L 1 KR 53/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 21 KR 1521/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 53/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 23. Februar 2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin für die Krankenhausbehandlung vom 30. Januar 2008 bis zum 3. März 2008 weitere 3.042,73 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % seit dem 13. Oktober 2010 sowie die Aufwandpauschale nach § 275 SGB V in Höhe von 100 Euro zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Vergütung einer Krankenhausbehandlung, wobei insbesondere die korrekte Kodierung einer Nebendiagnose streitig ist.

Der versicherte Säugling J. wurde aufgrund seiner Frühgeburt vom 30. Januar 2008 bis zum 3. März 2008 stationär bei dem klägerischen Krankenhaus behandelt. Die Mutter des Versicherten war mit einer Cervixinsuffizienz in der 31. Schwangerschaftswoche stationär aufgenommen worden. Da die Wehentätigkeit bei der Mutter nicht mehr zu durchbrechen war, wurde sie in der 32. Woche von dem Versicherten entbunden. Ein Cervixabstrich bei der Mutter ergab, dass bei ihr Staphylokokken und Ureaplasmen vorlagen.

Der Versicherte erhielt nach Aufnahme auf der Neugeborenenstation über fünf Tage eine Chemotherapie mit Antibiotika. Bei der Aufnahme des Kindes nach der Geburt auf der Neugeborenenstation wurden entsprechende Laborparameter bestimmt, die alle im Normbereich gewesen sind. Auch die Kontrolle im Verlauf ergab keine Übertragung der nachgewiesenen Keime auf das Kind. Im Entlassungsbericht vom 4. März 2008 heißt es diesbezüglich: "Bei klinischem Verdacht einer Infektion begannen wir eine Antibiotikatherapie, die sich laborchemisch jedoch nicht bestätigte, so dass wir die Therapie am 5. Februar 2008 bereits wieder beendeten."

Die Klägerin stellte der Beklagten am 17. März 2008 für den Krankenhausaufenthalt 13.879,95 Euro in Rechnung. Sie legte hierbei die DRG P65B (Neugeborenes, Aufnahmegewicht 1500 – 1999 g ohne signifikante OR-Prozedur, ohne Beatmung ) 95 Stunden, mit schwerem Problem) mit einem Kostengewicht von 4,448 zugrunde. Als Hauptdiagnose kodierte sie die P01.5 (Schädigung der Feten und Neugeborenen bei Mehrlingsschwangerschaft) und als Nebendiagnosen die P07.12 (Neugeborenes: Geburtsgewicht 1.500 bis unter 2.500 Gramm), Z38.3 (Zwilling, Geburt im Krankenhaus), P01.0 (Schädigung des Feten und Neugeborenen durch Zervixinsuffizienz), P92.8 (Sonstige Ernährungsprobleme beim Neugeborenen), Z29.2 (Sonstige prophylaktische Chemotherapie), P29.1 (Herzrhythmusstörung beim Neugeborenen), Z13.8 (Spezielle Verfahren zur Untersuchung auf sonstige näher bezeichnete Krankheiten oder Störungen) und die P07.3 (Sonstige vor dem Termin Geborene). Zudem kodierte sie die Prozeduren 9-262.1 (Postpartale Versorgung des Neugeborenen: Spezielle Versorgung (Risiko-Neugeborenes)) und die 8-010.3 (Applikation von Medikamenten und Elektrolytlösungen über das Gefäßsystem bei Neugeborenen: Intravenös, kontinuierlich).

Die Beklagte beglich die Rechnung am 4. April 2008 und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Prüfung des Behandlungsfalles. Dieser kam in seinem Gutachten vom 19. August 2008 zu dem Ergebnis, dass statt der Z29.2 die P39.8 (Sonstige näher bezeichnete Infektionen, die für die Perinatalperiode spezifisch sind) zu kodieren sei. Die Antibiotikagabe sei nicht prophylaktisch, sondern aufgrund einer Verdachtsdiagnose erfolgt. Es ergebe sich damit die DRG P65C (Neugeborenes, Aufnahmegewicht 1.500 – 1.999 Gramm ohne signifikante OR-Prozedur, ohne Beatmung ) 95 Stunden, mit anderem Problem) mit einem Kostengewicht von 3,457. In seinem Widerspruchsgutachten vom 22. März 2010 verwies der MDK ergänzend darauf, dass laut Entlassungsbrief bei dem Versicherten bei klinischem Verdacht auf eine Infektion eine Antibiose erfolgt sei. Im Krankenblatt sei unter Punkt 25. weitere Diagnosen ebenso die P39.8 Verdacht auf neonatale Infektion (nicht bestätigt) notiert.

