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Paracelsus-Käufer Felix Happel "Personal abbauen ist nicht das Ziel"

Milliardärssohn Felix Happel hat den Bieterkampf um die insolvente Klinikkette Paracelsus gewonnen. Er will im kniffligen Gesundheitsmarkt erfolgreich sein. Aber wie - und was haben die Patienten davon?
Felix Happel

Felix Happel

Foto: Paracelsus-Kliniken

Felix Happel hat den Anzug abgelegt - und gegen einen Kittel getauscht. Tagelang begleitete der 36-jährige Unternehmer Ärzte bei Operationen, half Pflegern an Krankenbetten. Im April hatte er das Ringen um die insolvente Krankenhauskette Paracelsus gegen Milliardär Bernard große Broermann gewonnen, Besitzer des Asklepios-Konzerns. Nun muss der Sohn des deutschen Industrieunternehmers und Multimilliardärs Otto Happel ein Rezept finden, um im tückischen Gesundheitsmarkt zu bestehen.

Diese Woche hat Happel Paracelsus formell übernommen, einen der größten deutschen Krankenhauskonzerne mit 40 Kliniken und 5200 Beschäftigten. Kurz vor Weihnachten 2017 war die Firma in die Insolvenz gerutscht. Paracelsus verkraftete die gravierenden Managementfehler nicht, hatte zu viele Abteilungen und zu geringe Investitionen.

Nach dem Verhandlungspoker versprechen sich die Mitarbeiter des Konzerns aus Osnabrück viel von Happel, dessen Familie in der Schweiz lebt. Sie hatten Angst, Asklepios könnte Paracelsus zerschlagen. Happel will die Firma als Einstieg ins große Klinikgeschäft nutzen. Viel hat der neue Eigentümer bereits entdeckt, womit sich Paracelsus gegen Konzerne wie Helios und Asklepios positionieren könnte. Diese Innovationen aber müssen ihm erst einmal gelingen.

Akutkrankenhaus Hemer

Akutkrankenhaus Hemer

Foto: Paracelsus-Kliniken

SPIEGEL ONLINE: Herr Happel, Sie sind ein Neuling im Klinikgeschäft. Wie wollen Sie verhindern, dass Sie wie der bisherige Eigentümer scheitern?

Happel: Wir können schon sehr viel erreichen, wenn wir nicht wie eine Gruppe einzelner Krankenhäuser, sondern wie eine Krankenhausgruppe agieren. Durch den stärkeren Bund können wir Neues entwickeln.

SPIEGEL ONLINE : Was heißt das konkret?

Happel: Wir denken weiter, als Paracelsus nur als Krankenhäuser zu sehen. Mit Blick in die Zukunft ist durchaus ein Gesundheitsdienstleister vorstellbar, der weit über jetzige Kliniken hinausragt und niedergelassene Ärzte etwa beim Zugriff auf Daten und Terminplanung ebenso stärker einbindet, wie auch die Patienten, die nach der Behandlung zu Hause digital weiterbetreut werden können.

SPIEGEL ONLINE : Was genau wollen Sie verändern?

Happel: Paracelsus soll in Zukunft auch für digitale Kompetenz stehen. Daher wird in Digitalisierung investiert. In einem ersten Schritt wird eine firmeneigene App die Mitarbeiter leichter ins Gespräch bringen, weniger Briefe und E-Mails nötig machen und dafür mehr Geschwindigkeit bringen. Das Schreiben von Berichten oder die Übergaben von Patientendaten beim Schichtwechsel werden digital vereinfacht. So wird Paracelsus schneller und effizienter.

SPIEGEL ONLINE : Und Sie können Personal abbauen.

Happel: Das ist eben nicht das Ziel. Wir wollen durch die Digitalisierung mehr Zeit für Patienten schaffen und unnötige Wartezeiten reduzieren, die auch uns Geld kosten. Wer beim Krankenhausaufenthalt zum Röntgen muss, wartet dort oft Stunden vor der Tür. Digital könnten wir es so planen, dass der Patient erst kurz zuvor gerufen wird, wenn ein Zeitfenster für ihn frei wird. Das hilft allen. Der Computer kann auch speichern, wo Betten, bestimmte Matratzen oder medizinisches Gerät zu finden sind. Dem telefonieren Pflegekräfte heute zeitaufwendig hinterher.



