Zürcher sind mit dem Gesundheitswesen überfordert

Mehr als die Hälfte der Zürcher verfügt über eine mangelhafte Gesundheitskompetenz. Mit einem langfristigen Programm will der Kanton dies ändern. Damit sollen die Leute gesünder und das Gesundheitswesen erst noch günstiger werden.

Jan Hudec
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Gemäss einer Studie haben 54 Prozent der Schweizer eine problematische oder gar unzureichende Gesundheitskompetenz. (Bild: Gaetan Bally / Keystone)

Gemäss einer Studie haben 54 Prozent der Schweizer eine problematische oder gar unzureichende Gesundheitskompetenz. (Bild: Gaetan Bally / Keystone)

Die Schweiz rühmt sich immer wieder, eines der besten Gesundheitswesen der Welt zu haben. Doch wie sieht es eigentlich mit der Gesundheitskompetenz der Bürgerinnen und Bürger aus? Wie gut finden sie sich zurecht in einem Gesundheitsmarkt, der immer unüberschaubarer wird, wie zielsicher können sie zwischen einer wachsenden Zahl medizinischer Möglichkeiten wählen, und wie gehen sie mit der Flut an Gesundheitsinformationen im digitalen Raum um?

Man kann es kurz machen: Es steht nicht gut um die Gesundheitskompetenz. In einem Ländervergleich von neun europäischen Staaten liegt die Schweiz nur gerade auf dem sechsten Platz und schneidet deutlich schlechter ab als Polen und Griechenland. Gemäss der Studie haben 54 Prozent der Schweizer eine problematische oder gar unzureichende Gesundheitskompetenz.

Und im Kanton Zürich sieht es nicht besser aus. Der Anteil an Personen im Kanton mit problematischen Einschätzungen oder unzureichenden Fähigkeiten beläuft sich auf 56 Prozent. Dies hat die Gesundheitsdirektion am Dienstag publik gemacht. Insbesondere ältere, schlecht gebildete und chronisch kranke Menschen schneiden schlecht ab, wie die Erhebung von 2018 zeigt.

«Wissen macht gesund»

Für Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger ist der Handlungsbedarf deshalb evident. Gemeinsam mit der Careum-Stiftung, welche die Bildung im Gesundheitswesen fördert, hat der Kanton ein Projekt lanciert, um die Gesundheitskompetenz zu steigern. Heiniger brachte es auf eine einfache Formel: «Wissen ist Macht, und Wissen macht gesund.» Denn auch dies zeigen Studien.

Wer sich besser mit Gesundheitsfragen auskennt, ist tendenziell gesünder. Und daneben gibt es noch einen anderen Aspekt, wie Ilona Kickbusch, Careum-Stiftungsrätin, sagte: «Mangelnde Kompetenz kostet uns sehr viel Geld.» Denn das beste Gesundheitssystem nütze wenig, wen man nicht wisse, wie man es richtig nutze. So suchen heute viele Leute den Spital-Notfall auf, obwohl es gar nicht nötig wäre, machen Therapien, die wenig bis nichts bringen, und schaden ihrer Gesundheit mit ihrem Lebensstil, mitunter auch, weil sie es nicht besser wissen.

Nun ist das nicht nur ein Problem der Bürger. Natürlich gehe es einerseits darum, die Menschen zu befähigen, sich besser zurechtzufinden und die richtigen Entscheidungen zu treffen, sagte Heiniger. Andererseits müsse auch die Komplexität des Systems reduziert werden. Wie können Ärzte oder Spitäler ihre Patienten so informieren, dass sie wirklich verstanden werden?

Der Hausarzt als Coach

Hier setzt denn auch das erste konkrete Projekt des Kantons an, das im Frühling startet. Gemeinsam mit dem Ärztenetzwerk Medix und der Spitex Zürich Limmat soll ein Selbstbewertungsinstrument für Organisationen entwickelt werden. Anhand einer Liste mit verschiedenen Kriterien sollen sie analysieren können, wie patientenfreundlich sie sind.

Felix Huber von Medix formulierte es so: «Der Hausarzt muss zum Coach werden, der seinem Patienten hilft, durch das Gesundheitswesen zu navigieren.» Um wirklich mitentscheiden zu können, müsse der Patient gut informiert sein. Ob die Institutionen dies auch leisten, sollen sie mit dem Instrument selbst prüfen können. Neben der Analyse soll es den Organisationen auch aufzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, die Gesundheitskompetenz der Patienten zu steigern.

Das Projekt soll bis in zwei Jahre abgeschlossen werden. Wenn das Instrument ausgereift ist, wird es allen Gesundheitsinstitutionen gratis zur Verfügung gestellt. Bereits im Sommer startet ein zweites Projekt, das voraussichtlich direkt bei der Bevölkerung ansetzt. Ab 2020 folgen weitere Projekte.

Die Gesundheitsdirektion hat für die kommenden Jahre je rund 100 000 Franken für das Programm budgetiert, im ähnlichen Rahmen engagiert sich Careum. Zudem ist es das Ziel, auch Drittmittel zu generieren. So wird das erste Projekt von Gesundheitsförderung Schweiz mit 250 000 Franken unterstützt.