Die Beklagte nahm am 24. November 2010 eine Verrechnung in Höhe von 3.042,73 Euro vor.

Im sich anschließenden Klagverfahren hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens des Internisten Dr. V ... Dieser ist zu dem Ergebnis gekommen, dass aus gutachterlicher Sicht der Klägerin zuzustimmen sei, wonach die Kodierung der Nebendiagnose Z29.2 im hier vorliegenden Fall zutreffend gewesen sei. Bei dem Kind hätten nach der Geburt bei stabilem Allgemeinzustand leichte thorakale Einziehungen bestanden. Aufgrund der Frühgeburtlichkeit, pulmonaler Adaptionsstörung und des hohen Risikos einer Übertragung der bei der Mutter nachgewiesenen Keime sei unmittelbar nach Aufnahme des Kindes am 30. Januar 2008 mit einer intravenösen antibiotischen Behandlung (Ampicillin und Trobramycin) begonnen worden, welche dann für die Dauer von insgesamt sieben Tagen fortgeführt worden sei. Während noch bis zum 4. Februar 2008 eine intermittierende Beschleunigung der Atmung dokumentiert sei, habe die bei Aufnahme auf der Neugeborenenstation im Verlauf durchgeführte Diagnostik keinerlei Hinweis für eine von der Mutter auf das Kind übertragene Infektion ergeben. Bei dem Neugeborenen habe bei Frühgeburtlichkeit und gleichzeitigem Nachweis von Staphylokokken und Ureaplasmen im Cervixabstrich der Mutter ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer so genannten Neugeborenensepsis bestanden. Angesichts des deutlich erhöhten Risikos für die Entwicklung einer Neugeborenensepsis hätten die Ärzte unmittelbar nach Aufnahme des Kindes mit einer kalkulierten Antibiotikatherapie begonnen. Bei dieser kalkulierten Antibiotikatherapie habe es sich aus medizinisch nachvollziehbarer Sicht der für das Neugeborenen verantwortlichen Ärzte um eine klassische prophylaktische Chemotherapie gehandelt, die überdies im Einklang mit gängigen Leitlinien, Richtlinien und Standards der einschlägigen Fachgesellschaften gestanden habe. Beispielhaft werde auf die Leitlinie "Bakterielle Infektionen bei Neugeborenen" der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin und die Leitlinie "Prophylaxe der Neugeborenensepsis – frühe Form – durch Streptokokken der Gruppe B" der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatri-sche Intensivmedizin verwiesen. Aufgrund der bereits bei Aufnahme des Neugeborenen so-wie sämtlicher im weiteren Verlauf gewonnenen laborchemischen Erkenntnisse hätten die Ärzte das Vorliegen einer Neugeboreneninfektion ausschließen können. Eine Atemstörung im Sinne einer Tachypnoe könne nicht nur Indiz einer vorliegenden pulmonalen Adaptationsstörung, sondern ggf. auch unspezifisches, wenn auch üblicherweise nicht alleiniges Symptom einer Neugeborenensepsis sein. Auch wenn laut Entlassungsbericht bei klinischem Verdacht auf eine Infektion mit einer Antibiotikatherapie begonnen worden sei, komme die Kodierung der Verdachtsdiagnose somit nicht in Betracht, da das Vorliegen einer für die Perinatalperiode spezifischen Infektion durch die Ärzte im hier vorliegenden Falle habe ausgeschlossen werden können. Es komme die Kodierung einer Verdachtsdiagnose nur dann in Betracht, wenn eine Behandlung eingeleitet worden sei und die Untersuchungsergebnisse nicht eindeutig gewesen seien. Im Übrigen sei nach gutachterlicher Einschätzung davon auszugehen, dass die Ärzte des Klägers auch ohne das Vorliegen einer pulmonalen Adaptationsstörung eine prophylaktische Antibiotikabehandlung durchgeführt hätten, zumal das Neugeborene bereits aufgrund seiner Frühgeburtlichkeit und des Keimnachweises bei der Mutter ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Neugeborenensepsis gehabt habe.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Februar 2016 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, von der Kodierung Z29.2 werde die sonstige prophylaktische Chemotherapie, und zwar u.a. auch eine prophylaktische Antibiotikaverabreichung erfasst. Die Antibiotikatherapie sei jedoch im vorliegenden Fall nicht allein prophylaktisch erfolgt. Im Entlassungsbericht sei ausgeführt, dass ein klinischer Verdacht auf eine Infektion bestanden habe und aus diesem Grund mit einer Antibiotikatherapie begonnen worden sei. Auch der medizinische Sachverständige Dr. V. habe bestätigt, dass eine Atemstörung im Sinne einer Tachypnoe nicht nur Indiz einer pulmonalen Adaptionsstörung, sondern auch unspezifisches Symptom einer Neugeborenensepsis sein könne und somit ein klinischer Verdacht bestanden habe. Dieses Symptom der Neugeborenensepsis sei jedoch bereits durch die Nebendiagnose P22.1 (Transitorische Tachypnoe beim Neugeborenen) erfasst gewesen, so dass daneben kein Raum für eine Z-Kodierung sei, die nur in Betracht komme, wenn der Sachverhalt nicht als Krankheit erfasst werden könne.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 15. Mai 2016 zugestellte Urteil am 27. Mai 2016 Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt, die vollstationäre Krankenhausaufnahme des Versicherten sei allein wegen einer frühgeburtlichen Adaptionsstörung erfolgt. Bei der Mutter sei in der 31. Schwangerschaftswoche ein Nachweis von Staphylokokken und Ureaplasmen erbracht worden, welcher eine Antibiotikabehandlung der Mutter notwendig gemacht habe, um einen Keimübertritt auf die ungeborenen Kinder zu verhindern. Eine Staphylokokkenbesiedelung der Mutter stelle ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Frühsepsis beim Neugeborenen dar, insbesondere bei Frühgeborenen, aufgrund ihrer Unreife. Bei dem Versicherten habe also aufgrund seiner besonderen Verletzlichkeit und Unreife das Risiko des Auftretens einer frühen Neugeborenensepsis bestanden. Als Verdachtsdiagnose habe diese Neugeborenensepsis bzw. eine Infektion nicht kodiert werden dürfen, weil sie nämlich am Ende des Aufenthalts durch Laborparameter habe ausgeschlossen werden können. Es sei eine Kodierung der prophylaktischen Chemotherapie als Nebendiagnose mit ICD Z29.2 erforderlich, weil sie eine spezifische Bedeutung (Ressourcenverbrauch) für die Krankenhausbehandlung gehabt habe und damit die Anforderung an das Vorliegen einer Nebendiagnose gemäß Kodierrichtlinien erfülle. Das Sozialgericht begebe sich in den Bereich der Spekulation und in Widerspruch zum medizinischen Sachverständigengutachten, wenn es allein auf der Grundlage des isoliert aufgetretenen Symptoms einer transitorischen Tachypnoe darauf schließe, dass ein Indiz für eine akute Infektion vorgelegen habe und die Klägerin diese behandelt und den Bereich der Prophylaxe verlassen habe. Der Sachverständige habe demgegenüber dargelegt, dass eine Atemstörung im Sinne einer Tachypnoe im Falle einer Neugeborenensepsis bzw. einer Infektion gerade nicht isoliert auftrete und dass bei einem neugeborenen Kind bei Frühgeburt und Keimnachweis der Mutter auch ohne Vorliegen einer pulmonalen Adaptionsstörung eine prophylaktische Antibiotikagabe erfolgt wäre. Nach Zusammenschau aller Befunde habe aber vorliegend eine Infektion ausgeschlossen werden können; daher habe auch kein Indiz für eine solche Infektion vorliegen können. Eine Tachypnoe sei ein unspezifisches Symptom, welches bei verschiedenen Erkrankungen auftreten könne. Da eine Sepsis nicht vorgelegen habe, sei die Annahme des Sozialgerichts falsch, die Neugeborenensepsis sei mit der Nebendiagnose P22.1 (Tachypnoe) erfasst. Ebenso falsch sei die Auffassung der Beklagten, es sei der Kode P39.8 (Sonstige näher bezeichnete Infektionen, die für die Perinatalperiode spezifisch sind) als Verdachtsdiagnose anstelle der prophylaktischen Antibiotika-Gabe zu kodieren. Die Kodierung einer Verdachtsdiagnose sei nur zulässig, wenn eine Behandlung des Verdachts erfolge UND es am Ende zu keinem eindeutigen Untersuchungsergebnis gekommen sei. Damit stehe allein der Kode Z29.2 zur Verfügung, mit welchem die Antibiotikaverabreichung abzurechnen sei, da ein Ressourcenverbrauch entstanden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 23. