S 17 KR 187/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 187/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 445/17 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 356,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 19.11.2016 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird auf 356,86 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung.

In der Zeit vom 07.06.2016 bis zum 07.07.2016 wurde der früher bei der Beklagten, einer gesetzlichen Krankenkasse, gesetzlich krankenversicherte H. H. (geboren am 03.06.1952, nachfolgend Versicherter) auf Verordnung des einweisenden Arztes vollstationär im Krankenhaus des klägerischen Krankenhausträgers behandelt. Die Behandlung wurde aufgrund des Todes des Versicherten am 07.07.2016 beendet.

Unter dem 13.07.2016 stellte die Klägerin die stationäre Behandlung des Versicherten vom 07.06.2016 bis 07.07.2016 bei der Beklagten in Höhe von 92.381,55 EUR in Rechnung. Die Rechnung wurde der Klägerin per DTA-Datenträgeraustausch zugestellt. Zur Abrechnung kam die Diagnosis Related Group (DRG) A09B (Beatmung über 499 Stunden oder über 249 Stunden mit intensiver Komplexbehandlung ) 2352 / 1932 / 2208 P., mit angeborener Fehlbildung oder Tumorerkrankung, Alter ( 3 J. oder mit hochkomplexen Eingriffen oder mit komplexen OR-Proz. oder int. Komplexbehandlung ) 1764 / 1932 / - P. und Alter ( 16 Jahre).

Die Klägerin zahlt den Rechnungsbetrag unter Vorbehalt in vollem Umfang und leitete mit Schreiben vom 27.07.2016 ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) Nordrhein ein. Die MDK-Prüfanzeige durch den MDK an die Klägerin erfolgte mit Schreiben vom 28.07.2016.

Der MDK-Beratungsarzt Dr. G. R. bestätigte im Wesentlichen in seiner DRG-Stellungnahme vom 11.10.2016 die abgerechneten Haupt- und Nebendiagnosen sowie Beatmungsstunden. Auch seien alle für die Abrechnung von Zusatzentgelten relevanten Prozeduren (OPS) belegt und korrekt kodiert bis auf die OPS 8-800.f0. Eine Indikation für Apherese-Thrombozytenkonzentrate (TKZ) habe nicht bestanden. Da die Transfusion tatsächlich erfolgt sei, sei das TKZ als "normal" einzustufen, weswegen sich die Gesamtzahl der transfundierten "normalen"TKZ von 5 auf 6 erhöhe. Der von der Klägerin kodierte OPS 8-800.g4 sei daher in 8-800.g5 geändert worden, weswegen das Zusatzentgelt (ZE) 146.04 in ZE 146.05 zu ändern sei.

Gestützt auf das Beratungsergebnis korrigierte die Klägerin ihre Rechnung und stellte nunmehr per DTA-Datenträger unter dem 19.10.2016 einen Betrag in Höhe von 92.738,41 EUR in Rechnung und setzte eine Zahlungsfrist auf den 18.11.2016.

Nachdem die Beklagte auf diese Zahlungsaufforderung nicht zahlte, erhob die Klägerin am 15.01.2017 Klage und wiederholte und vertiefte darin ihren außergerichtlichen Sachvortrag. Ergänzend trägt sie vor, dass die Nachberechnung sowohl nach dem Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) als auch nach der auf Grundlage des § 17c Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) vereinbarten Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) zulässig sei. Insbesondere lasse § 7 Abs. 5 PrüvV eine Rechnungskorrektur von Datensätzen innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens zu. Das Prüfverfahren beginne gemäß § 6 Abs. 2 PrüfvV mit der Beauftragung des MDK. Das Bundessozialgericht (BSG) habe zudem mehrfach entschieden, dass Rechnungskorrekturen und die darauf folgenden Nachforderungen innerhalb des auf die Rechnungsstellung folgenden Kalenderjahres geltend gemacht werden können.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 356,86 EUR nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.11.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte sie aus, dass eine Rechnungskorrektur nach der PrüfvV nur bis zum Abschluss des MDK-Prüfverfahrens zulässig sei. Die Entscheidung der Krankenkasse nach Ende eines MDK-Verfahrens sei gemäß § 8 Satz 1 PrüfvV "abschließend". Mit Vorlage des Gutachtens durch den MDK sei das Prüfverfahren beendet. Hierin liege auch keine Benachteiligung der Krankenhäuser, denn diese verfügten – anders als die Krankenkassen – über medizinischen Sachverstand.

Das erkennende Gericht hat die Beteiligten mit Richterbrief vom 31.03.2017 zu einer geplanten Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung angehört. Diese erhielten Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme bis zum 20.04.2017.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte den Rechtsstreit gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da der Sachverhalt geklärt war und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies. Die Beteiligten wurden hierzu angehört.

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klage ist zulässig. Die Klägerin macht den Anspruch auf weitere Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten gegen die Beklagte zu Recht mit der echten Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend. Die Klage eines Krankenhauses (wie der Klägerin) auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen ein Krankenkasse (wie die Beklagte) ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen ist und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 3/08 KR R; BSG, Urteil vom 28.09.2006 – B 3 KR 23/05).

