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Brandenburg an der Havel

Tarifstreit im Klinikum eskaliert – Wolter sagt Treffen ab

Brandenburg/H. Nun ist das Fass übergelaufen für Gabriele Wolter. Die Geschäftsführerin des Städtischen Klinikums hat die für diesen Freitag geplanten Gespräche mit der Gewerkschaft Verdi zu einem Tarifvertrag über Besetzungsquoten offiziell abgesagt. Sie droht sogar damit, drei Stationen – das sind etwas mehr als 100 Betten – zu schließen, wenn Verdi und Betriebsrat darauf beharren, dass in Aussicht gestellte Entlastungsmaßnahmen sofort und nicht schrittweise eingeführt werden.

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Worum geht es in dem Streit, der Mitte Juni in einem Streik eskaliert ist? Verhandelt wird nicht über Löhne, sondern um eine Entlastung für das Pflegepersonal. Das bekommt man nur mit mehr Mitarbeitern hin, um Arbeit besser zu verteilen. Deshalb wird um so genannte Mindestbesetzungen auf den Stationen verhandelt.

Klinikumsleitung und Betriebsrat geben zwar gemeinsam vier Mitarbeiter pro Spätschicht und Station an. Der Betriebsrat beharrt aber darauf, dass alle vier examinierte Pflegekräfte sind. Die Hausleitung will aber auch ihre Servicepflegekräfte mitzählen, von denen es 23 gibt. „Bisher hat der Arbeitgeber alleine die Mindestbesetzung festgelegt.

In der Nachtschicht ist das eigentlich nur eine Pflegekraft pro Station, tatsächlich achten wir darauf, dass es immer zwei sind. Nun sperrt sich Verdi gegen eine Besetzung mit einer Fachkraft und einer Servicepflegekraft.“ Ebenso würden vier Pfleger auch am Wochenende verlangt, obwohl dann in der Regel 100 der 431 Betten (ohne Wach- und Intensivstation) nicht belegt sind und keine Untersuchungen und Operationen anstehen, zu denen Patienten transportiert werden müssen.

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Gabriele Wolter hat bereits fest zugesagt, die Zahl der Stellen in der Krankenpflege um 60 zu erhöhen – allein das verursacht Mehrkosten von 3,6 Millionen Euro. Derzeit sind 28 Stellen frei, von denen acht mit Leihkräften temporär besetzt sind. Sie könne nicht auf einen Schlag fast 90 Mitarbeiter finden.

Die 28 Fehlstellen will die Verwaltungschefin bis Oktober besetzt haben, dann kommen die fertig ausgebildeten Pfleger von der Medizinischen Schule, zudem sollen ausländische Fachkräfte helfen. „Wir haben angeboten, bis 2020 alle Stellen, einschließlich der neuen, besetzt zu haben“, sagt Wolter. Das sei schon ein ambitioniertes Ziel.

Für drei Monate waren gerade zehn Frauen aus Mazedonien am Klinikum. Sie alle haben einen Arbeitsvertrag als Pflegehelferinnen mitgenommen und kommen im Herbst wieder, müssen eine Deutschprüfung ablegen und einen Anpassungskurs absolvieren – in einem Jahr würde ihre Ausbildung als examinierte Pflegekraft anerkannt.

Über die Bundesagentur für Arbeit werden 20 philippinische Pflegekräfte mit Bachelor und Berufserfahrung vermittelt, sie würden als Pflegehelfer eingestellt, nachgeschult und müssten Deutsch lernen bis zur Anerkennung ihres Abschlusses. Alle diese Bemühungen um neue Arbeitskräfte würden vom Betriebsrat kaum anerkannt.

28 Vollzeitstellen derzeit nicht besetzt

Am Klinikum gibt es 431 Betten für Patienten. Im Juni lag der Auslastungsgrad zwischen 75 und 100 Prozent.

259 Planstellen für examinierte Pflegekräfte sind da, 239 sind besetzt, davon acht durch Leihkräfte. Es fehlen 28 Pflegekräfte. 60 weitere hat Wolter in Aussicht gestellt.

Auf die Hilfe des Kommunalen Arbeitgeberverbandes muss sie verzichten, weil sie nach dessen Meinung eine „Lawine lostritt“.

Der Betriebsrat verteilt Flugblätter, in denen von „gefährlicher Pflege“ und von „Missständen“ die Rede ist. DSeshalb hat die Klinikumschefin die Verhandlungen unterbrochen.

Es gehe um die Versorgungssicherheit für die Patienten. Wenn tatsächlich 100 Betten zeitweise stillgelegt werden, müssten die Menschen in Krankenhäuser nach Potsdam, Berlin, Neuruppin oder Magdeburg fahren.

Das wäre die Konsequenz, wenn es keinen Aufschub bei den Entlastungsmaßnahmen gebe.

Gabriele Wolter hat sich von ihren Chefärzten ermuntern lassen, mit ihren Erfahrungen am Streiktag an die Öffentlichkeit zu gehen. „Mitarbeiter wurden vom Betriebsrat bedrängt und bedroht, sie würden keine Lohnerhöhung bekommen, wenn sie nicht mitstreikten, haben mir etliche berichtet.“ Notdienstvereinbarungen seien nicht eingehalten worden.

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Die ITS war mit 18 Patienten voll, es sollten neun Pflegekräfte da sein, es kam aber lediglich die Stationsschwester. Erst nach langen Verhandlungen schickte die Streikleitung fünf Mitarbeiter, das waren zu wenige.

Im OP-Trakt sollten nur notwendige Operationen gemacht werden, der Betriebsrat behielt sich vor zu entscheiden, was wichtig ist. Unter anderem sollte es eine dringende OP eines Kopftumors bei einem Kind geben, zudem weitere Krebsoperationen. Die verweigerte der Betriebsrat laut Wolter zunächst allesamt, sie seien nicht wichtig. Erst Verdi-Gewerkschaftssekretärin Heike Spies ließ sich erweichen und schickte das Team in den OP.

Von André Wirsing

MAZ

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