Indikation für eine IMST einerseits, die stationäre Aufnahme und Durchführung der IMST im stationären Setting andererseits, als getrennte Entitäten behandelt werden. Dies stellt klar, dass die Erfüllung von § 39 SGB V eine Durchführung und Kodierung einer IMST alleine nicht rechtfertigt. Auf der anderen Seite reichen die in der OPS 8‑918 genannten Voraussetzungen alleine nicht aus, eine stationäre Aufnahme zu begründen. Die Begutachtungshilfe nennt aus diesem Anlass Kriterien, die für ein stationäres Setting einerseits und für die Durchführung einer IMST andererseits sprechen. Beides ist in der Begutachtungshilfe in nicht abschließenden Listen aufgeführt.

Schlüsselrolle für ICD-Diagnose F45.41

Es konnten im Vergleich zur Vorveröffentlichung von 2012 zudem weitere Punkte präzisiert werden. Klargestellt wurde u. a. die Anwendung der ICD-Diagnose F45.41. Sie ist demnach als Hauptdiagnose zu kodieren, wenn sie diejenige Erkrankung darstellt, die zur Aufnahme ins Krankenhaus geführt hat. Wohlweislich, und hier stellt die im Dezember 2017 von der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. veröffentlichte Checkliste F45.41 [1] eine Dokumentationshilfe dar, muss sie nachvollziehbar exploriert und dokumentiert werden. Zum Wortlaut der OPS 8‑918 selbst, das heißt den Voraussetzungen für deren Anwendung und zu den darin enthaltenen strukturellen Merkmalen, nimmt die Begutachtungshilfe klar Stellung. Die in der OPS aufgeführten Kriterien sind teilweise unscharf formuliert und werden immer wieder diskrepant interpretiert. Deshalb hat auch die Ad-hoc-Kommission „Interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie“ der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. im Januar 2018 [2] dazu die Position der Fachgesellschaft formuliert.

Beide Veröffentlichungen werden zur Prüfung entsprechender Einzelfälle, nicht zuletzt auch vor Sozialgerichten, herangezogen. Letzteres wird angesichts des „die individuelle Auffälligkeit einzelner Fälle“ weit überschreitenden Maßes an Prüfaufträgen durch die Kostenträger leider immer wichtiger, wiewohl wir hier eine starke regionale Streuung feststellen. Diese regionalen Unterschiede sind weder im Grunde erklärbar noch inhaltlich zu rechtfertigen.

Rechtsprechung eindeutig

Das Bundesozialgericht hat in mehreren höchstrichterlichen Urteilen betont, dass die Inhalte von OPS-Kodes wörtlich umzusetzen seien; dieser Vorgabe unterliegen auch die Sozialgerichte. Dieser Linie folgt konsequent ein aktuelles Urteil zum Komplexcode 8‑550, in dem u. a. die präzise nach den Vorgaben des Kodes umzusetzende Ausgestaltung der Teambesprechung als unabdingbare Abrechnungsvoraussetzung festgeschrieben wird [7]. In diesem Urteil werden weitere OPS-Kodes genannt, die ähnlichen Anforderungen unterliegen können. Die OPS-Ziffer 8‑918 (und auch 1‑910, 8‑91c) wurde dagegen nicht erwähnt, weil hier vergleichbare Anforderungen an die wöchentliche Teambesprechung nicht enthalten sind. Insofern ist es auch nicht begründbar, die Angaben im genannten Urteil auf alle Komplexverfahren und insbesondere auf die schmerztherapeutischen Ziffern auszudehnen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Veröffentlichungen der MDK-Gemeinschaft und der Ad-hoc-Kommission „Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie“ der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. einen positiven Beitrag leisten werden, die qualitativ hochwertige IMST in Deutschland zu unterstützen und durch Präzisierungen der Anforderungen unnötige Diskussionen oder gar Rechtsstreitigkeiten mit den Kostenträgern zu vermeiden.

J. Lutz

A. Böger

B. Arnold

Für die Ad-hoc-Kommission „Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie“