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Josef-Hospital Delmenhorst Die Krankenakte JHD (II)

Der Aufsichtsrat des Krankenhauses in städtischer Trägerschaft ist noch nicht ausgewählt, da fürchten Ratsmitglieder schon Ungemach. Und auch das Thema Privatisierung ist weiterhin präsent.
24.07.2018, 10:09 Uhr
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Die Krankenakte JHD (II)
Von Andreas D. Becker

Diese Szene im nicht öffentlich tagenden Verwaltungsausschuss (VA) hat Eindruck hinterlassen. Wobei einige Teilnehmer der Sitzung sie eher mit Fassungslosigkeit erzählen, andere mit einem Grinsen, aber alle nur hinter vorgehaltener Hand, weil aus dem VA eigentlich kein Wort nach außen an die Öffentlichkeit dringen darf. Florian Friedel, Geschäftsführer des Josef-Hospitals Delmenhorst (JHD), soll im VA im April ziemlich deutlich gemacht haben, dass ihn die Politik nerve. Und er sich auf keinen Fall in seine Geschäftsführung reinreden lasse. Was einerseits politisch begrüßt wird, schließlich hatten die schlechten Zeiten des städtischen Klinikums auch etwas mit schlechten politischen Entscheidungen zu tun. Einerseits. Andererseits ist die Stadt nun Besitzerin des Krankenhauses und es geht um sehr viele Millionen Euro, um Steuergelder. Und da wird einigen bange, wenn sie komplett außen vor sein sollen, wenn es um die Frage geht, wie sich das Krankenhaus entwickelt.

Der Aufsichtsrat

Im Mai hat die Stadt das JHD übernommen. Formell juristisch. De facto zahlt die Stadt seit dem 1. März für alle Verluste des Hauses, für alles, was über die Behandlung von Kranken nicht selbst erwirtschaftet wird. Ob März oder Mai sei dahingestellt, aber einen Aufsichtsrat gibt es immer noch nicht. Fest steht, wer für die Stadt in dem Gremium sitzen wird: Oberbürgermeister Axel Jahnz, Bettina Oestermann für die SPD und Michael Adam für die CDU, der wie Jahnz auch schon Mitglied im alten JHD-Aufsichtsrat war, dem, der von der Insolvenz des Hauses so böse überrascht wurde.

Derzeit werden Gespräche mit potenziellen weiteren Mitgliedern geführt. Es sollen vier externe Fachleute sein, damit wirklich Kompetenz in dem Gremium sitzt. Doch einige Politiker sind irritiert. Denn die Gespräche führen Friedel und Jahnz, niemand anders ist involviert, die Ratsmitglieder nicht einmal informiert, mit wem geredet wird. Einige befürchten, dass Friedel sich einen Aufsichtsrat castet, der ihn komplett nach Gutdünken schalten und walten lässt. Dieses Auswahlverfahren ist rechtlich okay, es verstößt nicht gegen das GmbH-Gesetz. Aber, sagen die Mahner, die Stadt könnte dann nicht einmal etwas dagegen tun, wenn die Entwicklung nicht in ihrem Sinne verläuft, weil sie bei Abstimmungen nie die Mehrheit stellt. Der Rat müsste dann immer Anweisungen an die Gesellschafterversammlung geben, um missliebige Entwicklungen zu stoppen. Ein umständliches Verfahren. Die Fraktion SPD und Partner hat unter anderem wegen dieses Punktes einen Antrag zum Gesellschaftervertrag gestellt, den die Verwaltung bislang nicht zur politischen Beratung weitergereicht hat. Unter anderem wird in dem Antrag angeregt, den Aufsichtsrat anders zu besetzen, nämlich mit einem „stimmberechtigten Betriebsratsmitglied zusätzlich, dafür ein Experte weniger“. Dadurch, dass der Antrag bislang nicht behandelt wurde, wird befürchtet, dass Nägel mit Köpfen gemacht werden, bevor sich die Politik mit dem Thema befasst. Und ein bereits berufenes Aufsichtsratsmitglied dann wieder zugunsten einen Betriebsratsmitgliedes rauszukomplementieren, dürfte schwierig werden. Dass sich der Rat nicht schon längst mit dem Gesellschaftervertrag befasst hat, war den Umständen Ende Januar geschuldet. Am 26. Januar wurde der Nachtragshaushalt 2018 abgelehnt, damit war die geplante Rekommunalisierung des JHD gescheitert. Am 31. Januar revidierte der Rat in einer denkwürden Sitzung diese Entscheidung und beschloss zudem unter dem Tagesordnungspunkt „Gründung/Kauf einer neuen Krankenhausträgergesellschaft“ auch den „anliegenden Gesellschaftervertrag“.

