"Eine herausfordernde Zeit"

Nach fünf Jahren als Geschäftsführer der Kliniken im Naturpark Altmühltal beendet Lorenz Meier heute seine Tätigkeit. Der 54-Jährige scheidet auf eigenen Wunsch aus. Im Gespräch mit unserer Zeitung schaut er noch einmal zurück auf die Entwicklung der Krankenhäuser in Eichstätt und Kösching und findet zugleich noch einmal deutliche Worte zur Krankenhauspolitik.

30.07.2018 | Stand 02.12.2020, 15:58 Uhr
"Ich habe sehr gerne hier gearbeitet": Lorenz Meier zieht zum Ende seiner Zeit als Klinik-Chef Bilanz. −Foto: Foto: Schneider

Nach fünf Jahren als Geschäftsführer der Kliniken im Naturpark Altmühltal beendet Lorenz Meier heute seine Tätigkeit. Der 54-Jährige scheidet auf eigenen Wunsch aus. Im Gespräch mit unserer Zeitung schaut er noch einmal zurück auf die Entwicklung der Krankenhäuser in Eichstätt und Kösching und findet zugleich noch einmal deutliche Worte zur Krankenhauspolitik.

Herr Meier, Sie waren jetzt fünf Jahre Alleingeschäftsführer der Kliniken im Naturpark Altmühltal, aber schon zuvor in verantwortlicher Position im Unternehmen. Umreißen Sie die zurückliegende Zeit kurz mit zwei Sätzen.

Lorenz Meier: Oh, das ist schwierig (überlegt). Es war eine sehr spannende Zeit, mit ständig neuen Herausforderungen. Aber mit einem sehr guten Team im Hintergrund war das auch entsprechend bewältigbar.

Ein Haus wie dieses zu führen ist jetzt - vor allem wegen nicht immer optimaler Rahmenbedingungen - vermutlich nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig. Bereuen Sie Ihre Zeit?

Meier: Nein, überhaupt nicht. Ich habe meine Tätigkeit immer sehr gerne gemacht. Viel Unterstützung von Politik, Landrat, Kreistag und Aufsichtsrat bekommen. Wir konnten alle Maßnahmen umsetzen. Das war ein sehr schönes Arbeiten. Auch unser Kernteam der Leitung und Verwaltung ist hervorragend. Da besteht viel Vertrauen und das hat das Arbeiten erleichtert, trotz der schwierigen Rahmenbedingungen.

Welchen Herausforderungen müssen sich gerade kleinere Krankenhäuser wie Eichstätt und Kösching heutzutage stellen?

Meier: Nehmen Sie das DRG-System (Abrechnungssystem für die Krankenhäuser, d. Red.). Das ist ein Wust an Bürokratie geworden; das wollte wahrscheinlich keiner. Aber es ist nicht mehr leicht zu stoppen. Vereinfacht gesagt: Ein Patient kommt ins Krankenhaus, der Arzt stellt eine Diagnose, und anhand dieser Klassifizierung bekommen wir eine Pauschale. Jedes Krankenhaus gleich, ob in München, Hamburg oder wir. Mit der muss man zurecht kommen. Das ist extrem schwierig. Das wäre wohl so ähnlich, als würde ich einer Autowerkstatt nur eine Pauschale zahlen und sagen: Du musst das Auto jetzt reparieren, egal wie viel Zeitaufwand nötig ist. Das ist kein adäquates System. Und selbst die Pauschale wird von den Krankenkassen über den Medizinischen Dienst wieder hinterfragt: Habt ihr jeden Tag eine Leistung dokumentiert? Wenn an einem Tag eine Eintragung fehlt, dann wird die Pauschale zusammengestrichen. Das ist unlogisch. Aber irgendwie muss man damit zurechtkommen. Letztlich wird das System derzeit als Mittel missbraucht, um Krankenhauspolitik zu betreiben.

Wie meinen Sie das?

