Immer wieder beanstanden Krankenkassen und MDK die Diagnose J96.0 (akute respiratorische Insuffizienz) und verlangen stattdessen die Kodierung der Diagnose J96.9 (respiratorische Insuffizienz, nicht näher bezeichnet). Begründet wird dies mit der fehlenden zweiten (Kontroll-)Blutgasanalyse (BGA), ohne die nicht festgestellt werden könne, ob eine akute oder chronische respiratorische Insuffizienz vorlag. Das SG Dresden bestätigte mit seiner von uns erstrittenen Entscheidung vom 13. März 2019, Az. S 5 KR 683/16, die Kodierbarkeit der Diagnose J96.0 auch ohne zweite (Kontroll-)BGA.
Sachverhalt
Die Patientin wurde mit dekompensiertem Diabetes mellitus stationär aufgenommen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme wurde eine Sauerstoffsättigung von 90 % gemessen. Die durchgeführte BGA ergab einen pH-Wert von 7,17, einen Kohlendioxidpartialdruck (pCO2) von 2,31 kPa und einen Sauerstoffpartialdruck (pO2) von 7,2 kPa. Unter der Gabe von Sauerstoff stieg die Sauerstoffsättigung. Die Sauerstoffgabe wurde drei Tage später beendet und die Patientin in gebessertem, stabilem Zustand entlassen. Eine nochmalige BGA nach Beendigung der Sauerstoffgabe erfolgte nicht. Das Krankenhaus verschlüsselte die Nebendiagnose J96.0.
Krankenkasse und MDK vertraten die Auffassung, dass statt der Nebendiagnose J96.0 die Nebendiagnose J96.9 zu kodieren sei, da mangels einer zweiten BGA nach Abklingen des Akutereignisses nicht zwischen akuter und chronischer respiratorischer Insuffizienz unterschieden werden könne.
Entscheidungsgründe
Das SG Dresden gab der Klage des Krankenhauses vollumfänglich statt. Bei der Patientin könne nicht von einer Chronizität der respiratorischen Insuffizienz ausgegangen werden, weil sich die anfangs erniedrigten Sauerstoffwerte nach Sauerstoffgabe bereits am Aufnahmetag normalisierten und an den Folgetagen durchgehend eine normale Sauerstoffsättigung dokumentiert war. Der Zustand der Patientin sei unabhängig von der intermittierenden Sauerstoffgabe stabil geblieben. Im Falle einer chronischen respiratorischen Insuffizienz wäre dagegen nach Beendigung der Sauerstoffgabe mit einer Hyperkapnie bzw. Kompensationsmechanismen zu rechnen gewesen.
Entgegen der Ansicht der Krankenkasse und des MDK hielt das SG Dresden eine zweite (Kontroll-)BGA nicht für erforderlich. Für die Diagnose könne auch auf die dokumentierten klinisch feststellbaren Erkenntnisse der behandelnden Ärzte abgestellt werden. Es reiche aus, dass ein medizinischer Sachverständiger aufgrund der Behandlungsunterlagen nachvollziehbar zu dem Schluss kommen kann, dass eine akute respiratorische Insuffizienz vorlag. (Das Gericht hatte zur Frage der Diagnose ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige konnte angesichts des klinischen Verlaufs eine chronische respiratorische Insuffizient ausschließen und bestätigte daher das Vorliegen einer akuten respiratorischen Insuffizienz.)
Zusammenfassung
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine zweite (Kontroll-)BGA zwar wünschenswert, aber für die Kodierbarkeit einer akuten respiratorischen Insuffizienz nicht nötig ist, solange die klinischen bzw. paraklinischen Zeichen dieser Erkrankung ausreichend aus den Behandlungsunterlagen hervorgehen.