BSG zum Einsichtsrecht der Krankenkassen in Behandlungsunterlagen

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In Vergütungsstreitigkeiten zwischen gesetzlichen Krankenkassen und Krankenhäusern haben sich die Krankenkassen immer wieder beschwert, dass Ihnen mit Bklick auf den notwendigen Schutz der Sozialdaten ihrer Versicherten von den Sozialgerichten die Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen untersagt worden ist. In der Praxis haben die Gerichte das Problem des Einsichtsrechts meist so gelöst, dass die Behandlungsunterlagen den Krankenkassen nur in verschlossenen Umschlägen zur Weiterleitung an den medizinischen Dienst überlassen worden sind

Nach Ansicht des BSG steht den Krankenkassen aber ein eigenes Einsichtsrecht in die vom Gericht beigezogenen Behandlungsunterlagen zu (vgl. BSG, Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R –).

Die Verweigerung der Einsicht in die Behandlungsunterlagen verletze nach dem zitierten Urteil den Anspruch auf rechtliches Gehör der beklagten Krankenkasse sich zu wesentlichen Grundlagen der gerichtlichen Entscheidung zu äußern. Eine Wissenszurechnung durch den medizinischen Dienst erfolge nicht. Auch das Grundrecht Versicherter auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG stehe nach dem BSG dem Gebot nicht entgegen, im Abrechnungsstreit bei gerichtlicher Ermittlung des tatsächlichen Geschehens das rechtliche Gehör der Krankenkassen zu wahren. Das Gebot, die Krankenkassen zutreffend über das der Abrechnung zugrunde liegende Geschehen zu informieren und prozessual im Rahmen der gerichtlichen Amtsermittlung ihr rechtliches Gehör zu wahren, schränkt das Grundrecht Versicherter auf informationelle Selbstbestimmung nach Ansicht des BSG verfassungskonform ein. Die Regelungen des SGB V und des SGG tragen dem notwendigen Schutz der Sozialdaten gesetzlich, transparent und verhältnismäßig mit ihrem abgestuften Konzept Rechnung. Die rechtmäßige Vergütung der Krankenkassen für Leistungen der Krankenhäuser an ihre Versicherten setzt voraus, dass die vergütungsrelevanten Sozialdaten der Versicherten von den Krankenhäusern erhoben, den Krankenkassen übermittelt, von diesen gespeichert und für die Zwecke der Abrechnungsprüfung verwendet werden dürfen. Die gerichtliche Amtsermittlung dient nach dem BSG dem öffentlichen Interesse an zutreffender, die Beitragszahler nicht zu Unrecht belastender Abrechnung, letztlich damit der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung, einem überragend wichtigem Gemeinschaftsgut. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Versicherten findet nach Ansicht des Gerichts mit der Ausgestaltung der Einschränkungen des Akteneinsichtsrechts im SGG im Widerstreit mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör zur Ermöglichung effektiven Rechtsschutzes einen verhältnismäßigen Ausgleich. Danach kann der Vorsitzende nach den Vorstellungen des BSG aus besonderen Gründen die Einsicht in die Akten oder in Aktenteile sowie die Fertigung oder Erteilung von Auszügen und Abschriften versagen oder beschränken. Gegen die Versagung oder die Beschränkung der Akteneinsicht kann nach der Meinung des BSG dann das Gericht angerufen werden.

Das Urteil des BSG überrascht, insbesondere weil die Argumentation des BSG höchst fragwürdig ist. Dass aus der gesetzlichen Aufgabenzuweisung an die Krankenkassen die Abrechnung der Krankenhäuser zu prüfen, nicht einfach auf die Befugnis der Krankenkassen geschlossen werden kann, in die grundrechtlich geschützten Rechte der Versicherten einzugreifen, müsste auch dem BSG bekannt sein. Warum trotzdem allein aus dem Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenkassen auf ein umfassendes gerichtliches Einsichtsrecht der Krankenkassen geschlossen werden kann, ist umso unverständlicher, wenn die vom BSG selbst in Bezug genommenen gesetzlichen Regelungen zum  Informationsanspruch der Krankenkassen in der außergerichtlichen Abrechnungsprüfung berücksichtigt werden, die gerade kein umfassenses Informationsrecht der Krankenkassen über die Behandlung durch Einsicht in die Behandlungsunterlagen vorsehen. Warum die Krankenkasse im gerichtlichen Verfahren sich auf weitergehende Befugnisse berufen darf, als im außergerichtlichen Prüfungsverfahren, erschließt sich aus der Argumentation des BSG nicht. Dies gilt umso mehr, als – wie auch bei der außergerichtlichen Abrechnungsprüfung – die Prüfung der Behandlungsunterlagen durch den MDK zur Wahrung der gsetzlichen Aufgaben der Krankassen völlig ausreicht. Dass das Gericht dann im Einzelfall die Reichweite des Einsichtsrechts der Krankenkassen mit Blick auf berechtigte Interessen des Versicherten an der Geheimhaltung von Sozialdaten beschränken soll, erscheint wenig überzeugend und dürfte die Gerichte auch überfordern, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass der VErsicherte an den entsprechenden gerichtlichen Verfahren nicht beteiligt ist.

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