Meier: Man will Krankenhausbetten abbauen beziehungsweise Krankenhäuser schließen. Also nutzt die Politik dieses System letztlich als ein Bereinigungsmittel. Krankenhauspolitische Entscheidungen zielen immer auf die Möglichkeiten großer Kliniken, kleinere Häuser fallen da ein Stück weit hinten runter, etwa wenn es um die Mindestmengen von Operationen in bestimmten Fachabteilungen geht. Letztlich ist vieles auch eine Geldfrage: Kann man sich zusätzlich Fachärzte, zum Beispiel Neurologen, leisten, und damit sogenannte Komplexpauschalen abrechnen oder nicht? Oft kriegt man das Personal gar nicht auf dem Markt, andererseits hat man auch nicht die Zahl der Fälle, die eine Anstellung rechtfertigen würde. Wir haben einen Auftrag sicherzustellen: eine gute stationäre Versorgung der Bevölkerung. Das tun wir mit den beiden Krankenhäusern. Das passt sehr gut, wir haben keine Überkapazitäten an Krankenhausbetten im Landkreis. Entscheidend ist, dass wir eine sehr gute Grund- und Regelversorgung anbieten. Wir müssen nicht jede Spezialisierung haben, dafür gibt es die großen Krankenhäuser, mit denen wir gerne und konstruktiv zusammenarbeiten. Wir sind aber neben den Hauptabteilungen in vielen Randbereichen gut aufgestellt, beispielsweise bei Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen oder Augenleiden durch unsere Belegabteilungen. Das ist nicht üblich bei Krankenhäusern unserer Größe. Aber das ist ein wichtiger Schnittpunkt zum ambulanten Bereich.

Nennen Sie doch einige Schwerpunkte, die Ihnen in der Vergangenheit am Standort Eichstätt wichtig waren.

Meier: Das war etwa die Einführung der Akutgeriatrie. Das ist ein Bereich, der sehr gut in die Klinik passt und der sich anerkannt entwickelt hat. Inzwischen können wir dort mehrere Geriater beschäftigen. Wichtig war mir auch die Einführung des palliativmedizinischen Dienstes, den wir etablieren konnten. Eine eigene Station bekommen wir nicht genehmigt, wir konnten aber ein Team zusammenstellen, das die schwerkranken Patienten in der ganzen Klinik betreut. Die Rückmeldungen sind sehr positiv. Wenn dort auch die Fallzahlen klein sind, sehe ich die Palliativmedizin als einen Kernbereich an, wo medizinisch-pflegerisch und menschlich sehr viel Gutes getan wird. Aber: Wir sind von der Geburt bis zum Tod für die Menschen da, beides sehr existenzielle Situationen. Da ist es sehr wichtig, dass man nicht viele Kilometer weit weg in einem Großkrankenhaus anonym betreut wird, sondern hier vor Ort.

Wie sieht es in Kösching aus?

Meier: In Kösching haben wir zuletzt die Geburtshilfe erneuert, die Intensivstation und auch die Operationssäle. Das geschah über viele Einzelmaßnahmen, während wir in Eichstätt die Generalsanierung vorbereitet haben. Zwei Kliniken vom gleichen Träger in die große Förderung zu bekommen, wäre schwierig. Deswegen haben wir in Eichstätt die "große Linie" verfolgt und in Kösching mit sogenannten Kontingentmaßnahmen gearbeitet, um diese Klinik Schritt für Schritt zu modernisieren. Ein Schwerpunkt in der ganzen Unternehmung war auch die Weiterentwicklung der elektronischen Patientenakte. Da sind wir sehr weit, haben als Referenzkrankenhäuser oft Besuch von anderen Kliniken. Wenn das Projekt umgesetzt ist, haben wir eine komplett digitalisierte Patientenakte und sind auf einem guten Weg ins papierlose Krankenhaus.

Verteilt auf zwei Standorte.