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die Vergütung für die Krankenhausbehandlung vom 30. Januar 2008 bis 3. März 2008 in Höhe von weiteren 3.042,73 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% seit dem 13. Oktober 2010 und die Aufwandspauschale nach § 275 SGB V in Höhe von 100 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und führt aus, dass nach der Leitlinie "Prophylaxe der Neugeborenensepsis" bei Kindern, die keinerlei Zeichen einer Infektion aufwiesen, lediglich eine engmaschige Überwachung über 48 Stunden zu erfolgen habe. Lediglich bei Kindern, die klinische Symptome einer Infektion zeigten, sei die Antibiotikagabe indiziert. Im vorliegenden Fall sei die Antibiotikagabe wegen des reduzierten Allgemeinzustandes und der beschleunigten Atmung des Säuglings indiziert gewesen. Damit sei die P39.8 als Verdachtsdiagnose zu kodieren gewesen.

Das Berufungsgericht hat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. V. eingeholt, welcher weiterhin der Klägerin zustimmt und ausführt, bei dem Neugeborenen habe aufgrund der bereits geschilderten Umstände ein erhöhtes Risiko für eine Neugeborenensepsis bestanden. Aufgrund dessen sei unmittelbar nach der Aufnahme mit einer Antibiotikatherapie begonnen worden. Dies stehe im Einklang mit "gängigen Leitlinien, Richtlinien und Standards". Am Ende des stationären Aufenthalts habe das Vorliegen einer Neugeboreneninfektion mithilfe der Laborparameter sowie weiterer klinischer Zeichen wie Temperatur und Herzfrequenz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können. Es habe sich damit, wie von der Klägerin vertreten, um eine prophylaktische Chemotherapie gehandelt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Kinderärztin Dr. W. vom MDK für die Beklagte ausgeführt, sie gehe davon aus, die transitorische Tachypnoe bei dem Versicherten sei ein erstes Symptom einer Neugeboreneninfektion gewesen. Dass sich auch in einem solchen Fall normale Laborfunde zeigten und die Infektion in diesem Sinne nicht bewiesen oder ausgeschlossen werden könne, sei durchaus keine Seltenheit. Allerdings sei es auch zutreffend, dass Frühgeborene aufgrund der Unreife der Lunge regelhaft Atemwegsprobleme im Sinne einer Tachypnoe hätten.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 3. Mai 2018 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige (§§ 143, 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die zutreffend als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) erhobene Klage ist begründet. Die Klägerin hat für die stationäre Behandlung des Versicherten J. in der Zeit vom 30. Januar 2008 bis 3. März 2008 einen weiteren Vergütungsanspruch in Höhe von 3.042,73 EUR, den die Beklagte zu Recht zunächst erfüllt hat, sowie auf die Zahlung der Aufwandspauschale in Höhe von 100 EUR. Die Beklagte war daher nicht berechtigt, einen Betrag in dieser Höhe gegen einen späteren unstreitigen Vergütungsanspruch aufzurechnen, denn ihr stand insoweit ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch nicht zu. Rechtsgrundlage des - dem Grunde nach unstreitigen - Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, § 17b Abs. 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und § 7 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit der hier maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2008 (Fallpauschalenvereinbarung 2008 - FPV 2008) sowie dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Vertrag Allgemeine Bedingungen Krankenhausbehandlung vom 19. Dezember 2002 zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft e.V. und u.a. der Beklagten (Vertrag nach § 112 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsteht die - dem Grunde nach hier auch nicht streitige - Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten (BSG, Urteil vom 18.09.2008 - B 3 KR 15/07 R - Juris). Nach § 7 S. 