Behördenfunk: Patientendaten von Rettungsdiensten ungeschützt im Internet

Ein Unbekannter stellte Funksprüche von Rettungsdiensten mit Namen und Adressen von Betroffenen aus dem Landkreis Recklinghausen ins Internet. Möglich ist das, weil die Daten über ein unverschlüsseltes Protokoll namens Pocsag verschickt werden.

Artikel veröffentlicht am , Hanno Böck
Wenn die Feuerwehr in Gladbeck zum Einsatz gerufen wird, geschieht das über ein unverschlüsseltes Funkprotokoll, das sich trivial abhören lässt.
Wenn die Feuerwehr in Gladbeck zum Einsatz gerufen wird, geschieht das über ein unverschlüsseltes Funkprotokoll, das sich trivial abhören lässt. (Bild: Frank Vincentz/Wikimedia Commons/CC-BY-SA 3.0)

"17:21 Herzinfarkt mit Sondersignal, Gladbeck, Blumenweg 17 bei Meyer" - solche und ähnliche Nachrichten konnte man lesen, wenn man sich mit einem offen im Internet erreichbaren Server bis vor einigen Tagen verbunden hat.

Die Daten sind verfälscht, einen Blumenweg gibt es in Gelsenkirchen nicht. Doch die Meldungen, die der Server in die Welt verschickte, waren echt und stammten von Feuerwehren und Rettungsdiensten aus dem Kreis Recklinghausen.

Durch Zufall gefunden

Gefunden hatte den Server der IT-Sicherheitsforscher Markus Vervier von der Firma X41 D-SEC. "Das System haben wir durch Zufall gefunden", sagte Vervier Golem.de. "Wir prüfen regelmäßig die Sicherheit der Systeme von Kunden und nutzen dazu auch öffentliche Daten und Quellen. Dabei sind wir auf die Einsatzdaten der Feuerwehr- und Rettungsdienste gestoßen."

Golem.de hatte den zuständigen Landkreis Recklinghausen sowie das Cert des BSI über den Vorfall informiert. Das Cert setzte sich mit dem Provider des Servers in Verbindung und wenige Stunden später war er nicht mehr erreichbar. Laut Aussage einer Sprecherin des Landkreises wurde inzwischen eine Strafanzeige gestellt.

Unverschlüsseltes Pager-Protokoll Pocsag

Doch wie gelangten die Daten auf den Server? Wie uns der Landkreis mitteilte, geht man dort davon aus, dass jemand die gefunkten Daten abgehört und ins Netz gestellt hat. Denn diese werden über ein Protokoll namens Pocsag verschickt, das keinen Schutz gegen unbefugtes Abhören bietet.

Viele Rettungsdienste nutzen zur Alarmierung ihrer Fahrzeuge das Pocsag-Protokoll. Es wurde früher von Pagern wie Skyper, Quix oder Scall genutzt, heute sind derartige Systeme im Privatbereich praktisch verschwunden. Doch im öffentlichen Bereich wird Pocsag nach wie vor eingesetzt - und das oft unverschlüsselt.

Entsprechende Nachrichten abzuhören, ist zwar illegal, schwierig ist es jedoch nicht. Passende Empfangsgeräte gibt es für deutlich unter 100 Euro und die notwendige Software ist frei verfügbar. Da das Abhören rein passiv erfolgt, ist es auch nicht feststellbar.

"Es ist erschreckend, wie sorglos mit sensiblen Daten umgegangen wird", sagte Markus Vervier, der den Server entdeckt hat. "Es wäre möglich, eine öffentliche Karte mit genauen Adressen von Menschen zu erstellen, die gerade verstorben sind. Alles in Liveansicht, inklusive Name, Straße und Hausnummer."

Ähnlicher Vorfall 2016 in Hamburg

Ein ganz ähnlicher Vorfall ereignete sich 2016 in Hamburg. Damals berichtete der NDR, dass eine Privatperson entsprechende Funksprüche der Hamburger Feuerwehr abgefangen und ins Netz gestellt hatte.

Im Landkreis Recklinghausen plant man mittelfristig eine Umstellung der Funksysteme auf solche, die eine Verschlüsselung nutzen. Einige Städte haben diese bereits und diese seien daher in den Daten auch nicht enthalten gewesen. Doch die Umstellung wird noch einige Zeit dauern.

Bitte aktivieren Sie Javascript.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
  • ohne Werbung
  • mit ausgeschaltetem Javascript
  • mit RSS-Volltext-Feed


Chrilue 25. Jul 2018

Ich war selbst viele Jahre beim Rettungsdienst. Damals haben einige Leute auf unserer...

MFGSparka 24. Jul 2018

Ich kann das leider bestätigen. Beste Aussagen zum Thema Versand von unverschlüsselten...

ibsi 24. Jul 2018

Wieso sollte keiner kommen? Die sind - laut Gesetz - dazu verpflichtet die Daten geheim...

ibsi 24. Jul 2018

Wenn Dir jemand ein Kinderpornografisches Video schickt, ist der Polizei auch erst einmal...



Aktuell auf der Startseite von Golem.de
Sport und Gesundheit
Massive Anwenderkritik am neuen Garmin Connect

Unübersichtlich, zu viele Klicks: Die neue Version von Garmin Connect kommt bei Nutzern auffällig schlecht an.

Sport und Gesundheit: Massive Anwenderkritik am neuen Garmin Connect
Artikel
  1. Opendesk vom Zendis ausprobiert: Ein Web-Desktop für die Verwaltung
    Opendesk vom Zendis ausprobiert
    Ein Web-Desktop für die Verwaltung

    Opendesk soll Open-Source-Software in die Behörden bringen, um sie unabhängiger von einzelnen Herstellern zu machen. Wie sieht diese digitale Souveränität aus?
    Von Markus Feilner

  2. Early Access: Erste Tests loben das Solo-Dev-Aufbauspiel Manor Lords
    Early Access
    Erste Tests loben das Solo-Dev-Aufbauspiel Manor Lords

    Meistgewünschtes Spiel auf Steam, programmiert von einem Entwickler: Das in Süddeutschland angesiedelte Manor Lords kommt in Tests gut an.

  3. iPhone: Kongo beschuldigt Apple der Nutzung von Konfliktmineralien
    iPhone
    Kongo beschuldigt Apple der Nutzung von Konfliktmineralien

    Der Kongo beschuldigt Apple, in seinen Produkten Mineralien zu verwenden, die in den vom Krieg gezeichneten östlichen Regionen des Landes illegal abgebaut werden.

Du willst dich mit Golem.de beruflich verändern oder weiterbilden?
Zum Stellenmarkt
Zur Akademie
Zum Coaching
  • Schnäppchen, Rabatte und Top-Angebote
    Die besten Deals des Tages
    Daily Deals • Gigabyte GeForce RTX 4070 Ti zum Tiefstpreis • MediaMarkt: Asus Gaming-Laptop 999€ statt 1.599€ • Anker USB-Ladegeräte -45% • OLED-TV von LG 54% günstiger • Gamesplanet Spring Sale [Werbung]
    •  /