SPIEGEL ONLINE : Wenn Sie nicht den Mitarbeitern an den Kragen wollen, müssen Sie dann nicht schnell für möglichst lukrative Fälle in Ihren Kliniken sorgen wie Ihre großen Rivalen und dafür Druck auf die Ärzte machen?

Happel: Wir glauben wirklich, dass man mit Gesundheit langfristig wirtschaftlich arbeiten kann. Ja, wir haben im deutschen Gesundheitssystem unglaublich viel Druck. Aber wir werden auch dafür kämpfen, dass wir uns auf intelligente Weise eine neue Wirtschaftlichkeit ermöglichen.


Obwohl das deutsche Gesundheitssystem jährlich fast 350 Milliarden Euro verschlingt, leiden viele Kliniken, fehlen Pflegekräfte. Um zu sparen, zwingt die Politik die Krankenhäuser in einen teils ruinösen Wettbewerb, der die schwächsten Kliniken aussiebt. Fallpauschalen sollen die Kosten der Behandlungen decken. Sie erlauben nur Gewinne, wenn eine Klinik geringere Kosten hat als andere.

Das Prekäre: Das Geld für die Kliniken wird an die Kosteneinsparungen über die Zeit angepasst. So steigt der Effizienzdruck. Zugleich fehlen den Häusern Investitionsmittel, weil die Bundesländer nicht genug zahlen. Rund drei Milliarden Euro schulden sie den Kliniken.

In die Insolvenz war Paracelsus geschlittert, weil manche Kliniken sich im Wettbewerb mit großen Häusern der gleichen Stadt aufgerieben haben, schlecht gemanagt wurden. Dann haben Kliniken erst recht keine Chance.

Der neu installierte Paracelsus-Chef Michael Philippi muss Geschick beweisen. Seine Zielmarke zeigt einen üppigen Anspruch. "Wenn viele Bundesländer uns weiter mit den von ihnen eigentlich zu tragenden Investitionen alleine lassen, benötigen wir für den geplanten Erhalt und Ausbau der Kliniken eine eigene Finanzkraft. Das heißt, wir brauchen zehn Prozent Gewinnmarge, damit wir ausreichend investieren können", sagte Happel SPIEGEL ONLINE.


SPIEGEL ONLINE : Paracelsus-Mitarbeiter haben sich für Sie als Käufer ausgesprochen - weil Sie und Ihre Investmentholding Porterhouse menschlich ankommen, interessiert an den Beschäftigten. Sehen Sie sich als der gute Kapitalist?

Felix Happel: Mein Eindruck war, dass die Mitarbeiter sich jemanden wünschen, der neu und anders denkt und der eine langfristige Agenda mitbringt. Sind wir gut? Ich denke, dass wir dem Unternehmen gut tun. Das Fundament ist stark, ich habe schon eine Reihe von Praktika in der Firma gemacht und bin positiv überrascht.

SPIEGEL ONLINE : Hatten Sie es trotz der Insolvenz noch schlimmer erwartet?

Happel: Die Motivation der Mitarbeiter ist erfreulich hoch, obwohl das Unternehmen längere Zeit in schwieriger Lage war. Das hilft Paracelsus jetzt enorm. Das Management geht jetzt in jedes Haus, definiert die jeweiligen Stärken. Vor allem geht es darum, den Klinikbetrieb neu zu denken. Wie kann Paracelsus beispielsweise durch eine verbesserte Kooperation zwischen den verschiedenen Standorten in Deutschland noch besser werden.


