Rems-Murr-Kreis

Das zweithöchste Defizit im Land

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Das Rems-Murr-Klinikum in Winnenden. © Alexander Roth

Winnenden/Schorndorf. Mit dem Kranksein lässt sich kaum Geld verdienen. Zumindest nicht in den meisten Krankenhäusern im Land. Sechs von zehn Klinikverbünden schrieben im Jahr 2016 rote Zahlen, weist eine Untersuchung der Unternehmensberatung Roland Berger aus, die die aktuelle Situation der Krankenhäuser im Land unter die Lupe genommen hat.

Die Rems-Murr-Kliniken sind spitze – was die negative Umsatzrendite betrifft. Darunter versteht der Ökonom das Verhältnis von Umsatz zu Verlust. Bei jeden eingenommenen Euro legten die Kliniken rund elf Cent drauf. Die Kliniken verbesserten sich 2016 zwar vom letzten auf den vorletzten Platz, zählen aber weiter zu den Schlusslichtern mit den höchsten Defiziten im Verhältnis zum Umsatz. Bei einem Umsatz von 214 Millionen Euro liefen 2016 in den Krankenhäusern Winnenden und Schorndorf rund 23 Millionen Euro Verlust auf.

Krankenhäuser sind eine Wachstumsbranche. In den vergangenen Jahren stiegen die Ausgaben für die stationäre Gesundheitsversorgung im Land (10,5 Milliarden Euro) und die Zahl der Patienten (2,17 Millionen), schreibt die Unternehmensberatung in einer Auswertung der Zahlen von 30 Klinikverbünden im Land. Auf der finanziellen Seite sieht es laut der Untersuchung jedoch düsterer denn je aus. 60 Prozent der Verbünde schrieben rote Zahlen. Noch mehr als 2015. Und die Schulden stiegen weiter (rund 3,5 Milliarden Euro).

Auf den Kliniken lasten 242 Millionen Euro Schulden

Auch auf den Rems-Murr-Kliniken lasten hohe Schulden aufgrund des Baus des 2014 in Betrieb genommenen Klinikums in Winnenden: Ende 2016 handelte es sich um 242 Millionen Euro. Der Träger der Kliniken, der Landkreis Rems-Murr, hat die Hoffnungen längst begraben, dass seine Krankenhäuser diese Schulden jemals aus eigener Kraft abzahlen könnten. Der Schuldendienst wird am Kreis hängenbleiben.

Die Krankenhäuser in Baden-Württemberg sind besonders teuer. Laut Roland Berger liegen die Ausgaben pro stationären Patienten 400 Euro über dem Bundesdurchschnitt. Seit Jahren wird versucht, vor allem kleine, unwirtschaftliche Krankenhäuser im Land zu schließen. In aller Regel gegen den Willen der betroffenen Bevölkerung, wie die Auseinandersetzungen um die Schließungen von Backnang und Waiblingen eindrucksvoll gezeigt haben.

Je schneller die Patienten wieder gehen, desto besser fürs Geschäft

Für Betriebswirte ist die Rechnung klar: Je mehr Patienten durchs Krankenhaus geschleust werden und je kürzer sie die Betten belegen, desto wirtschaftlicher ist das Geschäft. Denn bezahlt werden die Krankenhäuser nach Fallpauschalen. Eine Blinddarm-OP bringt so und so viel Euro, egal ob der Patient am nächsten Tag zu Hause ist oder eine Woche lang ein Bett belegt. Also sank die Verweildauer der Patienten von 7,9 Tagen im Jahr 2010 auf 7,3 im Jahr 2016; die Bettenauslastung stieg in diesem Zeitraum von 75,7 auf 77,3. Die Rems-Murr-Kliniken liegen bei der Verweildauer und Bettenauslastung über dem Durchschnitt,

Als ein weiteres probates Mittel gilt in den Krankenhäusern, möglichst lukrative Fälle zu behandeln und so die Einnahmen in die Höhe zu treiben. Kritiker der Fallpauschalen werfen insbesondere den privaten Klinikbetreibern vor, dass sie sich nicht scheuten, auch unnötige Operationen vorzunehmen – wenn es sich denn lohnt. Ein Indiz dafür könnte sein, dass die stationären Hauptdiagnosen sich von Landstrich zu Landstrich stark unterscheiden.

Die Rems-Murr-Kliniken machten aus wettbewerbstechnischen Gründen keine Angaben zu den stationären Patienten pro Bett, Operationen je stationären Fall und stationären Patienten je Vollkraft. Bei der Verweildauer und der Bettenauslastung sind die Rems-Murr-Kliniken über dem Durchschnitt im Land.



 

Fünf Herausforderungen für die Kliniken

Die Unternehmensberatung Roland Berger sieht fünf Herausforderungen, vor denen die Krankenhäuser stehen, zumal sich der Krankenhausmarkt zuspitzt. Während es mehreren Krankenhäusern besser ging, ist ein anderer Teil der Kliniken tiefer in die Krise gerutscht:

  1. Optimale Positionierung im sich beschleunigenden Strukturwandel bei einer weiter sinkenden Zahl von Krankenhäusern in Baden-Württemberg,
  2. Nachhaltige Bewältigung der wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen bei sich ständig ändernden Rahmenbedingungen.
  3. Anpassung des medizinischen Leistungsangebotes an die demografische Entwicklung der Bevölkerung und den medizinischen Fortschritt.
  4. Gewinnung, Bindung und Motivation von qualifiziertem Fachpersonal, insbesondere im medizinischen Bereich.
  5. Nutzung innovativer und digitaler Möglichkeiten zur Optimierung der Krankenhausorganisation.