Klinik Seefeld:Ein Krankenhaus für alle Fälle

Blinddarm, Schnittwunde, künstliches Knie: In der Chirurgischen Klinik Seefeld kümmern sich 24 Ärzte und 100 Pfleger um Patienten aus dem westlichen Landkreis. Nach einer turbulenten Geschichte wechselt das kleine Haus in die Starnberger Holding.

Von Christine Setzwein

Genau 17 Jahre und elf Tage ist Dr. Rudolf Frank Arzt in Seefeld. Der Unfallchirurg und Orthopäde, der bald seinen 60. Geburtstag feiert, ist eine verlässliche Größe in der Klinik. Frank hat angefangen unter dem langjährigen Chefarzt und Ärztlichen Direktor Nikolaus Hermes und nach dem überstürzten Abgang von dessen Nachfolgerin ein paar Monate das Haus geleitet, bevor Markus Wagner Mitte 2016 den Chefposten übernommen hat. Frank ist dessen Stellvertreter.

144 Jahre, vier Monate und 29 Tage. So lange war das Seefelder Krankenhaus eigenständig. Damit ist es am 1. Juli 2018 vorbei - sofern der Starnberger Kreistag am kommenden Montag zustimmt. Dann wird aus der "Chirurgischen Klinik Seefeld" die "Klinik Seefeld" und eine Tochter der Starnberger Kliniken GmbH. Sie reiht sich ein in die Holding, die bisher aus dem Klinikum Starnberg, dem Krankenhaus Penzberg, der Berufsfachschule für Krankenpflege, der Gesundheitsakademie und dem Gästehaus Residence besteht. Einziger Gesellschafter ist der Landkreis Starnberg.

Das kleine kommunale Seefelder Krankenhaus mit seinen 72 Betten hat stürmische Zeiten hinter sich. Schon 1985, als sich Nikolaus Hermes beim damaligen Landrat Rudolf Widmann auf eine Stelle in Seefeld bewarb, riet der ihm ab: Die Klinik werde bald geschlossen, prophezeite Widmann. Er sollte sich irren. Auch sein Nachfolger als Landrat, Heinrich Frey, biss sich 2007 an Chefarzt Hermes und am Zweckverband Krankenhaus Seefeld - dem auch der Landkreis angehört - die Zähne aus. Die Bürgermeister von Seefeld, Andechs, Herrsching, Inning, Wörthsee, Weßling und Gilching waren nicht bereit, die Eigenständigkeit ihres Krankenhauses im Westen des Landkreises aufzugeben. Auch wenn sie das viel Geld kostete. Aber weder eine Schließung noch eine Fusion mit Starnberg kam infrage für die aufmüpfigen Westler.

Seefeld: Chirurgische Klinik;

Die chirurgische Klinik Seefeld wechselt in den Starnberger Klinikverbund.

(Foto: Nila Thiel)

Wenige Jahre, etwa von 2011 bis 2015, schien die Welt für die Seefelder Klinik und den Zweckverband in Ordnung zu sein. Angeblich war der Betrieb in dieser Zeit nicht mehr auf Zuschüsse des Landkreises und der Mitgliedsgemeinden angewiesen, das Haus schreibe sogar schwarze Zahlen, hieß es.

Der tiefe Fall kam im Oktober 2015. Da wurde bekannt, dass der damalige Geschäftsführer offensichtlich die Bilanzen geschönt und jahrelang keine Zuschüsse eingefordert hatte, nur um die Klinik gut dastehen zu lassen. Er wurde vom Zweckverbandsvorsitzenden Wolfram Gum fristlos entlassen. Ende 2015 hatte die Klinik Schulden in Höhe von drei Millionen Euro und brauchte einen Zwei-Millionen-Kredit. Schnell wurde klar: Ohne Partner geht es nicht mehr, sonst muss das Krankenhaus geschlossen werden.

Rudolf Frank ist die Ruhe in Person. Er sagt, er habe trotz der Turbulenzen nie gezweifelt an seiner Entscheidung, nach Seefeld zu gehen. Auch wenn er davor in Starnberg einen guten Posten hatte, im Kreiskrankenhaus sogar das erste künstliche Kniegelenk eingesetzt hat. Dieses Wissen und Können nahm er mit nach Seefeld. Der gute Ruf der Chirurgischen Klinik dort, die Atmosphäre und die positiven Rückmeldungen der Patienten hätten ihn immer bestärkt. Heute macht er pro Jahr um die 1200 Operationen, vom Knochenbruch über Gelenkspiegelungen bis zur Endoprothetik. "Eng um den Patienten kümmern", ist sein Motto. Der Patient will, dass man ihm zuhört, ihn ernst nimmt und Zeit für ihn hat. Frank: "Und er will immer denselben Arzt, nicht jeden Tag einen anderen."