Angesichts der Schwäche mancher Paracelsus-Klinik wächst die Sorge unter Ärzten und Pflegekräften, Firmenchef Philippi könnte bei den Löhnen mehr Zugeständnisse fordern. Dass im Insolvenzverfahren zwei Kliniken geschlossen wurden, habe viele schockiert. Zum Teil hätten mehr Kollegen die Firma verlassen, als laut Sanierungsplan abgebaut werden sollten, berichten Insider. Das schwächt Paracelsus zusätzlich.

Der geplante Wandel fällt mancherorts schwer: In Sachsen wehren sich Ärzte zweier naher Paracelsus-Kliniken gegen engere Zusammenarbeit - und torpedieren damit neue Kooperationspläne.

Paracelsus-Chef Michael Philippi

Paracelsus-Chef Michael Philippi

Foto: Hermann Pentermann/ dpa

Philippi will beruhigen: "Paracelsus hatte keine gute Zeit. Aber wir sind auch nach der Insolvenz immerhin eines der größten Krankenhausunternehmen Deutschlands", sagt der frühere Chef der Sana-Klinikgruppe. Die Gruppe könne konkurrenzfähig sein.


SPIEGEL ONLINE : Wie wollen Sie Geld verdienen, ohne hart durchzugreifen?

Happel: Nächstes Jahr schon erwarte ich nachhaltige Profitabilität. Das Geldverdienen kommt, wenn man unternehmerisch Gutes tut. Paracelsus ist in keiner einfachen Situation. Jedoch sind die harten Schnitte der Sanierung bereits gesetzt. Paracelsus wird keine weiteren Standorte schließen, wir wollen wachsen. Es wird in moderne Geräte investiert, in modernisierte Häuser. Für die Patienten, für die Kunden, werden wir das Angebot neu denken. Es geht darum, das Richtige anzubieten und Zeit für die Menschen zu gewinnen. Da wird das Management Einiges anders machen, als bisher bei Paracelsus und vielleicht auch in der Kliniklandschaft üblich. Dafür brauchen wir aber auch die Politik.

SPIEGEL ONLINE : Was genau wollen Sie dort erreichen?

Happel: Wir wollen Behandlungsabläufe neu denken. Zur Finanzierung brauchen wir aber politische Unterstützung. In den Fallpauschalen, über die Kliniken bezahlt werden, muss sich künftig auch die Telemedizin abbilden. Wir müssen mehr Prävention bezahlt bekommen, wollen finanzielle Anreize, stationäre und ambulante Versorgung enger zu verzahnen. Wir entwickeln die Klinik der Zukunft. Dafür muss den Häusern politisch aber erlaubt werden, ihre eigene Existenz zu verdienen.

SPIEGEL ONLINE : Was tun Sie dafür?

Happel: Ich spreche mit vielen Politikern, es braucht auch Vertrauen in die Klinikbetreiber. Wir haben auch einen Grundversorgungsauftrag, müssen uns ordentlich in die Gesellschaft einbinden. Eine hohe Gewinnmarge kann nicht an erster Stelle stehen. Dennoch müssen wir profitabel sein können. Ich habe die Hoffnung, dass die Regierung sich für mehr Innovation, mehr Digitalisierung in Krankenhäusern einsetzt.


Gesundheitsminister Jens Spahn will die Kosten für Pflegekräfte aus den Fallpauschalen nehmen - und geht damit erstmals an das fragil austarierte Bezahlprinzip. "Ich habe Sorge, dass wir zu einer enormen Nachweis-Bürokratie verpflichtet werden, ohne das eigentliche Ziel zu erreichen, die Arbeitsbedingungen für die Pflege zu verbessern. Viele Krankenhäuser können trotz größter Mühe ihre Stellen nicht besetzen", warnt Paracelsus-Manager Philippi.

Er hält zugleich einen weit drastischeren Wandel für möglich, der sich durch Spahns Vorstoß abzeichnet: "Vielleicht muss das Finanzierungssystem grundsätzlich überdacht werden." Kostenerstattung für die Pflege und die diagnosebezogenen Fallgruppen für den Rest passten nicht zusammen.

"Wir bewegen uns alle im Klinikmarkt in einem Korsett", sagt Happel. "Es wird Zeit, es neu zu schnüren."