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Skandal um Boni-Zahlungen

Chaos an Unimedizin Rostock bringt Regierung in Erklärungsnot

Die Uniklinik Rostock: Das größte Krankenhaus des Landes kommt nicht zur Ruhe.

Die Uniklinik Rostock: Das größte Krankenhaus des Landes kommt nicht zur Ruhe.

Rostock. Eine Ministerin, die die Wahrheit in Scheibchen serviert: Birgit Hesse (SPD) ist in Erklärungsnot, weil sie Höhe und genaue Hintergründe von Bonus-Zahlungen an Vorstandsmitglieder der Universitätsmedizin Rostock bisher verschwiegen hat. Unterlagen, die der OZ vorliegen, bringen jetzt ans Licht: Die Vorstände haben sehr wohl Extra-Zahlungen erhalten, die sich an der Höhe des Gewinns orientieren. Bei 240 000 Euro Überschuss hätte es im Jahre 2017 schon mal 50 Prozent dieser vereinbarten Zulagen gegeben, ab 3,6 Millionen sogar das volle Programm. Nach OZ-Informationen fünfstellige Beträge für jeden Vorstand.

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Die OZ-Recherche bestätige Ergebnisse seiner eigenen Arbeit, sagt Torsten Koplin, Gesundheitsexperte der Linken im Landtag. Unter Geheimhaltung dürfen Mitglieder des Fachausschusses seit ein paar Tagen Akten einsehen. Die Aktenlage löse „erhebliche Zweifel an den Aussagen des Ministeriums“ aus, so Koplin. Mehr darf er offiziell nicht sagen. Die Regierung hat der Kontrollinstanz Landtag einen Maulkorb verpasst.

Die Liste der Probleme an der Rostocker Uniklinik ist lang

Die Berichterstattung über die Unimedizin hat im Vorjahr landesweit hohe Wellen geschlagen. Nach Vorwürfen der Untreue wurde Vorstandschef Christian Schmidt kurzzeitig suspendiert. Viele Probleme kamen zutage: fehlendes Personal, Engpässe bei der ärztlichen Versorgung durch finanziellen Druck, lange Wartezeiten für Patienten.

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Mitarbeiter unterstellten zudem: Das System der Vorstandsvergütung habe die vielen Nöte mit verursacht. Der Vorstand habe die Kliniken an vielen Stellen kaputtgespart. Die Führungskräfte hingegen würden für den drastischen Sparkurs auf Kosten von Patienten und Personal hohe Belohnungen einfahren. Im Jahr 2015 – so steht es in der Zielvereinbarung – machte die Klinik 8,06 Millionen Euro Gewinn. 2016 waren 6,9 Millionen Euro Gewinn, 2017 sogar 9,3 Millionen Euro.

Dass die Vorstände ganz direkt vom finanziellen Erfolg profitieren, ließ Hesse dementieren. Im August erklärte sie im OZ-Interview: Patienten seien ihr wichtiger als Gewinne an der Unimedizin. Auf die Frage, ob der Überschuss an gesonderte Boni für den Vorstand gekoppelt sei, antwortete Hesse: "Nein, diese grundsätzliche Regelung gibt es nicht. Es existiert lediglich die Vorgabe des Gesetzgebers, dass man ein Krankenhaus wirtschaftlich führen muss. Und natürlich wünschen wir uns eine sogenannte schwarze Null in der Bilanz", so die Ministerin damals. Wiederholt betonte sie, dass keine "grundsätzliche Regelung" existiert, die Sonderzahlungen vom Gewinn abhängig macht.

Land: Millionen sollten nicht gleich wieder verpulvert werden

Dass es aber sehr wohl finanzielle Anreize für Vorstände gab, musste Hesse wenig später auf erneute OZ-Anfrage einräumen: Auf der Basis von Zielvereinbarungen seien „leistungs- und erfolgsabhängige Vergütungsanteile“ in den Verträgen vorgesehen. Das sind Boni. Das Land sieht keinen Widerspruch zwischen Hesses Aussage, Boni seien nicht an Millionen-Gewinne geknüpft, und der Zielvereinbarung: Als 2017 die Vorgaben für den Vorstand verabschiedet wurden, lag bereits ein Quartalsgewinn von 3,6 Millionen Euro vor. Es ging – so das Land – also nicht darum, noch mehr Millionen zu verdienen, sondern diesen Überschuss nicht zu verpulvern. Lipski: „Die Leistung bestand darin, ein mit ziemlicher Sicherheit zu erwartendes Ergebnis zu halten und nicht zu verschlechtern.“

Auch innerhalb der Klinik kehrt weiterhin keine Ruhe ein: Im Dezember hatte Aufsichtsratschef Sebastian Schröder (SPD) zwar verkündet, dass die Ermittlungen gegen den Ärztlichen Vorstand Christian Schmidt beendet sein. Doch auch das war offenbar nur die halbe Wahrheit: Auf Nachfrage bestätigte das Ministerium, dass der Aufsichtsrat weitere Untersuchungen veranlasst hat. Für mehrere Zehntausend Euro wurde die weltweit tätige Unternehmensberatung Price Waterhouse Cooper (PWC) engagiert.

Denn offenbar sieht das Land nach wie vor Defizite in der Führung der Klinik: „Es handelt sich um die Überprüfung von Aufbau und Funktionalität von Steuerungs- und Kontrollsystemen einer unternehmerischen Organisation“, sagt Ministeriumssprecher Lipski. Im Klartext: PWC soll sicherstellen, dass es nicht wieder zu Verfehlungen im Vorstand der Klinik kommt. Denn obwohl Schmidt weiterhin Ärztlicher Vorstand bleiben darf, heiße das nicht, dass er sich nichts zu Schulden hat kommen lassen: „Im Ergebnis der Untersuchungen haben sich in Einzelfällen Verstöße gegen einzelne Dienstvorschriften herausgestellt, die durch den Ärztlichen Vorstand abgestellt werden müssen“, so Lipski. Welche Verstöße das im Detail waren, sagt das Land nicht. Die Kosten für die Prüfung durch PWC muss die Uni – also auch der Vorstand – übrigens selbst erwirtschaften.

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Seit Bekanntwerden der Vorwürfe habe Hesse eine Abwehrphalanx zum Thema errichtet, monieren Kritiker. Mitglieder des Landtags, die eigentlich die Regierung kontrollieren sollen, müssen jetzt – unter Aufsicht – Tausende Seiten selbst durchackern. Klarer Hinweis: nur für den Dienstgebrauch, keine Infos an die Öffentlichkeit.

Mehr zum Thema:

Also doch: Land forderte Millionen-Gewinne von Uni-Medizin Rostock

Zielvereinbarung als PDF zum Download

Kommentar: Hesse muss gehen

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Andreas Meyer und Frank Pubantz

OZ

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