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf weitere Zahlung der Teilvergütung in Höhe von 356,86 EUR nebst Zinsen. Denn nach Maßgabe der hier anzusetzenden unstreitigen Prozeduren, Zusatzentgelte etc. konnte die Klägerin insgesamt 92.738,41 EUR in Rechnung stellen, wovon die Beklagte lediglich 92.381,55 EUR erbracht hatte.

Das erkennende Gericht musste das zwischen den Beteiligten unstreitige Ergebnis der DRG-Kodierung, welche auch vom MDK Nordrhein bestätigt wurde, nicht hinterfragen. Es hat daher auch keine Veranlassung gesehen, die Verwaltungs- und/oder Behandlungsakten beizuziehen oder gar ein Sachverständigengutachten einzuholen. Im sozialgerichtlichen Verfahren muss das Gericht trotz grundsätzlicher Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) nicht immer alle von den Beteiligten übereinstimmend vorgetragenen Tatsachen anzweifeln und überprüfen. Das Beteiligtenvorbringen kann unter Umständen auch allein Entscheidungsgrundlage sein (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 103 Rn 7a m.w.N). Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – die Berechnungsgrundlagen unstreitig sind und bereits sachverständlich durch eine neutrale Institution, wie dem MDK (§ 275 Abs. 5 SGB V) geprüft wurden.

Der unstreitig berechtigte Nachkodierung stehen auch nicht die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entgegen (hierzu Ziffer 1). Auch war die Nachkodierung im Lichte der PrüfvV zulässig (hierzu nachfolgend unter 1).

1. Die Klägerin durfte unter dem 19.10.2016 eine Rechnungskorrektur durchführen, auch wenn sie unter dem 13.07.2016 bereits eine "Schlussrechnung" verfasst hatte. Das BSG hat derartige Rechnungsoptimierungen grundsätzlich auch bei bereits erteilten Schlussrechnungen zugelassen, wenn die Rechnungskorrektur noch innerhalb des nachfolgenden Krankenhausabrechnungsjahres erfolgte.

Wann im Hinblick auf eine Rechnungskorrektur nach der BSG-Rechtsprechung eine Verwirkung anzunehmen ist, hat das erkennende Gericht mit Urteil vom 20.06.2016 damals noch unter dem Vorsitz der 9. Kammer: S 9 KR 878/12) wie folgt herausgearbeitet:

"Die Klägerin war am 16.02.2011 nicht mehr zur Korrektur der Rechnung vom 17.08.2009 und Geltendmachung einer Nachforderung befugt.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten weiteren Vergütungsanspruch ist § 109 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie dem zwischen den Beteiligten geltenden Krankenhausbehandlungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Danach entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser im Sinne von § 109 Abs. 4 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/08 R, juris-Rn 18 m.w.N.).

Im Ergebnis konnte die erkennende Kammer offen lassen, ob – was zwischen den Beteiligten umstritten ist – die DRG-Fallpauschale F62 B abrechenbar ist. Hierauf kam es nach Ansicht der Kammer nicht mehr an, denn selbst wenn ein höherer Anspruch der Klägerin dem Grunde nach bestünde, so wäre dieser zumindest nicht durchsetzbar, da ein etwaiger Korrekturanspruch und damit der Anspruch auf einen Differenzbetrag gemäß § 242 BGB verwirkt wäre.

Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung des BSG an, wonach der restliche Vergütungsanspruch der Klägerin nicht (schon) durch die Zahlung des zuerst abgerechneten Betrags erloschen ist (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/08 R, juris-Rn 8; BSG, Urteil vom 08.09.2009 - B 1 KR 11/09 R, juris-Rn 16). Die Zulässigkeit von Nachforderungen richtet sich mangels ausdrücklicher Regelungen gemäß dem über § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V auf die Rechtsbeziehungen von Krankenhaus und Krankenkasse einwirkenden Rechtsgedanken des § 242 BGB nach Treu und Glauben (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/08 R, juris-Rn 10; BSG, Urteil vom 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R, juris-Rn 16). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiten. Von ihnen ist die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme zu erwarten (a.a.O.).

Der 1. Senat und der 3. Senat des BSG haben in den angesprochenen Urteilen Ausführungen dazu gemacht, wann eine Nachforderung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht mehr möglich ist.

