Von Hajo Zenker

Notfallpatienten sollen in Zukunft von einer zentralen Anlaufstelle begutachtet werden. Dort wird entschieden, ob der Hilfesuchende tatsächlich sofort vor Ort ambulant oder sogar stationär behandelt werden muss. Oder ob ein Besuch beim Hausarzt am nächsten Tag reicht. Das sieht ein gemeinsames Konzept von Marburger Bund (MB), Verband der Klinikärzte, und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV), Vertretung der Praxisärzte, vor.

An einem sogenannten gemeinsamen Tresen wird eingeschätzt, wie behandlungsbedürftig der Patient tatsächlich ist. „Dabei gilt auch bei der Versorgung im Akutfall der Grundsatz: ambulant vor stationär. Beide Seiten unterstützen dies ausdrücklich“, sagt KBV-Chef Andreas Gassen. Der Tresen fungiert als erste Anlaufstelle für alle gehfähigen Notfallpatienten. Es müsse Schluss sein mit der Überlastung der Notaufnahmen in Krankenhäusern durch „Fehlinanspruchnahme“, betont der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke. Hilfesuchende, die schwer krank oder verletzt seien, müssten ohne Verzögerung behandelt werden können. Derzeit seien viele Rettungsstellen durch minder schwere Fälle oder gar Bagatellen völlig überlaufen. Viele Patiente sitzen in der Notaufnahme, weil sie noch keinen Termin bei einem Facharzt bekamen oder gerade Zeit haben, um sich einmal anschauen zu lassen. Oft kommen Patienten in der Annahme, im Krankenhaus eine qualifiziertere Behandlung als bei einem Praxisarzt zu erhalten.

Seit Jahren werden die Notaufnahmen vieler Krankenhäuser immer voller, während der Bereitschaftsdienst der Praxisärzte immer weniger genutzt wird. Viele Patienten schätzen ihre Lage falsch ein, andere finden den Gang ins Krankenhaus bequemer. Nun soll gegengesteuert werden. Deshalb warte man jetzt „mit Spannung auf den Gesetzentwurf“ von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), so Gassen. Der Minister hat „eine große Reform“ angekündigt. Bisher gibt es jedoch nur ein Eckpunktepapier vom Ende vergangenen Jahres, das ebenfalls eine zentrale Anlaufstelle mit gemeinsamem Tresen vorsieht, die Notfallversorgung aber zu einem eigenständigen medizinischen Leistungsbereich machen will.

Das allerdings lehnen MB und KBV ab. Rudolf Henke, der auch für die CDU im Gesundheitsausschuss des Bundestages sitzt, warnt seinen Parteifreund Jens Spahn vor „unnötiger Bürokratisierung“. Stattdessen solle das Gesetz auf die Kooperationsbereitschaft von Klinik- und Praxisärzten setzen und „ihnen möglichst viel Freiraum bei der Gestaltung der am Ort besten Versorgung“ geben.