Am 1. Mai konnten Sie und Ihre Mitarbeiter ein Jahr Josef-Hospital Delmenhorst in städtischer Trägerschaft feiern. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Florian Friedel: Insgesamt war es ein schwieriges Jahr, weil die Ausgangssituation mit der langen, der doppelten Insolvenz und der Nachfolge der beiden Kliniken – also der Zusammenlegung des alten Klinikums Delmenhorst und des katholischen St.-Josef-Stifts – schon außergewöhnlich war.
Aber jetzt nach einem Jahr ziehen wir für uns eine durchweg positive Bilanz. Das, was wir uns vorgenommen haben, haben wir umgesetzt. Und wir sehen jetzt schon, dass der Jahresabschluss 2018, der sich gerade in der Prüfung befindet, ein Ergebnis ausweisen wird, das ziemlich genau unserer Planung entspricht.
Was hatten Sie sich für dieses Jahr denn vorgenommen?
Das wichtigste Thema für uns war, das Krankenhaus wirtschaftlich zu stabilisieren. Das ist gelungen. Wir haben im vergangenen Jahr die Kosten erheblich gesenkt. Dazu haben auch die Personalmaßnahmen erheblich beigetragen. Das zweite große Thema war der Aufbau neuer Strukturen. So wollen wir den langfristigen Erfolg des Krankenhauses sichern.
Das haben wir im vergangenen Jahr unter anderem mit den neuen Gesellschaften, die wir gegründet haben, durchgesetzt. Auch haben wir eine neue Vergütungsstruktur eingeführt und wesentliche Lieferantenverträge wie zum Beispiel mit der Apotheke oder der Wäscherei nachverhandelt oder komplett neu abgeschlossen, sodass wir jetzt insgesamt wettbewerbsfähiger sind.
Ein Strukturthema, das Sie in diesem Zusammenhang früh angesprochen hatten, war die Effizienz, sprich: Die möglichst reibungslose Entlassung von Patienten und eine Wiederbelegung des Bettes noch am selben Tag.
Krankenhausmanagement ist ja keine Raketenwissenschaft: Es geht darum, dass wir in allen Bereichen jeweils immer so viele Kapazitäten vorhalten, wie wir gerade benötigen. Das betrifft Betten- wie OP- wie letzten Endes auch Personalkapazitäten. Für uns bedeutet das:
Wir müssen für die Zahl an Patienten, die wir haben, genügend Betten vorhalten, um eine bestmögliche Versorgung zu garantieren. Aber eben auch nicht mehr Betten. Um dieses Ziel zu erreichen, war eine Senkung der Verweildauer der Patienten nötig. Das bedeutet nicht, dass Patienten einfach nur einen Tag früher nach Hause gehen, sondern es bedeutet, dass wir Prozesse im Krankenhaus effizienter gestalten, also die gleiche Leistung in weniger Zeit erbringen.
Das ist in der Tat im vergangenen Jahr gut gelungen. Das ist sogar so gut gelungen, dass wir in einigen Bereichen bereits die Werte erreicht haben, die wir uns für einen Zeitraum von vier Jahren vorgenommen hatten.
Lässt das sogar hoffen, dass Sie für die Sanierung weniger Zeit als vorgesehen benötigen?
Wir haben gesagt, der Sanierungszeitraum wird drei bis vier Jahre umfassen. Und das erste Jahr ist ziemlich genau so gelaufen, wie wir uns das vorgenommen hatten. Für das zweite Jahr haben wir einen begründeten Optimismus, dass es sich ebenfalls in dem Rahmen bewegt, den wir uns vorstellen.
Aber die Sanierung ist damit nicht abgeschlossen. Wir müssen am Ende auch so viel operativen Gewinn erwirtschaften – das Sanierungskonzept sieht rund 2,5 Millionen Euro vor –, um den Eigenanteil, den wir für den Neubau aufbringen müssen, finanzieren zu können. Was übrigens unser drittes großes Thema in diesem Jahr war: Es ist gelungen, eine sehr konkrete Perspektive für einen Neubau an der Wildeshauser Straße zu schaffen.
Was gibt es beim Neubau denn aktuell Neues?
Momentan sind wir in der Vorplanungsphase. Das bedeutet: Wir sind uns im Klaren darüber, was wir bauen möchten, und haben das bereits sehr eng mit dem Sozialministerium in Hannover und dem Niedersächsischen Landesamt für Bau und Liegenschaften abgestimmt.
Wir bekommen sowohl von dort als auch von den Krankenkassen Unterstützung. Wie es jetzt genau weitergeht, können wir nicht sagen, weil es noch einige rechtliche Fragen zur Förderung zu klären gilt. Das tun nicht wir, sondern das Ministerium und das Bundesversicherungsamt, das für einen Teil der Fördermittel zuständig ist.
Was schätzen Sie: Wie lange müssen Sie noch warten?