Der Entscheidung des 1. Senats des BSG vom 08.09.2009 lag eine Endabrechnung aus Juni 2000 zugrunde, die das Krankenhaus im Juli 2002 korrigiert hatte (B 1 KR 11/09 R). Im Rahmen der stationären Behandlung war an einem Tag eine Koronar-Angiographie und am Folgetag eine Ballon-Dilatation durchgeführt worden. Das Krankenhaus hatte nur für den ersten Tag ein Sonderentgelt abgerechnet. Nachdem das BSG Ausführungen zur Anwendbarkeit der weiteren in Frage kommenden Sonderentgelte gemacht hatte (Urteil vom 21.02.2002, SozR 3-5565 § 15 Nr. 1), stellte das Krankenhaus eine neue Schlussrechnung, in der nunmehr zwei Sonderentgelte Berücksichtigung fanden. Die Klägerin machte die sich daraus ergebende Nachforderung gegenüber der Krankenkasse geltend. Der 1. Senat verneinte einen Zahlungsanspruch. Den Krankenhäusern sei bekannt, dass die Krankenkassen aufgrund des Ausgabevolumens die Höhe ihrer Beiträge - grundsätzlich bezogen auf das Kalenderjahr - kalkulieren müssen, auch wenn inzwischen seit 2009 aufgrund der Einführung des Gesundheitsfonds nur noch geringe Gestaltungsmöglichkeiten der Krankenkassen bestünden. Weil sie auf tragfähige Berechnungsgrundlagen angewiesen seien, müssten sie sich grundsätzlich auf die Schlussrechnungen eines Krankenhauses verlassen können. Das Krankenhaus verfüge für die Erteilung einer ordnungsgemäßen, verlässlichen Abrechnung - anders als die Krankenkassen - umfassend über alle Informationen, die die stationäre Behandlung der Versicherten betreffen. Es sei regelmäßig in der Lage, professionell korrekt abzurechnen und sich ggf. stellende Abrechnungsprobleme zu erkennen. Ihm sei es deshalb zumutbar, bei auslegungsbedingten Abrechnungsunsicherheiten in der Schlussrechnung explizit Vorbehalte zu erklären, die den Krankenkassen den eventuell erforderlichen Rückstellungsbedarf transparent machen. Die Krankenkassen dürften sich allerdings nicht ausnahmslos auf das Fehlen eines Vorbehaltes berufen. Je nach Art des Fehlers, etwa bei offensichtlichem, ins Auge springendem Korrekturbedarf zu Gunsten des Krankenhauses müsse die Krankenkasse bereit sein, den Fehler durch das Krankenhaus korrigieren zu lassen. Ein solcher offen zutage liegender Fehler lag in dem vom 1. Senat zu entscheidenden Sachverhalt nicht vor. Der Krankenkasse habe in keiner Weise aus der Abrechnung erschließen können, dass mit dem nur für einen Tag angesetzten Sonderentgelt tatsächlich an zwei Tagen erbrachte Leistungen abgerechnet werden sollten. Die korrigierende Nachforderung sei "auch nicht mehr zeitnah, insbesondere nicht innerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Beklagten" erfolgt, sondern mehr als zwei Jahre nach Abwicklung der ersten Rechnung. Eine Krankenkasse müsse es aber nicht hinnehmen, dass Krankenhäuser innerhalb der Verjährungsfristen durch Nachforderungen trotz erteilter Schlussrechnungen ihre Abrechnung nachträglich optimieren.

Kurze Zeit später entschied der 3. Senat des BSG am 17.12.2009 einen Nachforderungsfall aus dem Jahr 2006, also unter Geltung des DRG-Systems (B 3 KR 12/08 R). Es ging um eine drei Monate nach der (ersten) Schlussrechnung erfolgte Nachberechnung in Höhe von 58,06 EUR. Bei der Darstellung der Rechtsgedanken, die aus dem Grundsatz von Treu und Glauben für beide Seiten herzuleiten sind, bezog sich der Senat zunächst auf eine eigene Entscheidung, in der er einen Einwendungsausschluss auf Seiten der Krankenkassen gesehen hatte, wenn sie das zur Klärung erforderliche Verfahren nicht rechtzeitig eingeleitet haben (BSG, SozR 3-2500 § 112 Nr. 2). Umgekehrt habe - so führt der 3. Senat weiter aus - der 1. Senat entschieden, dass ein Krankenhaus nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an der Korrektur einer fehlerhaften Abrechnung gehindert sein könne, wenn sie mehr als zwei Jahre nach Rechnungsstellung und damit außerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Krankenkasse vorgenommen werde und dafür keine besondere Rechtfertigung bestehe. Zutreffend habe der 1. Senat darauf hingewiesen, dass die dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichten und diese Sonderbeziehung die Befugnis zur nachträglichen Rechnungskorrektur begrenze. Diesem Ansatz folge auch der 3. Senat. Desweiteren führt er aus, dass die Korrektur dann nicht mehr zulässig sei, wenn das Interesse des Krankenhauses am Ausgleich seines Rechnungsfehlbetrages weniger schutzwürdig sei als das Interesse der Krankenkasse an der Vermeidung eines Zusatzaufwandes für die erneute Rechnungsprüfung. Das betreffe regelmäßig jedenfalls solche Nachforderungen, durch deren Prüfung bei der Krankenkasse ein hoher Verwaltungsaufwand anfalle, der den mit der Korrektur begehrten Betrag übersteige, oder dessen Wert im Verhältnis zum ursprünglichen Rechnungsbetrag nur von untergeordneter Bedeutung sei. Hiervon gehe der Senat nach dem Prinzip der Waffengleichheit aus, wenn eine Frist von 6 Wochen verstrichen sei und die nachgeforderte Summe entweder den Betrag der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V oder 5 % des Ausgangsrechnungswertes nicht erreiche. Als tragende Erwägungen führte der 3. Senat an, dass eine Krankenkasse nach den Grundsätzen von Treu und Glauben darauf vertrauen könne, dass eine Schlussrechnung grundsätzlich auf den endgültigen Abschluss des jeweiligen Behandlungsfalls gerichtet sei. Das liege immanent den Vorschriften der beschleunigten Rechnungsabwicklung zu Grunde, mit dem in allen landesrechtlichen vertraglichen Abrechnungsbestimmungen das Primat der zeitnahen Zahlung der Krankenhausrechnung näher ausgestaltet sei. Pendant für diese wesentlich dem wirtschaftlichen Interesse des Krankenhauses dienende Verfahrensbeschleunigung sei auf Seiten der Krankenkasse die Erwartung, dass das Krankenhaus den Behandlungsfall mit der Schlussrechnung grundsätzlich abschließe.

