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Behandlung in der Notaufnahme

KVN-Chef fordert 50 Euro Gebühr

KVN-Chef Mark Barjenbruch fordert eine Gebühr für den Besuch der Notaufnahme.

KVN-Chef Mark Barjenbruch fordert eine Gebühr für den Besuch der Notaufnahme.

Hannover. Mark Barjenbruch, der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung in Niedersachsen (KVN), spricht im Interview über die Nöte in Arztpraxen und Wartezeiten für Kranke.

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Die Bundesregierung will die Sprechzeiten für Kassenpatienten von bisher 20 auf 25 Stunde pro Woche ausweiten. Ist das die richtige Therapie, um die Wartezeiten zu verkürzen, Herr Barjenbruch?

Das ist eher politischer Populismus. Die Hauptursache langer Wartezeiten liegt in der Budgetierung der Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten. Jeder Praxis steht im Quartal nur die Therapie einer begrenzten Zahl von GKV-Patienten zu. Für zusätzliche Fälle gibt es kaum Honorar. Wer die Wartezeiten verkürzen will, muss die geforderte Mehrleistung auch bezahlen. Unsere Mitglieder arbeiten im Durchschnitt 51 Stunden in der Woche, 36 davon sind Sprechstunden. Die Ärzte kritisieren aktuell den fehlenden Respekt der Politik gegenüber der ärztlichen Arbeit und die zunehmenden Bestrebungen, unmittelbar in den Praxisalltag eingreifen zu wollen.

Kassenärzte erzielen im Schnitt einen Gewinn von 190 000 Euro vor Abzug für Kranken- und Altersvorsorge, für einen wachsenden Teil der Leistungen schrumpfen die Honorarbegrenzungen bereits – wie viel mehr Geld soll es denn noch sein?

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Es stellt sich nicht die Frage, ob oder inwieweit Ärzte ein auskömmliches Einkommen haben. Vielmehr fragen sich die Ärzte in Anbetracht von bis zu 30 Prozent unbezahlter ärztlicher Arbeit und historisch hohen Milliarden-Überschüssen bei den Krankenkassen, mit welchem Recht man nochmal 20 Prozent unbezahlte Mehrarbeit dazu fordern kann. Natürlich wünschen wir uns, dass eines Tages alle erbrachten Leistungen auch honoriert werden. Viel wäre aber schon erreicht, wenn die Grundleistungen einer Praxis komplett bezahlt würden.

Was soll das konkret heißen?

Die meisten Leistungen eines Hausarztes werden aktuell über Pauschalbeträge vergütet, die pro Patient nur einmal im Quartal abgerechnet werden können. Kommt ein Patient öfter, geht die Rechnung für die Praxis nicht auf. Um solche Grundleistungen geht es – zwischen den einzelnen Arztgruppen gibt es natürlich Unterschiede, die es zu berücksichtigen gilt.

Die Große Koalition möchte nicht nur die Zahl an Sprechstunden erhöhen, sondern auch eine bessere Erreichbarkeit der Mediziner vorschreiben. Der Weg zum Hausarzt soll maximal 15 Minuten dauern, der zum Facharzt 30 Minuten. Geht das in einem Flächenland wie Niedersachsen?

Noch gelingt das – wenn die Patienten ein Auto haben. Aber das Durchschnittsalter der niedergelassenen Ärzte liegt derzeit bei 54,1 Jahren, bis 2028 wird ein Drittel von ihnen in Rente gehen. Es zeichnet sich ab, dass wir nicht alle Kollegen ersetzen können.

Sie fördern Niederlassungen in ländlichen Regionen mit bis zu 75 000 Euro pro Praxis einschließlich einer Umsatzgarantie für die ersten beiden Jahre. Reicht das?

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Das ist ganz unterschiedlich. Jedes Jahr sind bis zu 30 Praxen in diesem Programm, in zwei von drei Fällen findet sich ein Nachfolger. Aber vielleicht müssen wir künftig auch nicht mehr jeden Arztsitz wiederbesetzen – der Trend geht bereits heute zu medizinischen Versorgungszentren. Möglicherweise sammeln schon in ein paar Jahren fahrerlose Busse Patienten ein und bringen sie in solche Zentren.

Weil immer mehr Patienten nicht wochenlang auf einen Termin beim niedergelassenen Facharzt warten wollen, gehen sie in die Notfall-Ambulanzen – sehr zum Ärger der Kollegen in den Kliniken ...

Ja, das ist im Augenblick die Achillesferse in der Versorgung: Wir müssen die Ströme der Patienten besser organisieren und leiten. Unser Anliegen ist es deshalb, die Nummer des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes – es ist die 116117 – stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung zu bringen. Ich zweifele jedoch daran, dass Aufklärung allein das Problem lösen kann – die Erwartungshaltungen der Patienten sind hoch – wenn nicht sogar überzogen.

Ihre Kollegen in Bremen haben unlängst eine Gebühr für den Besuch der Notaufnahme eines Krankenhauses ins Spiel gebracht ...

Wenn 90 Prozent der Patienten in der Notaufnahme keine Notfälle sind, muss das eine Option sein. Die Notfallambulanzen sind dazu da, schwer kranken Menschen zu helfen – deshalb ist eine Priorisierung unabdingbar.

Die alte Praxisgebühr von 10 Euro hatte keinen abschreckenden Effekt und wurde schließlich wieder abgeschafft. Was muss der Besuch der Notaufnahme kosten, um Wirkung zu erzielen?

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Unsere Vertreterversammlung forderte schon 2016 eine Kostenbeteiligung. Ich kann mir 50 Euro pro Patient vorstellen. Dieses Geld kann in einen Fonds fließen, um andere Projekte im Gesundheitswesen zu fördern.

Das ist happig – wie wollen sie verhindern, dass echte Notfälle aus Angst vor den Kosten der Klinik fernbleiben?

Natürlich muss man das abfedern: Wenn ein Arzt feststellt, dass es sich tatsächlich um einen Notfall handelt, dürfen keine Gebühren anfallen. In Norwegen funktioniert ein solches Modell bereits. Wir müssen insgesamt mit den begrenzten ärztlichen Kapazitäten behutsam umgehen. Dafür brauchen wir aber eine Steuerung.

Von Jens Heitmann

HAZ

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