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Klinikum-Sanierung in Herford deutlich teurer – Landrat schaltet Wirtschaftsprüfer ein

Wo sind die Millionen geblieben?

Herford (WB). Böse Überraschung: Die Sanierung des Klinikums Herford wird nicht nur deutlich teurer. Unklar ist auch, wo die zusätzlichen Millionen verbaut wurden. Wirtschaftsprüfer sollen nun der Sache auf den Grund gehen und klären, wer verantwortlich ist.

Moritz Winde

Das Klinikum in Herford ist mit 2000 Arbeitsplätzen der größte Arbeitgeber im Kreis. Seit 2011 wird das Bettenhaus saniert.
Das Klinikum in Herford ist mit 2000 Arbeitsplätzen der größte Arbeitgeber im Kreis. Seit 2011 wird das Bettenhaus saniert. Foto: Moritz Winde

Landrat Jürgen Müller ist wohl aus allen Wolken gefallen, als er in diesen Tagen die Schlussrechnungen auf dem Schreibtisch hatte. Nun ist es nicht unüblich, dass Kostenrahmen bei XXL-Projekten – das Krankenhaus hat in den vergangenen Jahren etwa 100 Millionen investiert – nicht eingehalten werden.

Klar ist aber: Je mehr Miese beim Umbau gemacht wurden, desto schlechter fällt die Bilanz aus. Nach Informationen dieser Zeitung soll das Minus für 2018 zwischen sechs und acht Millionen Euro liegen und damit etwa doppelt so hoch wie im Jahr zuvor. Der Verwaltungsrat soll am 29. Mai über das Ergebnis informiert werden.

Das 1973 errichtete Bettenhaus wird seit 2011 saniert. »Eine Modernisierung im Bestand birgt immer Risiken«, sagt Armin Sülberg, der bis Ende des Jahres kommissarisch die Geschäfte des Unternehmens führt. Weshalb die Kosten derart explodiert sind, scheint nicht einfach zu beantworten zu sein.

Wer trägt die Verantwortung?

Es soll nach jetzigen Erkenntnissen keine oder nur eine unzureichende Dokumentation über gewisse Aufträge geben. Das bedeutet im Umkehrschluss: Verträge mit ausführenden Handwerksfirmen über Preise oder Leistungen wurden nicht geschlossen oder nicht schriftlich festgehalten. »So wie es derzeit aussieht, wurde einfach gesagt: Macht mal!«, erklärt Sülberg. »Die Wirtschaftsprüfer sollen die Unterlagen dazu durchsehen und die Abläufe prüfen«, ergänzt Landrat Müller.

Stellt sich die Frage: Wer hat dies zu verantworten? Und: Kann Schadensersatz geltend gemacht werden? Immerhin geht es um fremdes Vermögen – sprich: Steuergelder. Welche Rolle die Ex-Vorstände Martin Eversmeyer und Jürgen Küster dabei spielen, müssen die Juristen klären.

Schon jetzt liegt das Klinikum mit Bauunternehmen und Architekten im gerichtlichen Clinch. Es geht um Honorare und nicht fachgerecht ausgeführte Arbeiten. Streitwert: knapp unter zehn Millionen Euro.

Spatenstich für neue Kinderklinik könnte 2020 erfolgen

Apropos Millionen: Der Neubau der Kinderklinik, der auf der Apotheke entstehen soll, wird derzeit vorangetrieben. »Wir erhoffen uns eine Förderung des Landes in Höhe von 20 Millionen Euro. Bestenfalls können wir im Sommer 2020 den ersten Spatenstich setzen«, sagt Sülberg.

Der erfahrene Gesundheitsökonom geht davon aus, bis Ende des Jahres eine Antwort aus Düsseldorf zu bekommen. Allerdings werde auch ohne positiven Bescheid gebaut. Landrat Jürgen Müller: »Die Kinderklinik kommt auf jeden Fall.«

Nicht nur, weil die alte nicht mehr zeitgemäß ist. Auch weil Platz für ein OP-Zentrum gebraucht wird. Das soll auf dem Areal der jetzigen Kinderklinik errichtet werden. Ob bis dahin Säle in Modulbauweise ans Haupthaus angedockt werden, ist noch nicht entschieden. Zunächst sollen die Abläufeim Betrieb überprüft werden. Sülberg: »Damit werden wir zeitnah Analysten beauftragen.«

Kommentar von Moritz Winde

Jeder Hauseigentümer will wissen, wie tief er in die Tasche greifen muss, wenn die Heizung den Geist aufgibt. Gängig ist ein Kostenvoranschlag, der mit einem rechtsverbindlichen Angebot vergleichbar ist. Dabei geht’s um Umfang der Arbeiten, nötige Zeit sowie Material.

Soweit, so einfach – sollte man meinen. Beim Klinikum-Umbau – so scheint es derzeit – sind solche Selbstverständlichkeiten zum Teil nicht beherzigt worden. Das dicke Ende kommt nun mit den höheren Schlussrechnungen.

Verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeldern sieht anders aus. Es ist das Mindeste, zu versuchen, die Vorgänge aufzuklären. Ausbaden müssen diese Negativ-Schlagzeilen ohnehin erst einmal ganz andere – und zwar die 2000 Mitarbeiter, die Tag für Tag einen super Job machen.


Beim Rundgang durchs Klinikum machen Landrat Jürgen Müller und Interims-Geschäftsführer Armin Sülberg Halt auf der internistischen Station 4A und kommen mit Teamleiter Thorsten Kleemeier ins Gespräch. Sie wollen wissen: Wo drückt der Schuh?
Beim Rundgang durchs Klinikum machen Landrat Jürgen Müller und Interims-Geschäftsführer Armin Sülberg Halt auf der internistischen Station 4A und kommen mit Teamleiter Thorsten Kleemeier ins Gespräch. Sie wollen wissen: Wo drückt der Schuh? Foto: Moritz Winde
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