Das Verhältnis der beiden Entscheidungen zueinander wird unterschiedlich verstanden. Die Klägerin beruft sich auf die Entscheidung des 3. Senats in der Weise, dass allein dessen Erwägungen maßgeblich seien. Der 3. Senat habe sich den Erwägungen des 1. Senats nur insoweit angeschlossen, als dass er auch die Krankenhäuser über den Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet sieht (vgl. auch Webel/Wallhäuser, Urteilsanmerkung, ZMGR 2010, 295 f.). Sobald indes eine der beiden rechnerischen Schwellen, die der 3. Senat festgelegt habe, überschritten sei, könne eine Nachforderung auch nach Ablauf von sechs Wochen noch erhoben werden. So verstanden würde die Entscheidung des 3. Senats zu einer Erweiterung der Nachforderungsmöglichkeiten führen (vgl. Leber, Urteilsanmerkung, Das Krankenhaus 2010, 664 ff.; so im Ergebnis auch: LSG Schleswig, Urteil vom 10.11.2011 – L 5 KR 89/10).

Die Kammer schließt sich diesen Erwägungen nicht an. Die Entscheidung des 3. Senats ergänzt vielmehr die vom 1. Senat aufgeführten Grundsätze zu einer Nachforderungsmöglichkeit (so im Ergebnis auch: van der Ploeg, MedR 2010, 805, 806; Freudenberg, jurisPR-SozR 1/2011 Anm. 5, C). Denn der 3. Senat hat sich ausdrücklich auf die Entscheidung des 1. Senats bezogen. Daher sieht die Kammer keinen Anhaltspunkt dafür, dass er sich von den Feststellungen des 1. Senats hinsichtlich der Frage, wie lange eine Nachforderung zulässig sein kann, abgrenzen wollte. Falls er davon ausgegangen wäre, dass die Erwägungen des 1. Senates im Rahmen der DRG-Abrechnung keine Geltung mehr beanspruchen können, so wäre - insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Ausführungen zu den weiteren Punkten sehr ausführlich und detailliert sind - zu erwarten gewesen, dass der 3. Senat hierzu seine Erwägungen genauer darlegt. Aus Sicht der Kammer ist die Sichtweise, dass eine Abgrenzung gewollt sein soll und darin zum Ausdruck kommen soll, dass der 3. Senat (nur) diesem Ansatz des 1. Senats im Sinne der Übertragung der Rücksichtnahmepflicht auch auf Krankenhäuser folge, zu eng. Insbesondere angesichts der besonderen Ausführlichkeit der weiteren Erwägungen kann die Begrenzung der Bezugnahme allein auf den vorherigen Satz (Rücksichtnahmepflicht des Krankenhauses), nicht aber auf den davor liegenden Satz (Nachforderung nach Ablauf des Abrechnungsjahres zu spät) nicht nachvollzogen werden. Andernfalls wäre der Grundsatz der Waffengleichheit verletzt. Wenn das Krankenhaus innerhalb der Verjährungsfrist jede Forderung, die die vom 3. Senat genannten Schwelle überschreitet, geltend machen könnte, die Krankenkasse aber ihre Nachprüfung binnen 6 Wochen durchführen müsste, käme es zu einer ungleichen Verteilung der Rechte und Pflichten. Insbesondere in einem Fall, in dem – wie vorliegend - für die Krankenkasse aus der Rechnung nicht ersichtlich ist, dass eine (andere) Leistung vom Krankenhaus erbracht, aber wegen eines internen Fehlers nicht zur Abrechnung gekommen ist, muss die Krankenkasse nach Abschluss des Abrechnungsjahres nicht mehr mit einer Nachforderung rechnen.

Soweit in der Literatur ausgeführt wird, dass die Entscheidung des 1. Senats deshalb keine Anwendung finde, weil sie nicht zum DRG-System ergangen sei, folgt die Kammer dieser Rechtsansicht nicht. Die Tatsache, dass ein neues Abrechnungssystem eingeführt worden ist, kann nur dann Auswirkungen haben, wenn bezogen auf die konkrete Frage Unterschiede von solcher Bedeutung vorliegen, dass eine Übertragung der zum vorherigen Abrechnungssystem ergangenen Rechtsprechung ausscheidet. Solche Umstände sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch der 3. Senat hat in seiner Entscheidung keine entsprechenden Ausführungen gemacht (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/08 R). Soweit geltend gemacht wird, das DRG-System sei als lernendes System konzipiert, ergibt sich hieraus keine für die Klägerin günstige Rechtsfolge. Weder der 1. Senat noch der 3. Senat haben diesem Aspekt im Rahmen der Fehlerkorrektur Bedeutung beigemessen. Das "Lernen" des Systems bezieht sich ohnehin (allein) auf die jährliche Weiterentwicklung. Es bedeutet, dass bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen sind, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 25.11.2010 – B 3 KR 4/10 R, juris-Rn 18). Die Kammer sieht daher keinen Ansatzpunkt, aus diesem Gedanken eine Abwehrmöglichkeit der Klägerin gegen das Berufen der Beklagten auf den Grundsatz von Treu und Glauben zu folgern. Dass es sich um ein neu eingeführtes System handelt, kann nicht dazu führen, dass Abrechnungsfehler der Krankenhäuser unbeachtlich wären. Andernfalls käme es wiederum zu einer Verschiebung des rechtlichen Kräfteverhältnisses von Krankenhäusern oder Krankenkassen.