Meier: Die zwei Standorte sind eine Herausforderung. Wir würden uns beispielsweise finanziell viel leichter tun, wären die 330 Betten, die wir jetzt haben, an einem Standort vereint. Dann hätten wir manches an Kosten weniger, was wir doppelt vorhalten müssen: Seien es Gebäude oder Abteilungen wie Labore oder Röntgen. Aber das hat sich historisch so entwickelt. Und zwei Kliniken in einem Flächenlandkreis wie unserem machen durchaus Sinn.

Sie haben die Klinikallianz Mittelbayern - eine Holding zwischen Eichstätt, Kösching, Mainburg und Pfaffenhofen - maßgeblich mitgestaltet, nun wird sie in eine Arbeitsgemeinschaft überführt. Ist das die richtige Entscheidung, die Zusammenarbeit der Kliniken einerseits fortzuführen, andererseits sie etwas lockerer zu gestalten als in einer starren Form?
Meier: Absolut. Ich kann den gesamten Entstehungsprozess der Klinikallianz überblicken, da ich sie von Anfang an begleitet habe. Die Ziele der Zusammenarbeit waren einfach und klar. Durch die Schaffung einer Management-Holding wurden die rechtlichen, wirtschaftlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen immer komplexer, sodass ein doch sehr aufwendiges und bürokratisches Konstrukt daraus wurde. So habe ich mich auch sehr dafür eingesetzt, die Ziele unter weit weniger bürokratischen und rechtlichen Rahmenbedingungen weiterzuverfolgen. Und dies ist in der Zusammenarbeit der vier Krankenhäuser auf der Basis einer kommunalen Arbeitsgemeinschaft gut möglich.

Aber Sie haben auch klinikübergreifend gearbeitet, vor allem eben durch die Klinikallianz Mittelbayern. Welchen Nutzen sehen Sie darin?

Meier: Hier wäre zum Beispiel der Zentraleinkauf zu nennen, der für uns wichtig ist, um die Sachkosten zu senken. Wir denken da aber nicht von oben herab, sondern sind aktiv mit den Anwendern und Nutzern im Gespräch. Themen wurden immer auf der Ebene der vier Kliniken diskutiert, die Einkäufe entsprechend umgelenkt. Wir wollten Schwerpunkte setzen, um alle profitieren zu lassen. Über die Jahre hat sich das als positiv erwiesen: Wir hatten immer steigende Patientenzahlen, die Sachkosten waren rückläufig, das ist sehr positiv. Zudem haben wir die EDV für die vier Krankenhäuser in Eichstätt zentralisiert. So sind auch die weiteren Zentralbereiche entstanden, wie Innenrevision, Qualitätsmanagement, Medizincontrolling, aber auch gemeinsame Auditierungen und Zertifizierungen.

Die Kliniken sind in kommunaler Trägerschaft, der Landkreis hat sich immer wieder ausdrücklich dazu bekannt. Ist das gut oder schlecht, wenn kommunale Gremien die Hand darauf haben, was hier im Haus passiert?

Meier: Ich habe das als sehr positiv empfunden. Das liegt auch an der Kultur hier in unserem Landkreis: Die Politik mischt sich nicht ins Tagesgeschäft ein. In den Gremien ging es um das Fällen richtungsweisender Entscheidungen. Glücklicherweise wurden vom Aufsichtsrat auch negative Jahresergebnisse mitgetragen, die sich aufgrund der restriktiven Rahmenbedingungen ergeben haben. Die Investitionszuschüsse, die wir vom Landkreis als unseren Träger bekommen haben, sehe ich keinesfalls als selbstverständlich an. Wenn ich mich umschaue, ist das außergewöhnlich, dass ein Landkreis seine Kliniken so unterstützen kann und will. Ich habe immer den Eindruck gehabt, über Parteigrenzen hinweg: Die Kommunalpolitik steht hinter den Krankenhäusern und hat auch den Weitblick zu sagen, da investieren wir, um dauerhaft die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen zu können.