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nummern 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Vorliegend geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG), hier der FPV 2008. Der in Anlage 1 zur FPV 2008 enthaltene Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet. Maßgebliche Kriterien für die Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer DRG sind die Hauptdiagnose, die Nebendiagnosen, eventuelle den Behandlungsverlauf wesentlich beeinflussende Komplikationen, die im Krankenhaus durchgeführten Prozeduren sowie weitere Faktoren (Alter, Geschlecht etc.). Die Diagnosen werden mit einem Code gemäß der vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (hier: Version 2009 - ICD-10; § 301 Abs. 2 S. 1 SGB V) verschlüsselt. Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene die "Deutschen Kodierrichtlinien" (hier: Version 2008, DKR 2008) beschlossen. Aus diesen Codes wird sodann zusammen mit den weiteren für den Behandlungsfall maßgeblichen Faktoren unter Verwendung einer bestimmten vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zertifizierten Software ("Grouper") die entsprechende DRG ermittelt (sog. "Groupierung"), anhand derer die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird (hierzu ausführlich: BSG, Urteil vom 18.09.2008 a.a.O.). Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS erfolgt eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl allgemein bereits BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 3 RdNr 17; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 14; BSGE 116, 165 = SozR 4-2500 § 301 Nr 4, RdNr 12). Nur dann kann eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, ihren Zweck erfüllen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (zuletzt: BSG, Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 41/14 R – Juris). Eine systematische Interpretation der Vorschriften kann lediglich i.S. einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 – B 3 KR 25/12 R – Juris). Diese Maßstäbe zu Grunde gelegt, hat die Klägerin vorliegend zu Recht als Nebendiagnose die Z29.2 "Sonstige prophylaktische Chemotherapie, Chemoprophylaxe, Prophylaktische Antibiotikaverabreichung" kodiert. Dabei kann zunächst der medizinische Sachverhalt im Wesentlichen als geklärt und unstreitig angesehen werden: Der versicherte Säugling kam als zweiter Zwilling in der 32. Schwangerschaftswoche zur Welt und zeigte Adaptionsstörungen, so dass er mit der Hauptdiagnose P01.5 (Schädigung des Feten und Neugeborenen bei Mehrlingsschwangerschaft) in die Neonatologie übernommen wurde. Es zeigten sich rezidivierende behandlungsbedürftige Bradykardien. Aufgrund des Allgemeinzustandes, der Atembeschwerden, der vorherigen Infektion der Mutter und der frühzeitigen Entbindung bestand die akute Gefahr einer Infektion, weshalb über 5 Tage (nicht über 7, wie es im Sachverständigengutachten heißt) eine Antibiose durchgeführt wurde, die dann bei durchgehend labortechnisch unauffälligem Verlauf beendet wurde. Grundlage für die Kodierung der Z29.2 ist das Kapitel XXI des ICD-10-GM Version 2008, welches überschrieben ist mit "Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen". Die Voraussetzungen der Diagnose "Z29.2", aus der Vorbemerkung zum Kapitel XXI der ICD-10-Klassifikation, Version 2008, das die hier strittige Diagnose "Z29.2" enthält, sind erfüllt. Dort wird insbesondere ausgeführt: "Kapitel XXI Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen (Z00-Z99) Hinw.: Dieses Kapitel sollte nicht für internationale Vergleiche oder für die unikausale Mortalitätsverschlüsselung benutzt werden. Die Kategorien Z00-Z99 sind für Fälle vorgesehen, in denen Sachverhalte als "Diagnosen" oder "Probleme" angegeben sind, die nicht als Krankheit, Verletzung oder äußere Ursache unter den Kategorien A00-Y89 klassifizierbar sind. Dies kann hauptsächlich auf zweierlei Art vorkommen: a. Wenn eine Person, wegen einer Krankheit oder ohne krank zu sein, das Gesundheitswesen zu einem speziellen Zweck in