Aufgrund der Dramatik der Situation im Januar, die wohl das Aus des Krankenhauses in seiner jetzigen Form bedeutet hätte, sprach keiner mehr über diesen Vertrag. Es ging schlicht und einfach darum, den Nachtragshaushalt zu retten. Der zeitliche Druck, der seitens der Insolvenzverwaltung im Januar aufgebaut wurde, war bei Weitem nicht so schlimm, wie der Politik suggeriert wurde. Demnach musste das JHD ja zum 1. März übernommen werden. Das klappte, wie erwähnt, aber sowieso erst zum 1. Mai – ohne Schaden. Und auch die Kommunalaufsicht brauchte den Ratsbeschluss ganz offensichtlich nicht bis zum 29. Januar. Die große Frage lautet, ob jetzt aber noch die Änderung des Gesellschaftervertrages eine politische Mehrheit finden könnte.

Die Privatisierung

„Dieser Gesellschaftervertrag ist bereits so geschrieben, dass er eine Privatisierung oder Teilprivatisierung des Hauses erleichtert. Für ein öffentlich-rechtliches Krankenhaus hätte der Vertrag anders gestaltet sein müssen“, sagen Politiker, die tiefer in die Paragrafen eingetaucht sind. Doch sowohl der Oberbürgermeister als auch der Geschäftsführer betonen gebetsmühlenartig, dass es keine Pläne gibt, einen privaten Investor mit ins Boot zu holen.

Kritische Stimmen im Hintergrund sehen das anders. Gerüchte, dass mit Friedel ein Türöffner für Private ins Boot geholt wurde, kursieren seit seinem Amtsantritt Ende vergangenen Jahres. Allerdings gibt es auch einige Politiker, die das Haus lieber in privater denn in städtischer Regie sähen. Einer von ihnen ist Axel Unger (Bürgerforum/Freie Wähler/Unger), der aufgrund der Erfahrung mit dem Klinikum Delmenhorst offen sagt, dass es die Stadt nicht könne und lieber ein privater Betreiber übernehmen sollte. Und mittlerweile gibt es auch Politiker, die im Gespräch Unter drei, also ohne zitiert werden zu wollen, sagen, dass sie den Eindruck haben, Jahnz und Friedel arbeiten auf die Privatisierung hin.

Es gibt übrigens zwei gängige Versionen zur Privatisierung. In der ersten taucht der Krankenhauskonzern Helios auf. Der Grund ist einfach: Friedel war bis Ende März 2015 Geschäftsführer des Helios-Klinikums in Schleswig. Doch die Version klingt nicht wirklich plausibel, Friedel verließ Helios freiwillig, weil es laut Medienberichten zu Unstimmigkeiten über die Personalpolitik gekommen war. In einer Mitarbeiterversammlung am 12. Juli hat Friedel dieses Thema selbst aufgegriffen. Er zeigte nach Informationen unserer Zeitung einen Bullen, der sich gerade erleichterte. Seine Aussage zur These „Verkauft Friedel an Helios?“: „Bullshit“. Man beachte aber: In der Präsentation ging es um Helios, nicht um andere.

Und da kommt Version zwei, die interessantere, ins Spiel. Darin taucht Reinhard Wichels auf, Geschäftsführer der Münchener Beratungsfirma WMC Healthcare, wahrscheinlich die renommierteste für Krankenhäuser in Deutschland. Unter anderem die Gesundheit Nord, also die Betreiberin der vier öffentlich-rechtlichen Häuser in Bremen, hat sich Wichels Know-how gerade eingekauft. Und auch im Beratungsprozess während der JHD-Insolvenz war WMC mit im Boot.

Der Name Wichels wird – so wie Helios – gehandelt, weil sich sein Weg mit dem Friedels schon gekreuzt hat. Nämlich bei Friedels letzter Station: Da war der JHD-Geschäftsführer nach der Insolvenz Geschäftsführer des Verbundes aus Nephrologischem Zentrum Niedersachsen in Hannoversch Münden sowie der Deister-Süntel-Klinik in Bad Münder. Am 1. Februar kaufte eine Investorengruppe um Wichels das Haus. Der Insolvenzverwalter dort war übrigens Rainer Eckert, der auch das Insolvenzverfahren in Delmenhorst begleitete. Und der auch das Insolvenzverfahren der Paracelsus-Kliniken in Osnabrück übernahm und Wichels als Sanierungsmanager berief. Wichels befindet sich zudem derzeit in Niedersachsen auf Einkaufstour, auch das Einbecker Bürgerspital wurde im Mai von Wichels und anderen Investoren übernommen. Das Einbecker Haus, aber das nur als Anekdote am Rande, wurde früher auch einmal von Sonja G. Drumm, der ehemaligen Sanierungsmanagerin des Klinikums Delmenhorst, geleitet.

Friedel sagt zu der Koinzidenz lediglich, dass Eckert nun einmal der renommierteste Insolvenzverwalter für Krankenhäuser und Wichels der renommierteste Berater für Krankenhäuser seien – in Gedanken lässt sich der Satz so komplettieren: Und er, Friedel, sei einer der renommiertesten Sanierungsmanager. Aber egal, wer als Privater mit ins Haus geholt werden sollte, das wahrscheinlichste Szenario sieht so aus: Der Neubau wird so teuer, dass sich die Stadt zusätzliches Geld nicht mehr über Banken besorgen kann und externe Hilfe benötigt.

In Teil III der „Krankenakte JHD“ am Mittwoch geht es unter anderem um den Krankenhausneubau.

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