Für den hier zu entscheidenden Fall ist nicht erheblich, dass das BSG in seinem Urteil vom 28.02.2007 festgestellt hatte, dass der Anspruch einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger auf Erstattung einer zu Unrecht gezahlten Vergütung auch nach dem 31.12.1999 einer vierjährigen Verjährung unterliegt (B 3 KR 12/06 R). Die Frage der Verjährung wird durch die Frage, ob eine Rechnungskorrektur nach erfolgter Abwicklung des Behandlungsfalles noch zulässig ist, nicht berührt. Unter ausdrücklicher Einbeziehung der Verjährungsfrist hat der 1. Senat ausgeführt, dass es Krankenkassen dennoch nicht hinnehmen müssen, dass Krankenhäuser innerhalb der Verjährungsfristen durch Nachforderungen trotz erteilter Schlussrechnung ihre Abrechnung nachträglich optimieren (BSG, Urteil vom 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R, juris-Rn 21).

Der 1. Senat des BSG hat in seiner Entscheidung auch dazu Stellung genommen, in welchem Verhältnis seine Entscheidung zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) steht und dabei insbesondere auch auf das Urteil vom 23.10.2008 (VII ZR 105/07 = NJW 2009, 435) Bezug genommen. In gleicher Weise gilt demnach, dass weder auf den Rechtsgedanken der §§ 315, 316 BGB noch auf denjenigen der Unabänderlichkeit konstitutiver Rechnungen abgestellt werden kann. Abweichend davon gibt es aber die vom 1. Senat festgestellten Besonderheiten für die Abrechnung zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen, die einerseits durch die Grundsituation dauerhafter vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern und andererseits die Besonderheiten der Anforderungen an Abrechnungen nach der HOAI, die etwa eine prüffähige, schwierig zu erstellende Honorarschlussrechnung verlangen, bedingt sind (BSG, Urteil vom 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R, juris-Rn 20). Für eine Anwendung der einschränkenden Rechtsprechung des BGH, dass (erst) eine für den Auftraggeber unzumutbare Nachforderung diesen dazu berechtigt, die Zahlung zu verweigern (BGH a.a.O.), ist daher kein Raum.

Nach alle dem war die Klage abzuweisen.

Dieser Rechtsprechung folgt die erkennende Kammer auch in Kenntnis der nachfolgenden BSG-Entscheidungen vom 13.11.2012 (B 1 KR 6/12 R) und 22.11.2012 (B 3 KR 1/12 R), sowie der weiter ergangenen Entscheidung des 1. Senats vom 01.07.2014 (B 1 KR 213 R) denn diese Senatsentscheidungen liegen in einer Linie mit der bisherigen BSG-Rechtsprechung, auf der die 7. Kammer des Sozialgerichts schon bisher – wie dargelegt – einen Verwirkungstatbestand gestützt hat.

Der 1. Senat hat in seiner Entscheidung vom 13.11.2012 (a.a.O.) sogar bestätigt, dass es regelmäßig gegen Treu und Glauben verstößt, wenn ein Krankenhauses nach Ablauf von mehr als einem vollen Geschäftsjahr wegen Unvollständigkeit seiner plausiblen Schlussrechnung von der Krankenkasse für die Behandlung eines Versicherten eine weitere Vergütung fordert. In dem zu behandelnden Fall kodierte das klagende Krankenhaus Ende 2009 einige Nebendiagnosen und Präparatgabe erlösrelevant ab, nachdem die beklagte Krankenkasse bereits im April 2005 die "Schlussrechnung" des Krankenhauses vom 15.03.2005 ausgeglichen hatte. Dies bewertete der 1. Senat des BSG auch in seiner Entscheidung vom 13.11.2012 als treuwidrig. Zwar seien Nachforderungen auf Schlussrechnungen nicht per se ausgeschlossen, jedoch seien die Vertragsparteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet Den Krankenhäusern sei bekannt, dass die Krankenkassen aufgrund des laufenden Ausgabenvolumens die Höhe ihrer Beiträge - grundsätzlich bezogen auf das Kalenderjahr - kalkulieren müssen, auch wenn inzwischen seit 2009 aufgrund der Einführung des Gesundheitsfonds nur noch geringere Gestaltungsmöglichkeiten der Krankenkassen bestünden. Weil die Krankenkassen auf tragfähige Berechnungsgrundlagen angewiesen seien, müssen sie sich nämlich grundsätzlich auf die "Schlussrechnung" eines Krankenhauses verlassen können. Das Krankenhaus verfüge für die Erteilung einer ordnungsgemäßen, verlässlichen Abrechnung - anders als die Krankenkasse - umfassend über alle Informationen, die die stationäre Behandlung der Versicherten betreffen. Die erforderlichen Informationen betreffen die rechtlichen Vorgaben für die Abrechnung und die tatsächlich erbrachten Leistungen, die abzurechnen sind. Lasse sich ein Krankenhaus länger als ein ganzes Rechnungsjahr Zeit, um eine ohne rechtsbedeutsamen Vorbehalt erteilte "Schlussrechnung" im Wege der Nachforderung mit Blick auf Grundlagen zu korrigieren, die dem eigenen Verantwortungsbereich entstammen, sei es in der Regel nach Treu und Glauben mit seiner Nachforderung ausgeschlossen.