Anspruch nimmt, z.B. um eine begrenzte Betreuung oder Grundleistung wegen eines bestehenden Zustandes zu erhalten, um ein Organ oder Gewebe zu spenden, sich prophylaktisch impfen zu lassen oder Rat zu einem Problem einzuholen, das an sich keine Krankheit oder Schädigung ist. b. Wenn irgendwelche Umstände oder Probleme vorliegen, die den Gesundheitszustand einer Person beeinflussen, an sich aber keine bestehende Krankheit oder Schädigung sind. Solche Faktoren können bei Reihenuntersuchungen der Bevölkerung festgestellt werden, wobei eine Person krank sein kann oder nicht, oder sie werden als ein Zusatzfaktor dokumentiert, der dann berücksichtigt werden muss, wenn die Person wegen irgendeiner Krankheit oder Schädigung behandelt wird." Der Sachverhalt, dass der versicherte Säugling wegen der Ungewissheit des Bestehens oder des Sich-Entwickelns einer Infektion mittels Antibiotika behandelt werden musste, ist nicht als Krankheit, Verletzung oder äußere Ursache unter den Kategorien A00-Y89 klassifizierbar. Insbesondere durfte der Sachverhalt nicht durch die Diagnose "Infektion, die für die Perinatalperiode spezifisch ist" (ICD-10, Version 2008: P39.8) abgebildet werden. Eine gesicherte Infektdiagnose durfte deshalb nicht kodiert werden, weil sich anhand der Infektparameter zum Ende der stationären Krankenhausbehandlung eine derartige Infektion nicht gezeigt hat und durch den ärztlichen Sachverständigen bestätigt wurde, dass eine Infektion auch in Anbetracht der übrigen klinischen Zeichen wie der Körpertemperatur und der eher zu langsamen Herzfrequenz tatsächlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht vorgelegen hat. Zwar hat Frau Dr. W. in der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2018 ausgeführt, sie gehe davon aus, dass die transitorische Tachypnoe bei dem Versicherten das Symptom einer beginnenden Infektion gewesen sei. Hiervon ist der Senat indes in Anbetracht des Umstandes, dass auch Frau Dr. W. einräumen musste, dass eine derartige Tachypnoe bei Frühgeborenen schon aufgrund der pulmonalen Adaptionsstörungen durchaus als typisch bezeichnet werden kann und nicht zwangsläufig als Indiz für eine Infektion zu werten ist, ohne das Vorliegen weiterer Indizien nicht überzeugt. Weitere Indizien fehlen aber nicht nur, Dr. V. hat vielmehr darüber hinaus ausgeführt, dass die weiteren klinischen Zeichen – Körpertemperatur und Herzschlag – eher gegen als für eine Infektion sprachen. Auch soweit überhaupt denkbar ist, es könne sich um eine sich anbahnende Infektion gehandelt haben, kommt eine Kodierung nach P39.8 nicht in Betracht. Frau Dr. W. hat für den Senat nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, so etwas wie eine sich anbahnende Infektion gebe es nicht, entweder seien die Erreger und damit auch die Infektion da oder eben nicht. Selbst wenn aber eine derartige Anbahnung oder Bedrohung durch die bei der Mutter des Versicherten vorgefundenen Keime medizinisch denkbar wäre, wäre die Diagnose P39.8 nicht zu kodieren. Dies folgt insoweit aus D001a DKR 2008. Dort heißt es: "Wenn eine drohende oder sich anbahnende Krankheit in der Krankenakte dokumentiert, aber während des Krankenhausaufenthalts nicht aufgetreten ist, muss in den ICD-10-Verzeichnissen festgestellt werden, ob die Krankheit dort als sich "anbahnend” oder "drohend” unter dem Hauptbegriff oder eingerückten Unterbegriff aufgeführt ist. Wenn in den ICD-10-Verzeichnissen solch ein Eintrag existiert, dann ist die dort angegebene Schlüsselnummer zuzuordnen. Wenn solch ein Eintrag nicht existiert, dann wird die Krankheit, die als sich "anbahnend" oder "drohend" beschrieben wurde, nicht kodiert." Sonstige Infektionen, die für die Perinatalperiode spezifisch sind, sind im ICD-10 nicht als anbahnend oder drohend aufgeführt und damit auch vorliegend nicht zu kodieren. Die Diagnose "P39.8" durfte entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht als Verdachtsdiagnose kodiert werden. Die