Interview mit dem kaufmännischen Direktor Düsseldorfer Uniklinik bereitet sich auf lange Streiks vor

Düsseldorf · Der Streit zwischen Uniklinik (UKD) und Verdi über die Bedingungen in der Pflege nimmt kein Ende. Der kaufmännische Direktor Ekkehard Zimmer spricht im Interview über den Konflikt – und die Zukunft der Klinik.

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Interview Ekkehard Zimmer
Uniklinik
Bild: Andreas Bretz

220618 Interview Ekkehard Zimmer Uniklinik Bild: Andreas Bretz

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Bei der jüngsten Demo hielten Mitarbeiter Transparente mit der Aufschrift „Deine Mudda... ist unterversorgt“. Wenn ich nun einen nahen Angehörigen in die Uniklinik bringe: Muss ich mir Sorgen machen?

Ekkehard Zimmer Nein. Es ist zwar durchaus so, dass wir in einem herausfordernden Kontext arbeiten, im Hinblick auf Investitionen und Fachkräfte. Aber wir sind ein Krankenhaus der Maximalversorgung und kommen unserem Auftrag sehr gut nach. Es kann immer mal Engpässe geben, und in der aktuellen Situation werden solche Fälle leider in den Vordergrund gestellt. Also bringen Sie gerne Ihre Mutter und auch Ihre weiteren Angehörigen zu uns.

Sie haben letzte Woche wieder zwei Streiktage erlebt. Gibt es denn nun endlich eine Annäherung?

Zimmer Leider überhaupt nicht. Wir sind 2017 acht Tage im UKD und elf Tage in den Tochtergesellschaften bestreikt worden. Für diese Woche haben wir druckfrisch eine Streikandrohung für drei Tage bekommen — von Dienstag bis Donnerstag. Es gibt sogar das Gerücht, dass wir demnächst vier Wochen bestreikt werden sollen. Wir können nicht nachvollziehen, warum Verdi sich so auf Düsseldorf einschießt.

Wenn das Gerücht mit dem vierwöchigen Streik wahr wird: Was tun Sie dann?

Zimmer Wir bereiten uns derzeit intensiv auf ein solches Szenario vor. Dabei kann es in der Tat möglich sein, dass wir auch Patienten in andere Krankenhäuser verlegen müssen, wenn dort eine ausreichende Versorgung sichergestellt sein kann. Denn das ist das Wichtigste. Sehr bedauerlich wäre es aber, wenn wir langjährige und hilfsbedürftige Patienten des UKD an für Sie unbekannte Experten in benachbarte Universitätsklinika senden müssten.

Wo sehen Sie die Gründe dafür, dass Düsseldorf so im Fokus der Gewerkschaft ist?

Zimmer Das dürfte auch etwas mit unserem Personalrat zu tun haben, der sehr ideologisch vorzugehen scheint. Um die Themen geht es da gar nicht mehr, zumal wir ja Maßnahmen ergriffen haben. Dazu gehören die 80 neuen Pflegekräfte seit 2016 und das neue Dienstplanmodell, das zu mehr einsetzbaren Schichten führt.

Die Pfleger sagen aber, dass ihnen das neue Schichtmodell nicht so gut passt...

Zimmer Man muss wissen, dass der Personalrat uns bei der Bezirksregierung gemeldet hatte, weil es sehr viele Arbeitszeitverstöße gab. Beschäftige haben teilweise über zehn Stunden am Tag gearbeitet. Solche Fälle sind nun stark reduziert worden. Die Änderung im Schichtmodell kam auf Vorschlag der Bezirksregierung zustande – und wir bekommen inzwischen auch positive Rückmeldungen. Dazu kommt, dass wir zusätzlich 80 Kräfte eingestellt haben, die pflegefremde Tätigkeiten wie die Essensversorgung übernehmen.

Die, die protestieren, wirken unzufrieden, teils verzweifelt. Wie geht es denn den Pflegern wirklich?

