Kommunales

Nicht allen Pflegerinnen in deutschen Krankenhäusern macht ihr Beruf Freude. Foto: dpa/Christophe Gateau

19.06.2019

CSU-Zoff um Pflege-Volksbegehren

Kommunale Verbände streiten über Plebiszit, das Kliniken mehr Pfleger bringen soll

Als erster wichtiger CSU-Politiker stellt sich Josef Mederer, Präsident des oberbayerischen Bezirkstags, hinter das Volksbegehren „Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern“. Er geht damit nicht nur auf Konfrontation zu seiner eigenen Partei, sondern auch zum Landkreistag sowie der Spitze des bayerischen Bezirketags.

In vielen Krankenhäusern gibt es zu wenig Personal. Die Initiatoren des bayerischen Volksbegehrens „Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern“ wollen das ändern. Sie fordern unter anderem mehr Pflegepersonal und einen festen Personal-Patienten-Schlüssel. So sollen die Versorgung der Patienten verbessert und die Pflegekräfte entlastet werden.

Doch das unter anderem von SPD, Linken, Grünen und der Gewerkschaft Verdi getragene Bündnis, das nach eigenen Angaben mehr als 100 000 Unterschriften gesammelt hat, bekam zuletzt massiv Gegenwind. Das CSU-geführte bayerische Innenministerium hatte dessen Rechtmäßigkeit angezweifelt und es dem bayerischen Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Auch von kommunalen Verbänden und Körperschaften gibt es Widerstand.

Als Träger vieler Kliniken wären sie von den Auswirkungen der Umsetzung der Forderungen des Bündnisses mitunter massiv betroffen. So stemmt sich etwa der Bayerische Landkreistag gegen das Begehren. Und auch der seit gut einem halben Jahr amtierende Bezirkstagspräsident Franz Löffler (CSU) hatte sich im Mai klar auf die Seite der Staatsregierung, die das Volksbegehren ablehnt, gestellt. „Wir wollen nicht noch mehr Bürokratie. Eher ist die Frage zu stellen, wie wir die Pflegeberufe attraktiver machen können“, sagte er damals. Er stehe mit seiner Meinung nicht alleine da. Die Haltung des bayerischen Bezirketags, der im Juli zur Vollversammlung zusammenkommt, sei: „Wir brauchen das Volksbegehren nicht, um das Thema nach vorne zu bringen.“

"Wir brauchen ein neues Berufsbild in der Pflege"

Doch das sieht sein Vorgänger Josef Mederer (CSU), der den Posten von 2013 bis Ende 2018 innehatte, ganz anders. Der seit 2008 amtierende Präsident des oberbayerischen Bezirkstags sagt im Gespräch mit der Staatszeitung: „Das Ziel des Volksbegehrens ist grundsätzlich unterstützenswert. Überhaupt nichts spricht aus Sicht des Bezirks Oberbayern gegen eine Verbesserung der Pflegesituation.“ Auch die Bayerische Krankenhausgesellschaft halte dieses „für grundsätzlich unterstützenswert“. Mederer ist überzeugt: „Wir müssen die im Volksbegehren geforderte Erhöhung der Ausbildungszahlen sowie die Initiative zur Wertschätzung der Pflege erreichen. Wir brauchen auch ein neues Berufsbild in der Pflege.“

Offen widerspricht er Löfflers Äußerungen zum Volksbegehren „Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern“. Der 70-jährige Mederer, der seit fünf Jahrzehnten ehrenamtlich für das Rote Kreuz arbeitet, sagt: „Aus bezirklicher Sicht sind unsere Kliniken und neurologischen Kliniken ohnehin nicht von den Personalforderungen betroffen. Da tue ich mich natürlich leichter, dafür zu sein.“ Und weiter: „Im somatischen Bereich, zu dem etwa orthopädisch-unfallchirurgische, internistische, onkologische oder urologische Kliniken gehören, mag dies anders sein als bei den psychiatrischen und neurologischen Kliniken, für die der Bezirk zuständig ist.“ Von bezirklicher Seite sehe er „die Probleme nicht so, wie sie vielleicht mancher Landrat sehen würde“.