Voraussetzungen nach den DKR 2008 lagen nicht vor. Im Kapitel D008b der DKR 2008 wird insoweit ausgeführt: "Verdachtsdiagnosen im Sinne dieser Kodierrichtlinie sind Diagnosen, die am Ende eines stationären Aufenthaltes weder sicher bestätigt noch sicher ausgeschlossen sind." Zwar erhielt der Versicherte tatsächlich wegen des Verdachts bzw. der Gefahr einer sich anbahnenden Neugeborenensepsis bzw. –infektion eine Antibiotikatherapie. Dies erfüllte aber nicht die Voraussetzungen einer Verdachtsdiagnose im Rechtssinne, denn der Verdacht einer solchen Erkrankung bestand beim Versicherten im Zeitpunkt der Entlassung gerade nicht mehr (vgl. nur BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 14/12 R -). Der Sachverhalt ist auch nicht bereits vollständig durch die Nebendiagnose P22.1 "Transitorische Tachypnoe beim Neugeborenen" abgebildet, denn die Antibiotikagabe fand nicht zur Behandlung der Tachypnoe statt, sondern vielmehr wegen der Gefahr einer bestehenden Infektion. Für eine solche Infektion hätte zwar die Tachypnoe ein Symptom sein können, sie allein hat allerdings den Ressourcenverbrauch nicht ausgelöst, mitbestimmende Faktoren waren hier das frühe Geburtsdatum des Versicherten und seine daraus folgende Infektanfälligkeit sowie die Staphylokokkeninfektion der Mutter. Die Antibiotikagabe wegen der drohenden Sepsis war aber abrechnungsrelevant. Voraussetzung für die Abrechnungsrelevanz einer Nebenerkrankung ist zunächst, dass sie nach den Kodierrichtlinien (zusätzlich) kodierfähig ist und deshalb in die DRG-Bestimmung dem Grunde nach (überhaupt) eingehen kann. Das ist nach den Kodierrichtlinien 2008 dann der Fall, wenn die fragliche Nebendiagnose für das Versorgungsgeschehen tatsächlich bedeutsam geworden ist. Insoweit definieren die Kodierrichtlinien 2008 (Abschnitt D003d) den Begriff Nebendiagnosen als "eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt." Weiter heißt es: "Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist: • therapeutische Maßnahmen • diagnostische Maßnahmen • erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand"

Zusätzlich zur Hauptdiagnose kodierfähig sind danach solche Nebendiagnosen, deren Versorgung weitere und in Bezug auf die Haupterkrankung nicht gebotene Leistungen des Krankenhauses ausgelöst haben. Hauptdiagnose in diesem Sinne ist nach den Kodierrichtlinien 2008 "die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist" (vgl. Abschnitt D002f). Sind gemessen an dem hieraus sich ergebenden Versorgungsbedarf wegen einer Nebenerkrankung zusätzliche Leistungen zu erbringen, so rechtfertigt dies die Kodierung der entsprechenden Nebendiagnose. (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 2010 – B 3 KR 4/10 R – Juris). Hauptdiagnose war vorliegend P01.5 "Schädigung des Feten und Neugeborenen bei Mehrlingsschwangerschaft", welche indes die Leistung der Antibiotikagabe, die wegen des Verdachts auf einen Infekt erfolgte, nicht auslöste. Auch wenn die DKR von "Krankheiten oder Beschwerden" als Nebendiagnose sprechen, wird aus dem Zusammenhang deutlich, dass auch Befunde und Therapien Nebendiagnosen in diesem Sinne darstellen können und damit kodierfähig sind. So heißt es nämlich beispielsweise weiter "Abnorme Labor-, Röntgen-, Pathologie- und andere diagnostische Befunde werden nicht kodiert, es sei denn, sie haben eine klinische Bedeutung im Sinne einer therapeutischen Konsequenz oder einer weiterführenden Diagnostik." Die Begriffe der "Krankheit" und "Beschwerde" im Sinne der DKR 2008 sind nicht im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs zu verstehen, sondern bezeichnen alle Gesundheitszustände, Maßnahmen, Diagnosen und Befunde des Krankenhausvergütungsabrechnungssystems, zu dem auch der ICD-10 gehört. "Krankheit" und "Beschwerde" im Sinne der DKR 2008 erfassen daher auch alle im ICD-10 enthaltenen Schlüsselnummern und sind nicht auf die dort aufgeführten Diagnosen und Beschwerden im engeren Sinne