Vergangene Woche hat der Ministerrat entschieden, Spitzenmedizin im Freistaat zu fördern und auch zugleich ländliche Krankenhäuser zu unterstützen. Geht das denn so einfach zusammen?

Meier: Für mich geht das schon zusammen. Man muss ehrliche Krankenhausplanung machen. Das heißt auch: Die eine oder andere Abteilung wird sich mittelfristig nicht halten lassen beziehungsweise an wenigen oder einem Krankenhausstandort in der Region konzentrieren. Es wird Veränderungen geben müssen. Die Sektorengrenzen zwischen stationärem und ambulantem Bereich müssen aufweichen. Es kann nicht sein, dass wir zwei Facharztlinien nebeneinander laufen haben und beides sich nicht berühren darf. Das können wir uns nicht mehr leisten. Wir werden die Ärzte nicht mehr haben. Hier muss mehr Bewegung rein, aber da muss man bestimmte Schwerpunkte setzen und vielleicht auch einmal in Kauf nehmen - wie jetzt in Schrobenhausen -, dass die Geburtshilfe nicht mehr vor Ort sein kann. Solche Strukturfragen muss man ehrlich und auch perspektivisch miteinander besprechen.

Stichwort Pflege: Wie wirkt sich denn der teilweise doch eklatante Notstand in diesem Beruf auf ihre Häuser aus?

Meier: Wir suchen permanent gute Pflegekräfte, müssen uns teilweise auch mit Aushilfen verstärken und Hilfskräfte beschäftigen. Im Moment ist es Gott sei Dank noch nicht so weit, dass wir Stationen schließen müssen oder Bereiche begrenzen. Aber es ist sehr knapp.

Könnten solche Schließungen kommen?

Meier: Diese Gefahr sehe ich durchaus. Ich weiß es von anderen Kliniken, auch in der Region, dass bestimmte Bereiche nicht belegt werden können, weil das Personal nicht da ist. Ich hoffe sehr, dass die Bemühungen, die nun auch politisch gesteuert anlaufen, fruchten. Mit vielen erfahrenen und langjährigen Mitarbeitern haben wir - und das ist sozusagen die Kehrseite der Medaille - halt auch eine Altersstruktur in den Kliniken, die uns nicht gerade entspannt schlafen lässt, was das anbelangt. Es gibt enormen Bedarf in Zukunft, und der Arbeitsmarkt ist leer.

Dennoch: Mit welchen Gedanken scheiden Sie heute aus?

Meier: Persönlich mit einem guten Gefühl. Die Kliniken sind gut aufgestellt, und ich weiß sie weiterhin in guten Händen. Auf der anderen Seite ist es schwer, loszulassen. Ich wäre gerne in der Weitergestaltung mit dabei. Ich habe sehr gerne hier gearbeitet. Aber es geht nur entweder oder. Kürzertreten heißt halt, loslassen können, und dafür haben wir uns, meine Familie und ich, entschieden. Die Kliniken im Naturpark Altmühltal haben aktuell fast 1100 Angestellte und versorgen 44 000 Patienten im Jahr: Das ist ein Volumen, wo immer was los ist, und man muss sich ständig Gedanken um Organisation und Prozesse, aber auch um die Menschen machen. Manchmal auch nachts...

Wo sehen Sie die Kliniklandschaft im Landkreis in 20 Jahren?

Meier: Einen solchen Zeitraum kann ich nicht überblicken. 20 Jahre in solch einem Bereich vorauszusagen, ist schwierig. Es ist zu volatil. Es wird an beiden Standorten gut investiert, das heißt, ich sehe sie gesichert. Aber die Strukturen werden nicht so bleiben, wie sie sind, auch von den Abteilungen her. Da wird es Konzentrationen geben müssen. An den Schnittpunkten zum ambulanten Bereich werden Medizinische Versorgungszentren entstehen. Wir haben mit der Reorganisation schon angefangen, das wird weitergehen müssen.

Das Gespräch führte

Marco Schneider
.