Zimmer Wir sind im Wettbewerb um qualifiziertes Pflegepersonal. Allerdings gibt es normalerweise einen Qualifikationsmix, etwa ein 80:20-Verhältnis von examinierten Kräften zu Pflegehelfern, bei uns sind es 99 Prozent examinierte Kräfte. Wir würden ein anderes Verhältnis bevorzugen, also zusätzlich unterstützende Kräfte einstellen, um mehr Spielraum zu haben, aber der Personalrat ist extrem restriktiv. Wir haben auch eine Mitarbeiterbefragung zur Arbeitsbelastung gemacht, und das Ergebnis ist sehr ausgeglichen. Einige fühlen sich sehr belastet, genauso viele nicht, und viele sagen „teils/teils“. Das ist normal, wir sind in einem Krankenhaus.

Fehlt es denn an Personal?

Zimmer Wir können unsere aufgestellten Betten nie komplett belegen. Das hängt aber auch mit Faktoren wie unserer Bausubstanz zusammen. In teils über 100 Jahre alten Gebäuden Medizin des 21. Jahrhunderts zu machen, ist eine Herausforderung. Selbst neuere Gebäude wie die MNR-Kliniken sind im Grunde durch, wir haben dort ständig Rohrbrüche, der Sanierungsbedarf ist hoch. Eine Faustregel im Krankenhausbau heißt, nach 30 Jahren neu zu bauen. Da haben wir deutlich aufzuholen.

Wie kann man das angehen?

Zimmer Wir haben einen Masterplan Bau und wissen, wie wir alles gestalten wollen. Ein durch Ergänzungsbauten entstehendes Zentralklinikum, in dem man trockenen Fußes von einer Station zur anderen kommt. Es ist sinnvoll, um das neue ZOM II herum die Krankenhausversorgung anzusiedeln. Die Haut- und Augenklinik würden wir in ein neues Gebäude bringen und es mit einem großen Riegel mit dem ZOM II verbinden. Dann könnten wir große Teile aus dem MNR-Gebäude und dem ZOM I ausziehen lassen und im neuen Riegel medizinische Profilzentren schaffen. Da wären beispielsweise Kardiologie, Herzchirurgie und Gefäßchirurgie untergebracht. Wir würden Fachgebiete zusammenbringen, die zusammenarbeiten müssen, auch baulich miteinander verbinden. Das würde viele Patientenwege quer über das Gelände überflüssig machen.

Von welchen Investitionen und welchem Zeitraum reden wir?

Zimmer 20 Jahre und mehr wird es dauern, wirklich ein Zentralklinikum zu schaffen. Aber man muss irgendwann ja anfangen. In Summe liegen wir über einer Milliarde Euro. Eine sehr beeindruckende Zahl, ich weiß, aber der Umsatz des UKD liegt auch bei ca. 630 Millionen Euro. Der Standort hat auch ein gigantisches Potenzial. Wenn wir endlich alle Zwistigkeiten beilegen, dann können wir das freilegen.

Zu den Zwistigkeiten: Vor kurzem wurde ein Ausbruch multiresistenter Keime an der Uniklinik bekannt, der in einen möglichen Zusammenhang mit elf Todesfällen gebracht wird. Wie viel hat das mit fehlendem Personal und schlechten Hygieneverhältnissen zu tun?

Zimmer Es ist nicht nachvollziehbar, dass man sich nicht 30 Sekunden die Hände desinfizieren kann, während man zu einem neuen Patienten geht oder sich mit ihm unterhält. Die Spender hängen überall. Allgemein muss man sagen, dass die überbordende Verordnung von Antibiotika dazu führt, dass Keime resistent werden. Es ist aber auch ein gesellschaftliches Thema - es beginnt bei der Schweine- und Geflügelmast mit präventiver Antibiotikatherapie und hört im Krankenhaus auf. Im vergangenen Jahr haben wir insgesamt 60.000 Patienten auf solche Keime untersucht. Wir gehen damit auch weit über die Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes hinaus.