Es besteht Einigkeit bei allen Beteiligten darüber, dass Delmenhorst ein Krankenhaus braucht. Es besteht auch Einigkeit darüber, dass der Krankenhausbetrieb auf längere Sicht nicht in der jetzigen Infrastruktur weitergeführt werden kann. Weil es nicht mehr zeitgemäß ist.
Wenn wir den Krankenhausstandort langfristig sichern wollen, ist klar, dass ein neues Krankenhaus gebaut werden muss. Insofern bin ich sehr zuversichtlich, dass das Projekt Neubau gelingen wird.
Ich verstehe auch die Ungeduld, die bei diesem Thema vorhanden ist. Aber es geht um ein sehr, sehr großes Bauprojekt. Und da ist es mir wichtig, dass wir die rechtliche Fördermittelsituation und die Finanzierung sauber klären. Hier geht Gründlichkeit vor Geschwindigkeit.
Ein viertes großes Thema im JHD ist die Entwicklung der Patientenzahlen.
Schon im Sanierungsgutachten hatten wir gesagt, dass die Insolvenz nicht spurlos am JHD vorübergehen wird. Krankenhaus hat viel mit Vertrauen zu tun, und eine Insolvenz beschädigt das Vertrauen. Deswegen sind wir davon ausgegangen, dass das Krankenhaus 2018 weiter Patienten verlieren wird.
Das ist auch so eingetreten. Es waren aber nur wenige: Wir lagen zwei bis drei Prozent unter den Patientenzahlen von 2017. Wichtig ist für die Zukunft, dass wir die Patienten aus Delmenhorst, Ganderkesee und der Umgebung, die momentan in Bremen, Oldenburg oder anderen Krankenhäusern in der Region behandelt werden, wieder in Delmenhorst versorgen.
Und gelingt das?
Das ist die gute Nachricht: Das erste Quartal 2019 ist das belegungsstärkste Quartal, seitdem beide Krankenhäuser im Sommer 2016 zusammengelegt wurden. Es wäre verfrüht, schon in Jubelstürme auszubrechen. Aber wir betrachten diese Entwicklung optimistisch, denn sie kommt nicht zufällig. Wir haben dafür zwei wesentliche Maßnahmen ergriffen:
Zum einen sind wir Kooperationen mit der Elektrophysiologie in Bremen und mit der Praxisklinik in Weyhe eingegangen, um uns auf diese Weise ein neues Patientenklientel sowie neue Einzugsgebiete zu erschließen. Zum anderen haben wir die Außendarstellung des Hauses verbessert. Als ein Beispiel können wir die Vortragsreihe nennen, die wir etabliert haben:
Zweimal im Monat halten unsere Chef- oder Oberärzte in der Reihe „Gesund in Delmenhorst“ Vorträge zu medizinischen Themen. Wir haben da bis zu 90 Zuhörer. Das ist ein großer Erfolg. Es zeigt auch, dass das Interesse am Krankenhaus in Delmenhorst und in der Umgebung wirklich groß ist.
Lassen Sie uns noch einmal über Zahlen reden: Die Sanierung besteht im Grunde aus zwei Komponenten, zum einen steigende Einnahmen durch mehr Patienten, zum anderen durch die Bändigung der Kosten. Wie bewerten sie in diesem zweiten Punkt aktuell die Situation?
Auch das sieht momentan gut aus. Es gibt eigentlich nur einen Problembereich: Wir müssen, um offene Stellen zu besetzen, auf Honorarkräfte zurückgreifen. Das wirkt sich negativ auf die Kosten aus.
Im vergangenen Jahr haben Sie 130 Beschäftigte im Rahmen der Insolvenz entlassen, jetzt müssen Sie Vakanzen mit teuren Honorarkräften füllen. Hätten Sie im Vorjahr nicht doch lieber mehr Kollegen behalten sollen?
Die Mitarbeiter, die wir im vergangenen Jahr entlassen mussten, arbeiteten nicht unbedingt in den Berufsgruppen, die wir jetzt suchen. Wir suchen aktuell in erster Linie Ärzte und Pflegekräfte – wie nahezu jedes Krankenhaus in Deutschland.
Wie kann das JHD in diesem Wettbewerb bestehen?
Die Suche nach Pflegekräften und Ärzten wird eine der größten Herausforderungen für Krankenhäuser bleiben. Ich glaube, da müssen wir uns nichts vormachen. Es wird kurzfristig nicht gelingen, die Pflegekräfte und Ärzte, die gebraucht werden, nur durch Ausbildung an Krankenhäusern und Universitäten in Deutschland zu bekommen. Es wird ein Erfolgsfaktor von Krankenhäusern sein, wie gut es gelingt, ausländische Pflegekräfte und Ärzte bei uns zu integrieren.
Ein Thema, das unter Ihrem Vorgänger kurz aufploppte, war ein Linksherzkathetermessplatz, obwohl das JHD keine Kardiologie hat. Kommt der noch?
