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Klinikgesellschaft

Kreis plant Schließung der Spaichinger Klinik

Spaichingen / Lesedauer: 5 min

Bürgermeister Schuhmacher informiert beim Neujahrsempfang in Spaichingen rund 200 Bürger
Veröffentlicht:13.01.2019, 15:48

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Der Landkreis als Gesellschafter der Klinikgesellschaft hat vor, den Klinikstandort Spaichingen mittelfristig aufzugeben. Das hat Bürgermeister Hans Georg Schuhmacher am Sonntag beim Neujahrsempfang vor knapp 200 Besuchern gesagt. Wie lange die Fachabteilungen noch bestehen, sei ihm in dem Gespräch kurz vor Weihnachten von Landrat Stefan Bär nicht gesagt worden.

Gerüchte, die in diese Richtung deuteten, gab es schon länger. Wie Bürgermeister Schuhmacher sagte, beschäftige sich seit einem halben Jahr ein Gutachten mit der Struktur der Klinikstandorte. Er könne in Teilen diese Schließungsüberlegungen, unter anderem wegen Chefarztmangel, verstehen, er könne aber nicht verstehen, dass nun offenbar Spaichinger Kreistagsabgeordneten zustimmten, die zuvor vehement dagegen geredet hätten. Er selbst habe 2013 dafür plädiert, die Klinik zu einem Ärztezentrum umzubauen und habe dafür Kritik geerntet.

Der Kreistag werde am 7. März darüber befinden, der Spaichingen Gemeinderat werde in seiner Sitzung vom 21. Januar nicht öffentlich informiert und die Bevölkerung in einer Informationsveranstaltung im Februar.

Schuhmacher ging auch ausführlich auf seine Politik des Wohnungs- und Gewerbebaus ein. Dass sich in den vergangenen Jahr ein gesellschaftlicher Wandel in Spaichingen vollzogen habe, komme nicht von Ungefähr. Er habe Investoren ermuntert, in den Geschosswohnungsbau zu investieren, um Wohnraum für Zuzug zu schaffen. Und dies, damit Menschen nach Spaichingen ziehen. Der Boom im Gewerbe habe eine deutliche Nachfrage nach Arbeitskräften nach sich gezogen, die meist im angrenzenden Ausland und namentlich russlanddeutsche Arbeitskräfte hierher geworben hatten. Diese zugezogenen Arbeitskräfte und ihre Familien sollten sich nun auch den Traum vom eigenen Haus verwirklichen können.

Nicht nur als Arbeitskräfte, sondern auch wegen finanzieller und struktureller positiver Folgen sei der Zuzug von Einwohnern gewollt und geplant, so Schuhmacher: Kurze Wege zur Arbeit seien umweltfreundlicher, die Zuzügler würden den Einzelhandel stärken und für deren Schulkinder zahle das Land 650 Euro im Jahr an Zuschuss. Weniger Kinder bedeuteten viel weniger einnahmen für die Stadt aber gleich viele Kosten. Dazu komme, dass sich die Einkommenssteueranteile nach dem Wohnort richteten, sie seien auf 7,5 Millionen im Jahr gestiegen. Hinzu kämen die Schlüsselzuweisungen von rund 1000 Euro je Einwohner – alles wichtige Einnahmequellen für die Stadt. Bevölkerungswachstum gerade auch älterer Menschen sichere Ärzten auch die Patientenzahlen.

Die hohen Gewerbesteuern würden von der hiesigen Industrie getragen, der es gut gehe. Dazu trage die Stadt mit Wirtschaftsförderung bei. Ein Quadratmeter Gewerbefläche koste 120 bis 150 Euro an Herstellungskosten, im Verkauf erlöse sie aber nur 48 Euro, der Rest sei Wirtschaftsförderung. Dazu komme, dass die Stadt dazu übergegangen sei, Gewerbeflächen zu reservieren. Das binde zwar Geld, sichere auf Dauer aber den Standort ab, so Schuhmacher.

Im Hinblick auf die anstehenden Projekte ragt die Sanierung der Primdole mit Komplettsanierung der Seitenbereiche zwischen Kreuzplatz und Angerstraße heraus. Man werde mit den angrenzenden Betrieben rechtzeitig Kontakt aufnehmen, um die Folgen abzufedern. Im Übrigen habe sich der Gemeinderat dafür ausgesprochen, entlang der Hauptstraße Gebäude aufzukaufen, um dort Neubauten mit Stadthäusern mit Satteldach errichten zu lassen.

Schuhmacher nannte weiter den Neubau des Lehrschwimmbeckens an der Schillerschule für vier Millionen Euro, der im Frühsommer 2020 eingeweiht werden soll, weiteren Wohn- und Gewerbeflächenentwicklung sowie Tiefbaumaßnahmen in 2019. Das Neue Haushaltsrecht verlange aber, dass Spaichingen 2,4 Millionen an Abschreibungen in den Haushalt einstelle, die dann nicht mehr für Investitionen zur Verfügung stünden.

Im Zeitraum von sechs Jahren rechne er mit der Realisierung der Umgehungsstraße. Eine erste Informationsveranstaltung für die Bürger mit dem Regierungspräsidium werde Mitte des Jahres stattfinden. In diesem Zusammenhang teilte Schuhmacher Kritik an den Gegnern des Projekts aus.

Mit Blick auf den Gemeinderat dankte Schuhmacher dem neuen Fraktionsvorsitzenden der CDU, Karsten Frech, der nach dem Weggang von Ratsmitgliedern zu einer Versachlichung und zum Gespräch mit den anderen Fraktionen – Schuhmacher nannte FDP, Freie Wähler und SPD, nicht aber Pro Spaichingen und die Grünen – beigetragen habe.

Für den guten Ton der Veranstaltung, anschließend auch bei Bewirtung durch den Kreisverband der Banater Schwaben, sorgte die Prime Time Bigband mit sattem Bigband-Sound.

Pachtflächenkündigung wegen Öko-Ausgleich

Neu war für die Zuhörer die Erläuterung, warum Bürgermeister Schuhmacher auf die Rückgabe von landwirtschaftlichen Flächen durch eine Spaichinger Bauernfamilie bestehe: Die Flächen seien seit 2013 gekündigt, um Flächen für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen zu haben. Sie würden seither unrechtmäßig bewirtschaftet. Das ist, so durch Dokumente belegte Recherchen, nicht korrekt, der Vertrag wurde nach turnusgemäßem Ablauf von der Landwirtsfamilie nur deshalb nicht unterschrieben, weil er an die Bedingung des Wohlverhaltens beim Verkauf von Flächen geknüpft werden sollte, was der Landwirt verweigerte. Korrekt ist aber: Pacht wurde nicht berechnet und nicht gezahlt.

Das Ökokonto zum naturschutzrechtlichen Ausgleich von Bauvorhaben Spaichingens sei prall gefüllt. Um diese fortzuführen habe die Stadt die landwirtschaftlichen Flächen gekündigt im Hinblick auf den kommenden Flächenverbrauch von Wohn- und Gewerbegebieten sowie die Umgehungsstraße. In dieser Hinsicht sei diese Kündigung „unerlässlich und alternativlos“. Dass es auch im Hinblick auf die Umgehungsstraße Ausgleichsmaßnahmen auf landwirtschaftlichen Flächen geben müsse und dafür Pachtverträge von Nebenerwerbslandwirten gekündigt würden, sei selbstverständlich, so Schuhmacher.