Wenn wir mal vom Thema Geld reden: Das Ziel einer schwarzen Null in der Bilanz scheint wieder weiter entfernt zu sein.

Zimmer Da haben Sie leider recht. Wir waren auf einem sehr guten Weg, der jetzt wieder länger wird. Es ist auch richtig ärgerlich, dass wir mit börsennotierten Unternehmen verglichen werden - also solchen, die auf Profit-Optimierung ausgerichtet sind, um Ihre Anteilseigner zu bedienen. Wir haben einen öffentlichen Auftrag und übernehmen eine große Verantwortung für unsere Patienten, und das machen wir mit bestem Gewissen.

Warum ist dieses wirtschaftliche Ziel weiter weggerückt?

Zimmer Wir haben das Defizit von über 16 Millionen Euro in 2015 in zwei Jahren auf 7,5 Millionen reduziert. Jetzt droht aber, dass es wieder stärker steigt. Wir haben, wie gesagt, in verschiedenen Bereichen ca. 200 zusätzliche Mitarbeiter aufgebaut. 2016 hatten wir eine rasante Leistungsentwicklung, aber 2017 sind nicht zuletzt durch die Streiks, bauliche Sanierungen, Wasserrohrbrüche, und die Fassadensanierung des Bettenhauses West Leistungen für mehrere Millionen Euro entfallen. Durch die Attacken von Verdi haben wir weiter eine sinkende Leistung. So entsteht das Dilemma, das zusätzlich eingestellte Personal schnell in ein äquivalentes Verhältnis zur Leistung zu bringen.

Eine durchwachsene Situation. Denken Sie manchmal ans Hinwerfen?

Zimmer Davon kann keine Rede sein. Das UKD hat Dekaden lang sehr viele Wechsel im Vorstand gehabt. Ich bin an den Standort Düsseldorf gekommen, weil ich ein großes Potential gesehen habe, und möchte dieses heben. Die Landesregierung hat mit dem Medizinischen Modernisierungsprogramm den richtigen Weg für die Finanzierung der Uniklinika in NRW und des UKD gefunden. Außerdem spürt der Vorstand, dass ihn der Aufsichtsrat stark unterstützt. Ich habe einige neue Führungskräfte eingestellt, die enorm engagiert sind und mit denen die Zusammenarbeit super läuft. Aber wenn Sie in einem Jahr 750 Erörterungsthemen mit dem Personalrat besprechen müssen, ist es ist verständlich, wenn der eine oder andere sagt, das mache ich nicht mit. Wir fühlen uns hier manchmal wie Gulliver in „Gullivers Reisen“, wo jedes einzelne Haar am Boden festgenagelt wird.

Wie kann es in dieser verfahrenen Lage aus Ihrer Sicht überhaupt weitergehen?

Zimmer Wir können nur hoffen, dass bald die Tarifgemeinschaft der Länder eingreift. Auf die hätte auch Herr Bsirske von Anfang an zugehen sollen, denn wir sind der falsche Ansprechpartner. Spätestens jetzt, wo auch die Uniklinika Essen und Saarland betroffen sind, können wir uns vielleicht mehr Gehör in dieser absurden Situation verschaffen. Wir sind das schwächste Glied in der Kette.

Sie haben seit sechs Monaten keinen Ärztlichen Direktor. Wann ist es soweit?

Zimmer Wie lange es dauert, kann ich nicht sagen, aber ein Zeitraum von einem Jahr ist bei solchen exponierten Positionen durchaus normal. Die Findungskommission ist aktiv und unser Aufsichtsratsvorsitzender hält mich sehr wertschätzend über den Fortgang informiert. Unser Vorstandsteam funktioniert perfekt, aber wir freuen uns sehr auf unseren neuen Kollegen.

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