Ausgehend hiervon ist im vorliegenden Fall eine Rechnungskorrektur im Februar 2010 nicht möglich, denn diese erfolgte mehr als ein Rechnungsjahr nach erfolgter Schlussrechnung am 19.12.2008. Dass die weitere Endrechnung vom 31.12.2009 datiert ist belanglos, denn sie ist der Beklagten erst am 01.02.2010 zugegangen, worauf es alleine ankommt. Andernfalls hätte es das klagende Krankenhaus in der Hand durch Vordatierung eine Rechnungskorrektur noch im nachfolgenden Krankenhausabrechnungsjahr zu generieren. Überdies ist bei dem Grundsatz von Treu und Glauben auch maßgeblich auf die Rechtssicherheit der beklagten Krankenkasse abzustellen, sodass entscheidend auf den Zugang bei der Beklagten abzustellen ist. Diese Rechnungskorrektur ist erst im zweiten Abrechnungsjahr nach der Endrechnung vom 19.12.2008 bei der Beklagten am 01.02.2008 zugegangen. Nach dem 1. Senat ist aber eine Nachkorrektur "jedenfalls nach einem vollständigen Geschäftsjahr" nicht mehr möglich.

Soweit der 1. Senat Ausnahmen zugelassen hat, wenn sich das Krankenhaus Nachbesserungen vorbehalten hat oder die fehlerhafte Abrechnung evident ist, greifen diese Ausnahmefälle nicht, da entsprechende (konkrete) Vorbehalte nicht geltend gemacht wurden. Pauschale Vorbehalte genügen nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) ohnehin nicht. Auch liegt kein "ins Auge springender Korrekturbedarf" vor, denn es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Schlussrechnung vom 19.12.2008 "nicht plausibel" oder unstimmig war. Dies macht auch die Klägerin nicht geltend. Auch die weitere Ausnahmekonstellationen - Rechnungskorrektur binnen sechs Wochen ab Schlussrechnung – die der 1. Senat dem 3. Senat nachfolgend den Krankenhäusern einräumt, ist vorliegend nicht einschlägig.

Auch unter Berücksichtigung der BSG-Rechtsprechung des 1. Senats vom 13.11.2012 (a.a.O.) ist folglich davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall eine Nachberechnung im Jahr 2010 nicht zulässig war.

Nichts anderes folgt aus der Entscheidung des 3. Senats vom 22.11.2012 (a.a.O.). Zwar hat der 3. Senat in dieser Entscheidung eine Nachberechnung am 20.02.2007 durch das Medizincontrolling des Krankenhauses trotz vorheriger (vorbehaltsloser) Schlussrechnung vom 31.07.2006 als zulässig erachtet, obwohl die sechswöchige Prüffrist und das Krankenhausjahr 2006 abgelaufen war. Der dort zu entscheidende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Fall aber nicht zu vergleichen. Denn die Rechnungskorrektur erfolgte dort noch innerhalb eines vollständigen Krankenhausabrechnungsjahres, sodass der Grundsatz von Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 1. Senats hier der Rechnungskorrektur nicht entgegenstand. Es ist demnach unerheblich, ob das laufende Krankenhausjahr abgelaufen ist. Maßgeblich ist, ob das Krankenhaus länger als ein Abrechnungsjahr für die Nachkorrektur benötigt hat. Überschreitet die Prüfdauer ein volles Krankenhausjahr, so ist die Nachberechnung – so übereinstimmend der 1. und 3. Senat – grundsätzlich wegen Treuwidrigkeit verwirkt. So liegt der vorliegende Fall. Ausdrücklich hat der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 23.11.2012 darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechnungslinien beider KR-Senate sich "ergänzen" und "auch hinsichtlich der zeitlichen Grenzen solcher Nachberechnungen nicht zueinander in Widerspruch" stünden (juris-Rn 13). Ausdrücklich heißt es in dieser Entscheidung (a.a.O., juris-Rn 17):

"c) Vom Grundsatz her stimmt der erkennende Senat aber mit dem 1. Senat des BSG überein, den zeitlichen Rahmen für zulässige Nachberechnungen bereits abgerechneter Behandlungsfälle nicht anhand des laufenden Haushaltsjahres zu bestimmen, sondern generell das Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden Kalenderjahres als äußersten Zeitpunkt für Korrekturmöglichkeiten festzulegen. Wird diese Frist nicht eingehalten, ist der Anspruch auf die noch offene restliche Vergütung in der Regel nach Treu und Glauben verwirkt. Den Krankenhäusern ist zuzumuten, die Kontrollen der abgerechneten Behandlungsfälle innerhalb dieser Frist durchzuführen, und die Krankenkassen müssen sich darauf verlassen können, dass alle abgerechneten Behandlungsfälle nach dem Ende des jeweiligen Folgejahres nicht wieder aufgerollt werden - soweit es nicht um offensichtliche Schreib- und Rechenfehler oder um Schlussrechnungen mit zulässigem Nachforderungsvorbehalt geht."

