S 8 KR 699/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Regensburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 KR 699/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.732,86 Euro zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 18.07.2017 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger ist Träger eines zugelassenen Krankenhauses. Dort wurde die im Jahr 1931 geborene und bei der Beklagten versicherte Patientin B. am 21.01.2017 stationär aufgenommen und bis zum 21.02.2017 behandelt. Grund hierfür war ein Hirninfarkt, der eine neurologische Komplexbehandlung über mehr als 72 Stunden notwendig machte.

Der Kläger rechnete seine Leistung mit Rechnung vom 07.03.2017 in Höhe von 9.932,45 Euro gegenüber der Beklagten ab. Dabei setzte er die DRG B39C (Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls mit bestimmter OR-Prozedur, bis 72 Stunden, ohne komplexen Eingriff, ohne komplizierende Konstellation) unter Zugrundelegung der Prozedur OPS 8-981.0 an. Die Beklagte glich die Rechnung vollständig aus, schaltete aber den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Überprüfung ein. Insbesondere bezweifelte die Beklagte, ob eine stationäre Behandlung überhaupt und für die gesamte Dauer medizinisch notwendig war. Mit Gutachten vom 14.06.2017 bestätigte der MDK die medizinische Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung für die gesamte Zeit. Im Rahmen der Vor-Ort-Prüfung im Krankenhaus am 31.05.2017 habe die Klinik dem Sachverständigen mitgeteilt, dass sie den kodierten OPS 8-981.0 ersetzen möchte durch den OPS 8-981.1. Nach Einsicht in die Krankenakte konnte der ärztliche Sachverständige die Änderung der Kodierung aus medizinischer Sicht bestätigen. Sie sei anhand der Klinikdokumentation nachvollziehbar und führe zu einer Änderung der DRG, und zwar von der abgerechneten DRG B39C zur DRG B39B. Eine Überschreitung der oberen Grenzverweildauer sei aufgrund der geänderten Kodierung zu verneinen. Im Rahmen der Fallbesprechung erzielte der MDK insofern auch einen Konsens mit den Klinikverantwortlichen. Der Gutachter verständigte hierüber die Beklagte in seinem Gutachten vom 14.06.2017 und teilte ihr auch mit, dass der Kläger seine Rechnung entsprechend ändern werde.

In der Folge stornierte der Kläger auf Basis des mit dem MDK erzielten Einvernehmens seine ursprüngliche Rechnung und stellte der Beklagten mit Schreiben vom 26.06.2017 unter Berücksichtigung der Prozedur OPS 8-981.1 und in der Folge der DRG B39B insgesamt 12.665,31 Euro in Rechnung. Die Beklagte verweigerte die Zahlung der Differenz in Höhe der streitgegenständlichen 2.732,86 Euro. Die Nachforderung des Klägers sei gemäß § 7 Abs. 5 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) ausgeschlossen.

Am 24.10.2017 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Regensburg. Zur Begründung trug er vor, er habe seine Schlussrechnung innerhalb von knapp vier Monaten korrigiert. Die Nachberechnung sei weder durch den Grundsatz von Treu und Glauben noch durch § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV ausgeschlossen. Die Vorschrift treffe nur dahingehend eine Regelung, wann Korrekturen oder Ergänzungen in die laufende Prüfung einzubeziehen seien. In diesem Zusammenhang seien auch die Sätze 3 und 4 der Vorschrift zu lesen.

Der Kläger beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.732,86 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem 18.07.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft hätten zur Abwicklung eines effizienten konsensorientierten Verfahrens der Prüfungen nach § 275 SGB V die ab 01.01.2017 geltende PrüfvV gemäß § 17c Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) vereinbart. Danach sei die Korrektur von Datensätzen nur einmalig möglich. Die Korrekturen von Daten habe der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens an die Krankenkasse erfolgten. Sollte eine Begutachtung durch den MDK, wie vorliegend, vor Ablauf der fünf Monate erfolgen, sei eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich. In den Fällen der Prüfung vor Ort fänden die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich sei. Vorliegend habe eine Begehung am 31.05.2017 durch den MDK stattgefunden. An diesem Tag sei die Prüfung auch abgeschlossen worden. Die Korrektur der Klägerin vom 28.06.2017 sei mithin zu spät erfolgt.

Zur weiteren Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie auf den Inhalt der Akte zu diesem Verfahren Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zum sachlich (§ 51 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und örtlich (§ 57 SGG) zuständigen Sozialgericht Regensburg erhobene Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig und begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 2.732,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.07.2017.

Die Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Vergütungsanspruch ergibt sich aus § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der maßgeblichen Pflegesatzvereinbarung. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse gegenüber dem Krankenhaus entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Behandlung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wurde und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R). Die Notwendigkeit der stationären Behandlung ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht strittig.

Die Höhe des Vergütungsanspruchs ergibt sich gemäß § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG in Verbindung mit §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntGG aus einem diagnosebezogenen, pauschalierenden Vergütungssystem, bestehend aus einer Fallpauschalenvereinbarung (FPV) und einem Fallpauschalenkatalog (G-DRG), hier in der im Jahr 2017 geltenden Fassung. Dem liegt ein System zugrunde, bei dem in einem als "Groupierung" bezeichneten Prozess aus den ermittelten Diagnosen, Operationen und Prozeduren mithilfe eines zertifizierten Software-Programms unter Einbeziehung von weiteren Variablen (Alter des Patienten, Verweildauer usw.) eine DRG-Pauschale und die dafür zu zahlende Vergütung ermittelt werden (vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R). Die maßgeblichen Vergütungsregelungen, insbesondere die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR), sind eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen haben außer Betracht zu bleiben. Denn eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit lernendes System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011, a. a. O., m. w. N.).

