70.500 BeschäftigteGesundheits- und Sozialwesen ist größte Branche in Köln

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Eine Krankenschwester begleitet einen älteren Mann mit Rollator

Eine Krankenschwester begleitet einen älteren Mann mit Rollator

Köln – Das Gesundheits- und Sozialwesen in Köln boomt. Waren 2008 noch gut 47.900 Menschen beispielsweise in Krankenhäusern, Arztpraxen oder in der Pflege beschäftigt, arbeiteten 2018 bereits knapp 70.500 Menschen in diesen Bereich. Das ist ein Plus von 47 Prozent, heißt es in einem Papier des Kölner Amts für Statistik, das im Sozialausschuss vorgestellt wurde.

Damit hat sich das Gesundheits- und Sozialwesen zur größten Branche in Köln entwickelt – noch vor dem Handel, der auf 68.000 Mitarbeiter kommt. Der Zuwachs liegt sogar über dem Schnitt in NRW (plus 39 Prozent) und dem Bund (plus 35 Prozent). „Ich bin erstaunt und erfreut, wie gut die Branche wächst“, sagte Ratsfrau Ursula Gärtner (CDU).

Bedeutender Standort in Deutschland und Europa

Der Bericht weist die Stadt als Gesundheitsmetropole mit 30 Kliniken mit 7100 Betten, 2100 Arztpraxen, 210 Pflegeeinrichtungen und 270 Apotheken aus. „Köln zählt als Zentrum der Gesundheitsregion Rheinland zu den bedeutendsten Standorten der Gesundheitswirtschaft in Deutschland und Europa“, schreiben die Autoren. Denn zur Kranken- und Pflegeversorgung kommen noch zahlreiche Forschungseinrichtungen wie die Max-Planck-Institute, die Deutsche Zentralbibliothek für Medizin oder die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Die Zahlen

70489 Menschen sind in Köln im Gesundheits- und Sozialwesen beschäftigt (2008: 47940).

Davon 22923 in Krankenhäusern (2008: 16757),

10635 in Arztpraxen (2008: 8136),

9309 in Pflege, Alten- und Behindertenheimen (2008: 5183).

73 % aller Beschäftigten sind Frauen. In allen Branchen sind es in Köln 46 Prozent.

36600 Menschen in Köln sind pflegebedürftig – ein Anstieg gegenüber 2009 von 14000 beziehungsweise 62 Prozent.

Insgesamt verzeichneten die Krankenhäuser einen hohen Beschäftigungszuwachs. Hier arbeiten 22.900 Menschen, 36,8 Prozent mehr als noch 2008. In Arzt- und Zahnarztpraxen waren es 10.600 Arbeitnehmer (plus 30,7 Prozent), im sonstigen Gesundheitswesen 6600 (plus 108 Prozent). Pflegeheime kamen auf 1800 Beschäftigte (plus 42,8 Prozent) und Altenheime auf gut 1000 (plus 51,8 Prozent).

Auf Menschen als Arbeitnehmer angewiesen

Der Boom ist für Andreas Beivers, Studiendekan für Gesundheitsökonomie an der Hochschule Fresenius, keine Überraschung. Während Einzelhandel und Industrie in der Vergangenheit Jobs ins Ausland verlagerten oder durch Maschinen ersetzten, sei die Gesundheitswirtschaft auf Menschen als Arbeitnehmer angewiesen.

Zudem werde die Bevölkerung immer älter: „Der demografische Zug rollt auf uns voll zu.“ Die Zahl der Senioren wachse, auch die Anzahl der pflegebedürftigen Menschen hat sich laut Kölner Bericht um 14.000 Menschen auf 36 600 seit 2009 in der Stadt erhöht. Der Bedarf werde künftig wachsen, so Beivers. Allein die Herausforderung, an Demenz erkrankte Menschen zu betreuen , sei immens.

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Der Trend könnte nur durch den Fachkräftemangel gebremst werden. „Der Markt ist kurzfristig dicht“, sagt Beivers. Ähnlich sehen das die Kölner Betriebe im Gesundheitsbereich. 65 Prozent machen ein Problem für ihre Handlungsfähigkeit aus, 30 Prozent rechnen aber mit einer steigende Nachfrage in der Zukunft. Bundesweit werden 80.000 Vollzeitkräfte fehlen, in Köln soll das Defizit zwischen 1100 und 1800 liegen. Helfen wird Experten Beivers zufolge nur eine bessere Bezahlung der Arbeitnehmer und mehr ausländische Arbeitnehmer, die angeworben werden müssten. „Ohne Zuwanderung wird das nicht funktionieren.“

Mit 73 Prozent arbeiten Frauen überdurchschnittlich oft im Gesundheits- und Sozialbereich. Im Durchschnitt aller Branche in Köln liegt der Frauenanteil bei 46 Prozent. Mit 41 Prozent der Beschäftigten, die im Gesundheitswesen in Teilzeit arbeiten, liegt der Anteil 13 Prozent höher wie in der Gesamtwirtschaft. Auch hier sind Frauen öfter betroffen als Männer.

Für Jörg Detjen (Linke) kann das aber der Einstieg in sozial prekäre Beschäftigungsverhältnisse sein, die häufig Frauen treffen. Denn Frauen arbeiten auch häufiger in nicht-akademischen Berufen, also etwa Pflegehelfer oder Therapeuten, und verdienen schlechter. Wer obendrein noch in Teilzeit arbeitet, weil er zum Beispiel ein Kind betreuen muss, wird nicht nur heute schlechter entlohnt, sondern erhält künftig eine geringere Rente, so Detjen. „Das schlägt am Ende voll durch.“

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