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Entlassung um Mitternacht 90-Jähriger wird nachts aus Klinik entlassen

Ein 90-Jähriger ist zu später Stunde aus der Notaufnahme des St.-Joseph-Stifts nach Hause geschickt worden. Trotz Überweisung.
07.07.2018, 15:43 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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90-Jähriger wird nachts aus Klinik entlassen
Von Monika Felsing

Die Tasche fürs Krankenhaus hatte er dabei und den Überweisungsschein. Einer Nachbarin hatte er den Wohnungsschlüssel gegeben, damit sie die Blumen gießen konnte. Heinz Zallmann glaubte, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Mit einer Möglichkeit hatte der 90-Jährige nicht gerechnet: Dass man ihn nachts aus der Klinik nach Hause schicken würde.

Der Rentner kann sich nur unter Schmerzen fortbewegen. Sein Hausarzt hatte ihn ans St.-Joseph-Stift überwiesen. „Ich bin davon ausgegangen, dass ich ein, zwei Tage oder eine Woche bleibe.“ In der Notaufnahme habe ihm dann der Chirurg eröffnet, er rate von einer Operation ab, weil sie das Herz zu stark belasten könnte. Eine Schmerztherapie sei das Mittel der Wahl in seinem Alter. „So weit war das in Ordnung. Und gegen Mitternacht wurde mir eröffnet: Ich muss nach Hause.“

Kliniksprecherin bedauert den Vorfall

Aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht darf die Klinik keine Stellungnahme zu dem Fall abgeben. Kliniksprecherin Anja Maria Ladewig aber bedauert sehr, dass Heinz Zallmann „sich in unserem Haus nicht gut aufgehoben fühlte“, und lädt ihn zu einem persönlichen Gespräch mit dem Beschwerde- und Verbesserungsmanagement ein. Generell müssten Patienten, die mit einer Einweisung ins Krankenhaus kommen, „nicht zwingend auch stationär aufgenommen werden“.

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Der Einweisungsschein sei zwar der Schlüssel zum Krankenhaus, aber eben noch kein Bett, bestätigt Uwe Zimmer, der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft. „Bei gesetzlich Versicherten dient dieser Schein als Grundlage für die Kostenübernahme. Er sagt nur, dass der behandelnde Arzt die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung sieht. Aber es gibt kein Recht zur Aufnahme, es sei denn im Notfall.“

Der diensthabende Arzt in der Notaufnahme entscheide, ob eine stationäre Aufnahme begründet sei, betont Ulrich Lindner, der ärztliche Leiter der Zentralen Notaufnahme des Krankenhauses St. Joseph-Stift. „Liegt eine stationäre Behandlungsindikation vor, wird der Patient aufgenommen, und die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen. Besteht kein Grund, den Patienten aufzunehmen, darf er nach Hause gehen.“ Wenn er noch gehen kann. Heinz Zallmann sah sich nicht dazu in der Lage.

Entlassungen auch zu später Stunde

Ein Entlassmanagement gebe es nach der ambulanten Behandlung in Notaufnahmen nicht, erklärt Ulrich Lindner. „In der Notaufnahme kann es aus unterschiedlichen Gründen immer zu Wartezeiten kommen“, fügt der ärztliche Leiter hinzu. „Deshalb ist eine Entlassung aus dem Krankenhaus auch zu später Stunde nicht immer zu vermeiden“, und es werde geklärt, „ob das häusliche Umfeld des Patienten ermöglicht, dass er zurechtkommt“. Bei Bedarf werde ein Krankentransport bestellt, dessen Kosten die Krankenkasse nur für Menschen mit stark eingeschränkter Gehfähigkeit übernehme. „Um den Kostenaufwand für den Patienten zu minimieren, bestellen unsere Mitarbeiter gehfähigen Patienten in der Regel ein Taxi.“

Heinz Zallmann hat es anders in Erinnerung. Als er nachgefragt habe, ob er denn seine Nachbarin aus dem Bett klingeln und wie er nach Hause kommen solle, habe man ihm bedeutet, er möge sich ein Taxi bestellen. Der Taxifahrer habe ihn mit einem Rollstuhl zum Auto gebracht. „Der hat sich gewundert: Mensch, mitten in der Nacht aus dem Krankenhaus!“ Und daheim im Peterswerder habe die Nachbarin dann noch schnell einen Rollstuhl besorgt, weil er es sonst nicht in seine Wohnung geschafft hätte.

Ein Fall wie dieser ist Elsbeth Rütten noch nie zu Ohren gekommen, und sie hört als Vorsitzende des Vereins für Ambulante Versorgungsbrücken viele Patientengeschichten. „Das Krankenhaus kann immer sagen: Wir behalten jemanden da zur Beobachtung“, sagt sie. „Das kann jeder Arzt vertreten.“ Und damit Patientinnen und Patienten wissen, worauf sie sich einstellen sollten und was sie regeln können, hat ihr Verein den Leitfaden „Gut vorbereitet – schneller gesund!“ herausgegeben.

Hätte die Klinik eine Alternative gehabt, als klar war, dass der betagte, allein lebende Patient nicht stationär behandelt werden würde? Für Uwe Zimmer ist die Frage schwer zu beantworten, nicht nur, weil er zu dem Fall nichts sagen kann. So etwas wie ein „Beobachtungs-Pflegesatz“ existiere nicht, gibt er zu bedenken. „Entweder gibt es eine Behandlungsbedürftigkeit oder nicht.“ Vor der Einführung der Fallpauschalen vor zwei Jahrzehnten habe man Patienten noch „aus sozialen Gründen“ aufnehmen können. „Das ist gestrichen worden.“

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