Das Seefelder Krankenhaus war und ist für die medizinische Grundversorgung der Menschen im Westen des Landkreises da. Ob Schnittwunde, Blinddarmentzündung, Brüche oder Arbeitsunfälle: 24 Ärzte und mehr als 100 Pflegekräfte kümmern sich um die Patienten. Schwerpunkt ist die onkologische und minimalinvasive Chirurgie sowie die Orthopädie und Unfallchirurgie. "Wir waren immer sehr gut ausgestattet", sagt Frank.

Aber nach dem finanziellen Debakel stand es Spitz auf Knopf für das kleine Haus. Doch in Landrat Karl Roth, der schon als Andechser Bürgermeister für die Klinik kämpfte, fand der Zweckverband nun einen Fürsprecher. Und auch der Geschäftsführer der Starnberger Kliniken, Thomas Weiler, setzte sich für Seefeld ein und überzeugte das Gesundheitsministerium, dass der Bedarf an Krankenhausbetten in der Ammerseeregion gegeben sei. Voraussetzung: die Fusion mit Starnberg und ein erweitertes Spektrum. Aber alle waren sich bewusst, dass ein Krankenhaus mit 72 Betten nicht wirtschaftlich betrieben werden könne. Also Erweiterung am Standort oder Neubau?

Seefeld: Chirurgische Klinik; Dr. Rudolf Frank

Dr. Rudolf Frank hat im Kreiskrankenhaus das erste künstliche Knie eingesetzt. Heute steht er in Seefeld bei 1200 Operationen im Jahr am OP-Tisch - vom Bruch über Gelenkspiegelungen bis zur Endoprothetik. Das Motto des Vize-Chefarzts lautet: "Eng um den Patienten kümmern."

(Foto: Nila Thiel)

Es gab neue Turbulenzen. Der Seefelder Bürgermeister Wolfram Gum zauberte flugs einen neuen Standort im Aubachtal nahe der geschützten Eichenallee aus dem Hut. Ein Bürgerbegehren war die Folge, es wurde heftig gestritten, bis schließlich die erlösende Nachricht von Weiler kam, dass eine Sanierung und Erweiterung am jetzigen Standort möglich sei. Ganz abgesehen davon, dass der Regionale Planungsverband einem Neubau im regionalen Grünzug nicht zugestimmt hätte.

Jetzt ist Ruhe eingekehrt. Die Gemeinderäte der Mitgliedsgemeinden und der Kreisausschuss haben der Übertragung des Krankenhausbetriebs der Chirurgischen Klinik Seefeld auf die Klinik Seefeld GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der Starnberger Klinik Holding, bereits zugestimmt. Der Zweckverband aber besteht weiter, mindestens noch drei Jahre. Denn die beiden Personalwohnheime, sämtlicher Grundbesitz und die Immobilien bleiben in seinem Eigentum. Was bedeutet, dass der Landkreis - 45 Prozent - und die sieben Gemeinden wegen eines "mehrjährigen Investitions- und Instandhaltungsstaus", weiter zahlen müssen. Allein in diesem Jahr beläuft sich die Umlage auf fast fünf Millionen Euro. Davon müssen 1,2 Millionen in die Elektrotechnik investiert werden.

Seit Ende 2017 gibt es bereits eine kleine internistische Abteilung in Seefeld. 15 Betten sollen von Starnberg nach Seefeld verlegt werden. Für das Klinikum gibt es in der Kreisstadt keine Möglichkeit mehr zu erweitern. Insgesamt sollen in Seefeld laut Thomas Weiler "höchstens" 150 Betten entstehen. Noch heuer ist der Spatenstich für den Neubau von drei Operationssälen geplant. Auf die freut sich auch Chirurg Rudolf Frank. "Unsere OPs sind schon sehr beengt", sagt er. Ansonsten wünscht er sich einfach, dass alles so weiter läuft wie bisher: die gute Stimmung, die familiäre Atmosphäre, die überschaubaren Strukturen und das Wohlergehen der Patienten. "Ich bin sehr zufrieden hier", sagt Frank, der seit 1997 in Seefeld lebt, verheiratet ist und zwei erwachsene Kinder hat. Die Arbeit füllt ihn aus, für Hobbys bleibt keine Zeit. Außer fürs Motorradfahren. Ist ihm das nicht zu gefährlich? "Ich weiß ja, wo es die Ersatzteile gibt", meint er bloß und macht sich auf zum nächsten Patienten.

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