Esenshamm - Viel besser als von der Klinikleitung erwartet hat sich die am 13. Mai vergangenen Jahres in Betrieb genommene neue Helios-Klinik Wesermarsch in Esenshamm in ihrem ersten Betriebsjahr entwickelt. Trotz aller Anlaufschwierigkeiten in den ersten Monaten und trotz erheblicher personeller Engpässe während der Grippewelle im Frühjahr dieses Jahres 2018 war – wie die NWZ bereits berichtete – das 115-Betten-Haus fast immer voll belegt. Dieser große Zuspruch bei Patienten hat auch den Betriebsrat überrascht – und sehr erfreut.
kontraproduktiv
Dennoch bleibt die Arbeitnehmervertretung bei ihrer Einschätzung, die sie schon vor mehr als einem Jahr gegenüber der NWZ deutlich gemacht hatte: Auf Dauer können zwei kleine Kliniken im Landkreis Wesermarsch wirtschaftlich nicht überleben. Ein Verdrängungswettbewerb zwischen der neuen Nordenhamer Klinik im Stadtteil Esenshamm und dem St.-Bernhard-Hospital in Brake wäre kontraproduktiv. Patienten, Mitarbeiter und die Region würden leiden.
Der vor einigen Wochen neu gewählte Betriebsrat der Helios-Klinik mit dem wiedergewählten Vorsitzenden Ralf Feierabend hat daher am Dienstag im Gespräch mit der NWZ eine Zusammenarbeit beider Krankenhäuser gefordert.
benachteiligt
Der Betriebsrat führt diese Gründe an: Kleine Krankenhäuser seien auch deshalb benachteiligt, weil sie für vergleichsweise kleine Abteilungen wie Unfallchirurgie oder auch Geburtshilfe ebenso Bereitschaftsdienste haben müssen. Die Gesundheitspolitik sorge nicht für eine ausreichende Finanzierung kleiner Häuser. Zudem werde es schwieriger, ausreichend Fachkräfte für die Pflege und Fachärzte zu finden.
„Wir befürchten, dass am Ende eines erbitterten Verdrängungswettbewerbes keines der beiden Krankenhäuser im Landkreis überleben wird“, so Betriebsratsvorsitzender Ralf Feierabend.
Hinsichtlich des Erfolgskurses der neuen Helios-Klinik in Esenshamm hält der Betriebsrat einen sogenannten Springerpool (Personalreserve für Ausfallzeiten durch Krankheit oder bei zusätzlichem Bedarf) für nötig. Ähnliches gebe es bereits im Helios-Klinikum Gifhorn. „Personell segeln wir hart am Wind“, sagt Betriebsratsvorsitzender Ralf Feierabend.
Informationspolitik
Sehr positiv bewerten die Arbeitnehmer nicht nur die Anstrengungen von Helios für den Neubau in Esenshamm und das erweiterte medizinische Angebot in dieser modernen Klinik sowie die neuen Chefärzte. Gut und richtig finden sie auch die Informationspolitik. So bestätige Helios rote Zahlen hinsichtlich der noch nicht erreichten Wirtschaftlichkeit, während sich der Braker Klinikbetreiber völlig bedeckt halte.
Gescheitert waren intensive Verhandlungen über eine Fusion der Krankenhäuser in Brake und Nordenham im Sommer des Jahres 2014. Seither hat es keine Gespräche zwischen dem von einer katholischen gemeinnützigen GmbH betriebenen Braker Krankenhaus und der vom Helios-Konzern betriebenen Nordenhamer Klinik gegeben, die auf eine Fusion oder eine konkrete medizinische Zusammenarbeit hinauslaufen. Das haben Helios-Klinikgeschäftsführerin Birthe Kirberg und Ärztlicher Direktor Dr. Andreas Reents in einem Gespräch mit der NWZ bestätigt. Sie fügten hinzu: „Es gibt eine friedliche Koexistenz.“
Klinikgeschäftsführerin Birthe Kirberg sagt auch: „Wir konzentrieren uns auf uns.“ Dennoch kann sie sich vorstellen, mit Brake über eine bedarfsgerechte Versorgung in der Wesermarsch zu sprechen. „Es gibt keine Denkverbote“, betont Andreas Reents. Beide fügen hinzu: Helios sei ein modernes und flexibles Unternehmen und könne durchaus darüber sprechen, wie ein Mehrwert für die Wesermarsch erreicht werden kann.
Ebenso nehme Helios offen zu Problemen im Hause sowie Beschwerden von Patienten Stellung. Das schaffe Vertrauen in der Bevölkerung.
Was hält der Betriebsrat von dem seit 1. März laufenden Programm KLIPSO (Klinische Prozess- und Strukturoptimierung), bei dem sich jeder der 230 Mitarbeiter einbringen kann und bei dem jeder mitgenommen werden soll? „Wir begleiten das positiv, halten das für sehr sinnvoll und sehen ein erhebliches Verbesserungspotenzial“, sagt Betriebsratsvorsitzender Ralf Feierabend.
Kein HausTarif
Von den aktuellen Tarifverhandlungen des Helios-Konzerns ist das Nordenhamer Krankenhaus übrigens nicht betroffen. Denn hier gilt nach wie vor der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – und kein Haustarifvertrag und auch kein Helios-Konzerntarifvertrag.
Das hat der damalige Betriebsrat im Jahr 2009 beim Verkauf des alten Krankenhauses durch den Landkreis an die Klinikgruppe Rhön durchgesetzt. Rhön hat das Haus im Frühjahr 2014 an Helios übergeben.