Tatsächlich sieht der bayerische Landkreistag das Volksbegehren sehr kritisch. „Der Pflegenotstand ist ein Riesenthema, das nahezu alle Kreiskliniken betrifft. Das Volksbegehren kann darauf aber keine Antwort geben“, sagt dessen Präsident Christian Bernreiter (CSU) der Staatszeitung. Für ihn ist klar: „„Im Prinzip verschärft das Volksbegehren die ohnehin angespannte Situation zusätzlich. Die darin vorgesehenen starren Personalquoten und -untergrenzen führen im ländlichen Raum zu einem Fiasko.“ Schließlich sei der Arbeitsmarkt „ja förmlich leer gefegt“.

In Bayerns Kliniken sollen 12.000 Pfleger fehlen

„Woher wollen Sie denn die Pflegekräfte nehmen?“, fragt Bernreiter. Quoten seien „das falsche Instrument“. Der Beruf müsse attraktiver werden, damit wieder mehr Menschen den Pflegeberuf ergriffen. „Dabei geht es keinesfalls nur um monetäre Fragen, sondern vor allem um die Wertschätzung und die Zeit“, sagt der Landkreistags-Boss. Er fordert Entlastungen der Pfleger – etwa bei den Dokumentationspflichten. Um den Krankenschwestern mehr Zeit zu verschaffen, seien vor allem die Kassen gefordert. Ihre „Fallpauschalen“ limitieren die Zeit, die ein Pfleger für seine Patienten aufwenden dürfe, zu streng. „Zudem ist das Volksbegehren deswegen problematisch, weil der eigentliche Adressat der Bund sein müsste.“ Dieser sei der Hauptverantwortliche „beim Drama im Gesundheitswesen“. In den Kreisen müssten „wir uns seit Jahren immer wieder aufs Neue überlegen, wie wir trotz Berliner Beschlüsse eine adäquate medizinische Versorgung unserer Bevölkerung aufrechterhalten können“.

Doch wie sieht man das Problem in Bayerns Großstädten? Schließlich sollen in Bayerns Krankenhäusern derzeit rund 12.000 Pflegestellen fehlen. Beim Bayerischen Städtetag heißt es auf Anfrage zum Thema lediglich: „Das Volksbegehren greift ein wichtiges Thema auf.“ Eine eindeutige Positionierung sieht anders aus.

CSU-Mann Mederer ist derweil zuversichtlich, dass das Volksbegehren am Ende Erfolg haben könnte: Auch wenn jetzt viele dagegen seien. „Nehmen Sie das Volksbegehren ,Rettet die Bienen’.“ Da habe es anfangs auch erhebliche Widerstände gegeben – von maßgeblichen Verbänden und auch der Staatsregierung. Und am Ende habe diese „bei ihren Maßnahmen die ursprünglichen Forderungen des Begehrens teilweise noch überholt“.

Seit dieser Woche muss sich allerdings erst einmal der bayerische Verfassungsgerichtshof mit der Rechtmäßigkeit des Begehrens beschäftigen – ein Urteil soll im Juli fallen. (Tobias Lill)

Kommentare (1)

  1. frecherfindus am 26.06.2019
    Um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, benötigen wir eben mehr Personal. Hier geht es um geregelte Arbeitszeiten, Vermeidung von Überstunden, kein" Holen aus dem frei" oder einfach um normale Arbeitsbedingungen sodass man nicht ständig denkt, dass man seiner Arbeit schon wieder nicht ordentlich nachkommen konnte. Auch Dokumentationsassistenten oder Stationssekretärinnen wären hilfreich. Aber auch da wird zu wenig von Seiten der Arbeitgeber getan. Die müssen sparen. Und so geht das Elend immer weiter und weiter. Ich habe das Volksbegehren aktiv beworben und 3000 Unterschriften gesammelt. Ich sehe einfach keinen anderen Weg mehr. Das mit dem Pflegeberuf attraktiver machen höre ich schon seit Jahrzehnten und es ist immer noch schlimmer gekommen.
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