Oldenburg - Im April wurde Professor Dr. Norbert Senninger vom Uniklinikum Münster in den Ruhestand verabschiedet. Sachverständiger und Berater wolle er nun sein, hatte der hoch dekorierte, langjährige Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie angekündigt.

Doch nun steht der 66-Jährige wieder täglich am OP-Tisch. Arbeitstage von zwölf und mehr Stunden sind keine Seltenheit. Als Nachfolger des in Unfrieden geschiedenen Ex-Direktors Professor Hans-Rudolf Raab will der Fachmann aus Münster die Universitätsklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum Oldenburg sanieren.

Die ersten vier Wochen hat der kommissarische Klinikchef hinter sich. Und er strahlt. „Ich fühle mich getragen von einer Woge der Euphorie“, schwärmt Senninger, „wie auf Wolke sieben“. In der Klinik verspüre er Aufbruchstimmung. Die Patientenzahl sei gestiegen. Atmosphärisch erlebe er einen Neustart.

Nanu, war die Lage des Klinikum Oldenburg gar nicht so desolat wie immer beschrieben? Senninger rückt diesen Eindruck gerade. Viele Kritikpunkte träfen zu, manches sei aber „völlig überzeichnet und einseitig“.

Seine Abteilung habe er „inhaltlich und stimmungsmäßig schwer angeschlagen“ vorgefunden. In der Zeit „relativer Führungsschwäche“ hätten sich „Dinge entwickelt, die mit chirurgischen Standards nicht viel gemein haben“. Dauer-Kritik von innen und außen habe seine „Leute zutiefst verstört“, diagnostiziert der Chefarzt.


Lesen Sie auch : Klinikum Oldenburg – ein Krankenhaus in der Krise

An sein Team hat der neue Chef klare Erwartungen. Statt um 7.30 Uhr zur Morgenbesprechung erwartet Senninger die Mannschaft demnächst bereits um 7 Uhr – zur Morgenvisite. Die Zuwendung zum Patienten hat für den 66-Jährigen „höchste Priorität“.

Er erwarte, dass jeder Operateur vor dem Eingriff mit dem Patienten gesprochen hat. Auch in die Nachbehandlung sei er einzubinden. „Ich akzeptiere nicht, dass jemand sagt, er habe keine Zeit für ein Gespräch mit einem Patienten.“ Dem Wohl des Patienten ordnet Senninger auch das Geld unter. „Wenn die Behandlung stimmt und der Patient gut betreut ist, brauchen wir uns um die Erlöse keine Sorgen zu machen“, lautet seine Devise.

Eine Art Regierungserklärung hat der Interimschef in einem Brief an alle Einweiser verfasst. Die „in der Klinik definitiv vorhandene Qualität“ werde wieder sichtbar. Oberarztvisiten täglich, zwei Chefvisiten pro Woche, Entlassungsgespräche mit allen Patienten, Infos zur Behandlung an alle zuweisenden Ärzte – Senninger will sich an konkreten Vorgaben messen lassen.

Der Sanierer hat sich einen Stellvertreter gewünscht und mit Prof. Dr. Wolfgang Probst bekommen. Der ehemalige Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Ammerland-Klinik steht seit 1. Dezember an seiner Seite.

Bis Ende August 2019 laufen die Verträge der beiden Führungskräfte. Ob er die Klinik bis dahin neu aufstellen kann? Senninger ist hoffnungsvoll. Zwar ereilten ihn immer wieder Überraschungen, „wie Schlaglöcher auf einer Überholspur“. Dennoch sei er zuversichtlich, dass „die Dinge, die ich losgetreten habe, zum Erfolg führen“.

Christoph Kiefer
Christoph Kiefer Reportage-Redaktion (Chefreporter)