Damit ist mindestens insoweit ein Grundkonsens zwischen dem 1. und 3. Senat erzielt, dass eine Rechnungskorrektur spätestens nach 729 Tagen (bei einer am 01.01. eines Jahres geschriebenen Rechnung) erfolgen muss, damit sie nicht als treuwidrig eingestuft werden kann. Wurde die Endrechnung – wie vorliegend – an einem 19.12.2008 geschrieben, beträgt die Frist für eine Rechnungskorrektur lediglich 377 Tage (12 Tage in 2008 und 365 Tage in 2009). Im vorliegenden Fall erfolgte die Korrekturrechnung aber 408 Tage nach der vorbehaltslosen Schlussrechnung vom 19.12.2008, sodass eine wirksame Nachkodierung nach beiden KR-Senaten des BSG nicht mehr möglich ist. Dass bereits die Rechnung vom 19.12.2008 per DTA unter der Rechnungsnummer 0010310182 als Schlussrechnung zugeleitet wurde, ergibt sich aus dem in der Verwaltungsakte abgedruckten Bildschirmausdruck (Screenshot), welcher der Verwaltungsakte vorgeheftet ist. Die Klägerin hat dies mit Schriftsatz vom 02.04.2013 letztlich einräumen müssen. Damit ist davon auszugehen, dass der Beklagten Ende 2008 eine Schlussrechnung zugestellt wurde, die ihr gegenüber erst Anfang 2010 mit nochmaliger Endrechnung korrigiert wurde. Eine solche Rechnungskorrektur nach Ablauf des dem Abrechnungsjahr folgenden Krankenhausabrechnungsjahres verstößt nach der Rechtsprechung beider Senate des BSG, die für Krankenhausabrechnungsstreitigkeiten nach dem SGB V zuständig waren, gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Die übereinstimmende Rechtsprechung beider KR-Senate des BSG ist nachvollziehbar. Die erkennende Kammer folgt dieser Rechtsprechung und sieht auch angesichts der jüngsten Rechtsentwicklungen keinen Grund hiervon abzuweichen, zumal der 3. Senat des BSG nicht mehr für Krankenhausabrechnungsstreitigkeiten sachlich zuständig ist.

Auch aus der BSG-Entscheidung vom 01.07.2014 (B 1 KR 213 R) folgt nichts Gegenteiliges. Zwar hat der 1. Senat hier hervorgehoben, dass das Rechtsinstitut der Verwirkung nur in engen Ausnahmekonstellationen Anwendung findet. Die Entscheidung betraf aber einen umgekehrten Fall, in dem das beklagte Krankenhaus eine zu lange Überprüfung durch die klagende Krankenkasse monierte, in der mithin nicht eine Rechnungsoptimierung durch das Krankenhaus bei unveränderter medizinischer Ausgangslage vorlag, sondern vielmehr die klagende Krankenkasse über den MDK erst ermitteln musste, ob eine Erstattung zu Unrecht gezahlter Vergütung wegen eines Verlegungsabschlags gerechtfertigt war. Für den hier vorliegenden umgekehrten Fall, hat das BSG noch einmal klarstellend betont, dass ein Verwirkungstatbestand vorliegt, wenn "eine Nachforderung eines Krankenhauses nach vorbehaltlos erteilter Schlussrechnung außerhalb des laufenden Haushaltsjahres" der Krankenkasse erfolgt (BSG, a.a.O, juris-Rn 18; so auch noch einmal bestätigt durch BSG, Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 2114 R, juris-Rn 10). Diese Unterscheidung ist auch sachgerecht. Das Krankenhauspersonal kennt den Sachverhalt, hat die Behandlungsdokumentation verfasst und ist personell ohne Weiteres in der Lage den Behandlungsfall medizinisch zu bewerten. Auf die vorbehaltslose Schlussrechnung einer solchen Institution (Umstandsmoment) muss sich die Krankenkasse jedenfalls innerhalb eines Krankenhausabrechnungsjahres (Zeitmoment) verlassen können. Für den umgekehrten Fall gilt dies nicht. Die Krankenkassen, die nach landesrechtlichen Bestimmungen in der Regel verpflichtet sind den Rechnungsbetrag innerhalb von 15 Kalendertagen zu begleichen, verfügen regelmäßig nicht über medizinisch ausgebildetes Personal. Sie haben auch nicht die Patientendokumentation erstellt und sind daher gehalten, binnen sechs Wochen gemäß § 275 Abs. 1c SGB V ein MDK-Prüfverfahren einzuleiten.

Auch aus der jüngsten Entscheidung des BSG vom 19.04.2016 (B 1 KR 33/15 R, noch nicht veröffentlicht) zu diesem Themenkomplex folgt nichts Gegenteiliges. Das BSG hat darin in Abweichung zur Rechtsprechung des 3. Senats des BSG (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/08 R) lediglich postuliert, dass eine zulässige Nachforderung eines Krankenhauses nicht mehr als 5 vom Hundert der ursprünglichen Rechnungssumme betragen muss. Damit betrifft diese Entscheidung nur die Höhe der Nachforderung, nicht aber den Zugang der Rechnungsnachforderung. Denn in dieser Entscheidung ging es um eine Rechnungskorrektur am 29.12.2009 nach Rechnungsstellung am 26.10.2009 (vgl. das vorinstanzliche Urteil des LSG Hamburg vom 27.08.2015 – L 1 KR 182/13, juris-Rn 2), sodass die Rechnungsoptimierung noch innerhalb desselben Krankenhausabrechnungsjahres erfolgte."

