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Aus Krankenhaus entlassen – und dann?

Tuttlingen / Lesedauer: 4 min

Sascha Sartor, Geschäftsführer des Klinikums Tuttlingen, spricht über das Entlassmanagement seines Hauses
Veröffentlicht:08.05.2018, 17:47

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Zwei erfahrene Krankenschwestern kümmern sich im Klinikum Landkreis Tuttlingen um Patienten, die nach ihrem Krankenhausaufenthalt weitere Maßnahmen brauchen: Reha, Kurzzeitpflege, Heimplatz. Entlassmanagement nennt sich das. Redakteurin Ingeborg Wagner hat sich mit dem Geschäftsführer des Klinikums Landkreis Tuttlingen, Sascha Sartor , darüber unterhalten, warum dieses Thema immer wichtiger wird – für Patienten wie für das Krankenhaus.

Herr Sartor, warum wurde die Einrichtung einer solchen Stelle notwendig?

Seit 1. Oktober 2017 sind wir gesetzlich dazu verpflichtet, die Anschlussbetreuung für die Patienten umzusetzen. Allerdings haben wir uns über unseren Sozialdienst schon immer um das Thema gekümmert. Doch wir stellen fest, dass es an Bedeutung gewinnt. So gibt es mehr und mehr pflegebedürftige Patienten, die nach einem Krankenhausaufenthalt nicht in die eigenen vier Wände zurück können und Unterstützung benötigen. Zudem gibt es für uns ökonomische Zwänge, weshalb ein guter Übergang der Patienten in den ambulanten Bereich auch in unserem Interesse liegt. Die beiden Mitarbeiterinnen, die sich eine Stelle teilen, kümmern sich dann für die Patienten um einen Platz in einer Reha-Klinik, in einem Pflegeheim oder der mobilen Betreuung durch einen Pflegedienst.

Was meinen Sie mit ökonomischen Zwängen?

Die Krankenkassen zwingen uns dazu, die Patienten immer früher zu entlassen. Momentan liegt die Aufenthaltsdauer im Kreisklinikum Tuttlingen im Schnitt bei 5,9 Tagen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat die Daten aus ganz Deutschland gesammelt und gegenübergestellt. Demnach lag die Aufenthaltsdauer in den Kliniken 1994 bundesweit bei zwölf Tagen. Bis zum Jahr 2015 hat sich diese Zahl auf 7,1 reduziert. Wenn wir die Patienten schon früher entlassen, dann wollen wir sie wenigstens gut entlassen. Das können wir nur verantworten, wenn wir dem Thema Zeit und Ressourcen widmen.

Gilt das für jeden Patienten?

Die gesetzliche Verpflichtung erstreckt sich auf alle Patienten. Bei einer alleinstehenden älteren Dame oder einem älteren Herr, den wir wegen eines Schlaganfalls behandeln, hat das aber eine andere Bedeutung als bei einem Patienten um die 30, der wegen eines Sportunfalls ins Krankenhaus kam. Um Letzteren müssen wir uns in der Regel sehr wenig kümmern. Der beste Zeitpunkt, um die Anschlussbetreuung anzugehen, ist bei der Aufnahme der Patienten in das Klinikum. Dort werden frühzeitig Fragen gestellt, zum Beispiel, wie die Betreuungssituation zu Hause aussieht oder ob im Anschluss an das Krankenhaus andere Maßnahmen gebraucht werden. Wir haben ja nichts davon, dass wir Patienten behandeln und auf einen guten Weg bringen, um sie dann ins Bodenlose fallen zu lassen. Eine adäquate Betreuung im Anschluss verhindert in der Regel eine erneute Aufnahme ins Krankenhaus. Da profitieren alle davon, auch wir als Klinik.

Wer einen Kurzzeitpflegeplatz im Kreis Tuttlingen braucht, hat ein Problem: Die Plätze sind rar, gerade mal 53 gibt es kreisweit.

Ja, es ist bekannt, dass die Verfügbarkeit der Kurzzeitpflegeplätze Schwierigkeiten bereitet. Sie sind eine knappe Ressource. Das merken auch unsere Mitarbeiterinnen, die sich um die Anschlussbetreuung kümmern. Im Landkreis Tuttlingen gibt es einen runden Tisch zur Kurzzeitpflege mit allen Beteiligten, bei dem auch das Klinikum vertreten ist. Wir haben in den Krankenhäusern Tuttlingen und Spaichingen insgesamt 20 eingestreute Kurzzeitpflegeplätze. Das sind Plätze, die laut Versorgungsvertrag mit Kurzzeitpflegegästen belegt werden können. Diese vermarkten wir aber nicht aktiv, weil wir sie nahezu exklusiv für stationäre Patienten nutzen, um den Übergang abzupuffern.

Das heißt, pflegende Angehörige, die eine Auszeit brauchen, haben keine Möglichkeit, ihren Angehörigen in den Kurzzeitpflegeplätzen des Klinikums unterzubringen?

Nein, unsere Plätze sind auf dem Markt so gut wie nicht verfügbar. Wir können im Januar keine Zusage für August geben, wenn Angehörige ihren Urlaub planen, da wir noch nicht wissen, ob wir die Plätze für eigene Patienten brauchen. Ich kann verstehen, wenn da Kritik von außen kommt. Allerdings muss man sehen, dass der Druck auf die Kurzzeitpflegeplätze in den Heimen im Kreis noch höher werden würde, wenn wir diese 20 Plätze nicht hätten.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, könnten Sie noch weitere Kurzzeitpflegeplätze in Ihren Häusern gebrauchen, denn der Anteil pflegebedürftiger und schwerkranker Menschen unter den Patienten steigt an. Ist an eine Erweiterung gedacht?

Wünschenswert wären weitere Kurzzeitpflegeplätze, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Aber diese Menschen müssen gut betreut werden, dafür brauche ich gut ausgebildete Mitarbeiter. Wir stehen beim Personal im Wettbewerb mit vielen anderen Krankenhäusern und auch Altenpflegeheimen. Das ist eine kontinuierliche Herausforderung für uns. Zudem muss man sehen, dass unser primärer Auftrag als Krankenhaus ein anderer ist.