Wir haben einen Bauantrag gestellt. Sobald die Genehmigung vorliegt, legen wir los, sodass das Gerät aller Voraussicht nach Mitte des Jahres in Betrieb gehen wird. Den Linksherzkathetermessplatz werden wir gemeinsam mit der Elektrophysiologie aus Bremen betreiben. Wir gehen davon aus, dass wir den Messplatz vom ersten Tag an voll auslasten werden.
Viel Kritik gab es immer wieder an den langen Wartezeiten in der Notfallambulanz. Konnten Sie dort schon Linderung erreichen?
Das Thema Notfallaufnahme wird uns und alle Krankenhäuser weiter begleiten. Die Fallzahlen in den Notaufnahmen steigen weiterhin, was für uns bedeutet, dass wir sehen müssen, wie wir diesem Ansturm von Patienten gerecht werden können. Wir haben die damals noch von meinem Vorgänger initiierten Umbauplanungen umgesetzt. Das war auch gut.
Wir haben dann die Bereitschaftsdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung ans Haus geholt, was eine bessere Zuordnung von Patienten erlaubt. Auch das hat sich positiv ausgewirkt. Wir müssen aber weiterhin sehen, wie wir unser Personal entlasten können und Patienten, die nicht unbedingt in die Notaufnahme gehören, effizienter versorgen. Aktuell verbessern wir die Bettenallokation…
…also die Zuteilung der Krankenbetten…
…mit Hilfe der EDV. Und wir arbeiten daran, Wege zu verkürzen. Wir haben einmal gemessen, wie viele Kilometer eine Pflegekraft in der Notaufnahme in einer Schicht zurücklegt: bis zu zwölf Kilometer und mehr. Wenn es uns gelingt, das deutlich zu verkürzen, ist schon eine ganze Menge gewonnen.
Und das Dritte, was wir machen: Wir müssen weiterhin die Tätigkeiten identifizieren, die wir nicht unbedingt in der Notaufnahme erbringen müssen, sondern die wir auch an anderen Stellen im Krankenhaus, beispielsweise auf Station, leisten können.
Gibt es mit Blick auf den Neubau Pläne, weitere medizinische Disziplinen am JHD anzusiedeln?
Grundsätzlich ist das, was wir am Krankenhaus machen, auch ein Stück weit durch die Krankenhausplanung vorgegeben. Aber es wurde schon früh mit Blick auf die Neubauplanung gesagt, dass wir zwei Gebiete neu aufbauen werden: Das eine ist die Interventionelle Kardiologie, das andere ist eine geriatrische Hauptabteilung. Aber für beide Abteilungen werden wir erst im Neubau die Voraussetzungen schaffen.
Viel Kritik gibt es am neuen Küchenkonzept. Für die Patienten wird nicht mehr frisch gekocht, sondern das fertige Essen wird angeliefert und aufgewärmt.
Das Thema Küche im Krankenhaus ist immer sehr emotional besetzt. Trotzdem nehmen wir die Kritik sehr ernst – und an einigen Punkten ist sie sicherlich auch berechtigt. Allerdings nicht am Konzept.
Dieses Konzept ist zum einen durch hygienische Anforderungen und zum anderen durch die Neubauplanungen gesetzt. Im Neubau wird es keine Produktionsküche mehr geben, weil solche Küchen in Krankenhäusern unserer Größe nicht gefördert werden. Und die Hygieneanforderungen an Großküchen sind durch EU-Vorgaben in den vergangenen Jahren weiter und weiter gestiegen, sodass eine solche Küche nicht wirtschaftlich zu betreiben ist.
Das Konzept einer Verteilküche ist für Krankenhäuser unserer Größe die einzig sinnvolle Variante. Aber wenn es den Patienten nicht schmeckt, dann müssen wir natürlich das Essen verbessern. Dafür werden wir in den nächsten Monaten eine größer angelegte Umfrage unter unseren Patienten nur zum Essen durchführen.
Etwas, was auch nicht so gut in der Stadt ankommt, ist der Name: Josef-Hospital.
Eine Umbenennung des Krankenhauses ist sicherlich nichts, was in den ersten zwei Jahren einer Sanierung möglich wäre, denn es bindet nicht unerheblich personelle Kapazitäten und es kostet eine ganze Menge Geld. Aber ich habe sehr wohl auch zur Kenntnis genommen, dass dieser Name nicht bei jedem gut ankommt. Wir werden uns Gedanken machen, wann der richtige Zeitpunkt ist, das Krankenhaus umzubenennen. Dass sich, spätestens mit dem Neubau, die kommunale Trägerschaft auch im Namen wiederfinden wird, ist für mich aber klar.
Das Interview führte Andreas D. Becker.
Florian Friedel (48)
ist seit Ende 2017 Geschäftsführer des Josef-Hospitals Delmenhorst, das nach der Insolvenz zum 1. Mai vergangenen Jahres wieder in städtische Trägerschaft übergegangen ist.