Nach der Rechtsprechung des BSG war mithin vorliegend nicht von einer verwirkten Rechnungskorrektur nach § 242 BGB auszugehen. Diese Rechtsprechung basiert – wie dargelegt - auf den Gedanken der Waffengleichheit nach Maßgabe von § 242 BGB (vgl. zuletzt: BSG, Urteil vom 05.07.2016 – B 1 KR 40/15 R). Das BSG schützt hier das Vertrauen auf eine Schlussrechnung nach Ablauf eines Krankenhausjahres. Erforderlich für eine Verwirkung der Nachkodierung ist neben dem Zeitmoment (ein Krankenhausjahr nach der Schlussrechnung) ein Umstandsmoment (Erteilung einer vorbehaltslosen Schlussrechnung). Hier fehlt es unstreitig an diesem Zeitmoment. Aber nicht nur deswegen ist eine Rechnungskorrektur hier zulässig. Es geht vorliegend gerade um eine von Anfang an streitige Kodierung, deren Prüfverfahren bis Ende 2016 nicht abgeschlossen war. In einer solchen Konstellation ist eine Korrektur im unmittelbaren Anschluss an das Prüfverfahren für beide Seiten zulässig, weil weder Vertrauensgrundsätze noch das Prinzip der Waffengleichheit betroffen sein können. Das gegenteilige Verständnis der Klägerin stellt den Verwirkungstatbestand auf den Kopf. Es ist (umgekehrt) treuwidrig von der Klägerin ein Prüfverfahren einzuleiten und die hieraus gewonnen Ermittlungsergebnisse nur dann anzuerkennen, wenn sie ihr günstig und genehm sind. Weder das Prüfverfahren aufgrund einer Auffälligkeitsprüfung noch aufgrund einer sachlich-rechnerischen Prüfung kennen ein Verbot der reformatio in peius, denn es entspricht gerade dem Prinzip der Waffengleichheit, dass das damit verbundene Prüfverfahren ergebnisoffen ist. In diesem Sinne ist eine Nachkodierung in sachgerechter Auslegung der BSG-Rechtsprechung nur dann treuwidrig, wenn eine unbeanstandete Schlussrechnung nach mehr als einem Jahr anlasslos auf Initiative des Krankenhauses optimiert werden soll. Bestand aber von Anfang an über die Rechtmäßigkeit der Schlussrechnung Streit und wurde dieser Streit zudem von der Krankenkasse initiiert, bestand von Anfang an kein Umstandsmoment auf deren Grundlage die Krankenkasse einen Vertrauensschutz stützen konnte. Der Vorwurf der Treuwidrigkeit fällt mithin auf den Urheber dieses Vorwurfs, hier die Beklagte, zurück.

2. Soweit die Klägerin geltend macht, dass eine Rechnungskorrektur zugunsten der Kläger bereits nach § 17c Abs. 2 KHG in Verbindung mit der PrüfvV ausgeschlossen ist, nachdem der MDK am 11.10.2016 sein Gutachten vorgelegt hat, ist auch dies rechtsirrig. Dass dies bereits nach dem Wortlaut der PrüfvV nicht zutrifft, hat die Klägerin bereits richtig herausgearbeitet. Auf diese zutreffenden Ausführungen nimmt das erkennende Gericht nach eigener Prüfung analog § 136 Abs. 3 SGG Bezug. Ergänzend weist das erkennende Gericht darauf hin, dass § 7 Abs. 5 Satz 5 PrüfvV regelt, dass § 275 Absatz 1c Satz 3 SGB V auf Prüfungen, die aufgrund dieser Korrekturen nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führen, keine Anwendung findet. Hieraus lässt sich im Umkehrschluss nur folgern, dass Korrekturen des Abrechnungsbetrages, die zu einer Erhöhung führen auch nach Gutachtenerstellung zulässig und möglich sein müssen. Diese an Wortlaut und Systematik orientierte Auslegung steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck. Denn – wie bereits darlegt – das Prüfverfahren gibt kein einseitiges Prüfrecht, sondern ist Ausdruck der Waffengleichheit und Vertragsparität. Dies setzt denknotwendig voraus, dass Prüfungsergebnis für beide Seiten verwertbar ist.

Der Zinsanspruch ergibt sich ab dem 19.11.2016 dem Grunde nach aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, denn die Klägerin hat die Beklagte mit Rechnungsschreiben vom 19.10.2016 aufgefordert, einen weiteren Betrag in Höhe von 356,86 EUR bis zum 18.11.2016 zurückzuzahlen, § 69 Abs. 1 Satz 3 SGG in Verbindung mit §§ 286, 288 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Höhe des Zinsanspruchs folgt aus § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V in Verbindung mit § 15 Abs. 1 des Landesvertrages für das Land Nordrhein-Westfalen.

Der Klage war nach alledem stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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