Vorliegend hat der Kläger von diesen Grundsätzen ausgehend seine auf die DRG B39C gestützte Rechnung vom 07.03.2017 nachträglich korrigiert und nunmehr mit Rechnung vom 26.06.2017 unter Ansatz der DRG B39B die Vergütung der stationären Krankenhausbehandlung der Versicherten von der Beklagten begehrt.

Diese nachträgliche Rechnungskorrektur war entgegen der Ansicht der Beklagten auch zulässig. Der Anspruch ist unstreitig weder verwirkt noch verjährt. Streitig ist allein die Frage, ob die Korrektur durch das Krankenhaus gemäß § 7 Abs. 5 PrüfvV ausgeschlossen ist.

Nach § 275 Abs. 1c SGB V ist bei Krankenhausbehandlung nach § 39 eine Prüfung nach Abs. 1 Nr. 1 zeitnah durchzuführen. Die Prüfung nach Satz 1 ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen. Nach § 17c Abs. 2 KHG in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen vom 21.07.2012 (BGBl., S. 1613) regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die DKG das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V; in der Vereinbarung sind abweichende Regelung zu § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V möglich. Dabei haben sie insbesondere Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, über das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des MDK, über den Zeitpunkt der Beauftragung des MDK, über die Prüfungsdauer, über den Prüfungsort und über die Abwicklung von Rückforderungen zu treffen. Dadurch sollte die Zusammenarbeit der Krankenhäuser und Krankenkassen effektiver und konsensorientierter gestaltet werden. Unter anderem sollte durch eine Verständigung zur Dauer der Prüfung eine Beschleunigung des Prüfverfahrens erreicht werden.

Auf der Grundlage dieser Vorschrift vereinbarten der GKV-Spitzenverband und die DKG am 03.02.2016 das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V in der aktualisierten PrüfvV. Gemäß § 7 Abs. 5 PrüfvV neuer Fassung (n. F.) sind Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig möglich. Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Abs. 2 an die Krankenkasse erfolgen. Sollte eine Begutachtung durch den MDK vor Ablauf der Frist des Satzes 2 beendet sein, ist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich. In Fällen der Prüfung vor Ort finden die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich ist.

Vorliegend hat die Klägerin ausweislich des MDK-Gutachtens am Tag der Vor-Ort-Prüfung im Krankenhaus, am 31.05.2017, eine Änderung des OPS vorgenommen, konkret von der zunächst gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB V gemeldeten Prozedur 8-981.0 zur Prozedur 8-981.1. Eine solche Korrektur ist gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 PrüfvV n.F. - wie geschehen - einmalig möglich. Die Korrektur erfolgte auch fristgerecht gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort gegenüber dem Sachverständigen des MDK gemäß § 7 Abs. 5 Sätze 3 und 4 PrüfvV. Eine Verzögerung des Prüfverfahrens wurde dadurch gerade ausgeschlossen, da der ärztliche Sachverständige die durch die Klinik geänderte Prozedur noch in seine Bewertung mit einfließen lassen konnte. Insofern wurde laut Gutachten vom 14.06.2017 ein Konsens zwischen Gutachter und Klinik im Rahmen der Fallbesprechung erzielt.

Insofern ist es auch unschädlich, dass die korrigierte Rechnung der Klägerin erst am 26.06.2017 der Beklagten übermittelt wurde. Denn bei der Übersendung einer Rechnung handelt es sich nicht um eine von § 7 Abs. 5 PrüfvV erfasste Korrektur oder Ergänzung eines Datensatzes. § 7 Abs. 5 Satz 4 PrüfvV erklärt Satz 2 mit der Maßgabe für anwendbar, dass Korrekturen nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich sind. Insofern kann Adressat der Korrektur nicht wie in Satz 2 erwähnt die Krankenkasse, sondern nur der Prüfer vor Ort sein.

Aufgrund des in Übereinstimmung mit § 7 Abs. 5 PrüfvV erfolgten Verfahrensablaufs kann offenbleiben, ob vorliegend eine Korrektur außerhalb des Prüfanlasses erfolgte und insoweit schon aus diesem Grund in Übereinstimmung mit dem Urteil des SG Reutlingen vom 11.01.2017 (Az. S 1 KR 3109/15) eine Korrektur durch den Kläger möglich war. Dafür spricht vorliegend viel, weil der Prüfauftrag lediglich die Fragen primäre Fehlbelegung und Überschreitung der oberen Grenzverweildauer umfasste. Darüber hinaus kann auch offenbleiben, ob nicht ohnehin eine zulässige Erweiterung des Prüfauftrages gemäß § 7 Abs. 5 Satz 5 erfolgte. Darüber hinaus teilt das Gericht auch die Zweifel des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (siehe Beschluss vom 13.08.2018, Az. L 5 KR 155/18, Rn. 15) bezüglich der Frage, ob eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist zur nachträglichen Rechnungskorrektur innerhalb der (noch) vierjährigen Verjährungsfrist durch die PrüfvV überhaupt von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG gedeckt wäre. Dies war jedoch nicht mehr zu entscheiden.

Damit besteht der von der Klägerin geltend gemachte Vergütungsanspruch in streitgegenständlicher Höhe.

Zinsen schuldet die Beklagte gemäß den Regelungen der Pflegesatzvereinbarung. Nach diesem Vertrag sind Krankenhausrechnungen drei Wochen nach Zugang der Rechnung bei der Krankenkasse zur Zahlung fällig. Ab dem Fälligkeitstag sind die Rechnungsbeträge ohne weitere Mahnung zu verzinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, § 21 Pflegesatzvereinbarung.

Mit einer Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 SGG waren die Beteiligten einverstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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