begrenzt. Auch die DKR 2008 selbst benennt Beispiele, in welchen keine Krankheiten und Beschwerden nach dem üblichen Sprachgebrauch umfasst sind, sondern andere Umstände, die im Sinne eines Ressourcenverbrauchs relevant werden können. So ist im Beispiel 2 auf Seite 17 für eine zu kodierende Nebendiagnose die Z53 des ICD-10 genannt. Die Z53 beschreibt aber gerade keine "Krankheit" oder "Beschwerde", sondern einen äußeren Umstand ("Personen, die Einrichtungen des Gesundheitswesens wegen spezifischer Maßnahmen aufgesucht haben, die aber nicht durchgeführt wurden") (ebenso: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2016 – L 4 KR 4876/15 –, Juris). Die Voraussetzungen der Z29.2 (sonstige prophylaktische Chemotherapie Inkl.: Chemoprophylaxe Prophylaktische Antibiotikaverabreichung) liegen vor. Es bestand bei dem Versicherten ein potentielles Gesundheitsrisiko hinsichtlich einer übertragbaren Krankheit (Sepsis, Infektion), dieser Sachverhalt ist nicht als Krankheit, Verletzung oder äußere Ursache unter den Kategorien A00-Y89 der ICD-10 klassifizierbar und die Nebendiagnose hat einen Ressourcenverbrauch ausgelöst. Der Senat hat dabei den Begriff der Prophylaxe weiter ausgelegt, als die Beklagte dies tut. Insbesondere dient eine Prophylaxe nach Auffassung des Senats nicht nur dazu, den Patienten von Ansteckungsrisiken zu schützen, bei denen nicht klar ist, ob er diesen überhaupt jemals ausgesetzt sein wird, wie dies etwa bei einer Impfung der Fall ist (vorbeugende Prophylaxe). Eine Prophylaxe kann vielmehr auch dazu dienen, Krankheiten, die konkret drohen oder bevorstehen, zu verhüten oder ihre Auswirkungen zu mindern, wie beispielsweise auch im Falle der medikamentösen Embolieprophylaxe (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Aufl. 2004, S. 1483). Von dieser weiter gefassten Begriffsauslegung gehen offensichtlich auch die Berufsverbände aus, denn die Leitlinie, auf welche die Beteiligten Bezug genommen haben heißt ebenfalls "Prophylaxe der Neugeborenensepsis – frühe Form – durch Streptokokken der Gruppe B". Hieraus wird deutlich, dass der Begriff der Prophylaxe grundsätzlich auch auf den vorliegenden Fall Anwendung finden kann, mag er auch explizit in der genannten Leitlinie so nicht erwähnt sein, da, wie die Beklagte zu recht vorträgt, nach der Leitlinie bei Kindern ohne klinische Anzeichen einer Infektion und bei bestehenden Risikofaktoren grundsätzlich allein eine engmaschige klinische Kontrolle für mindestens 48 Stunden sowie ggfs. Laboruntersuchungen empfohlen werden. Gleichzeitig waren sich alle Beteiligten sowohl in der mündlichen Verhandlung als auch nach der Aktenlage darüber einig, dass vorliegend die Antibiotikagabe bei Frühgeburtlichkeit, pulmonalen Adaptionsstörungen und dem Allgemeinzustand des Versicherten de lege artis erfolgt ist und ein Unterlassen als unverantwortlich hätte gewertet werden müssen. Legt man weiter zugrunde, was ebenfalls von allen beteiligten Ärzten bestätigt wurde, dass pulmonale Adaptionsstörungen beim Frühgeborenen wegen der Unreife der Lunge durchaus typisch sind, so ist der von Frau Dr. W. in der mündlichen Verhandlung geäußerte Rückschluss, weil eine Antibiotikagabe erfolgt sei, müssten Zeichen einer klinischen Infektion vorgelegen haben, nicht zulässig. Die Verpflichtung zur Zahlung der Aufwandspauschale folgt aus § 275 Abs. 1c SGB V in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung vom 26. März 2007. Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus den §§ 12 und 14 des zwischen den Beteiligten geltenden Vertrages nach § 112 SGB V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere hat die Auslegung von Kodierungsvorschriften keine grundsätzliche Bedeutung, da diese grundsätzlich eine kurze Geltungsdauer haben und der regelmäßigen Überprüfung und Anpassung unterliegen (BSG, Beschluss vom 19.07.2012 – B 1 KR 65/11 B – Juris).
Rechtskraft
Aus
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