Bielefeld/Herford "Kopfgeld": OWL-Kliniken werben sich Ärzte gegenseitig mit Fangprämien ab Carsten Heil Bielefeld/Herford (nw). Die Situation im Gesundheitswesen wird immer verrückter. Das Klinikum Herford zahlt seinen Mitarbeitern ab Juli eine Art Kopfgeld, wenn es ihnen gelingt, neue Kolleginnen und Kolleginnen für das Haus zu gewinnen. Kein Einzelfall. Auch andere Krankenhäuser in OWL zahlen, wenn eine Fachkraft erfolgreich von der Nachbarklinik abgeworben wird. Vor allem für Oberärzte sind die Prämien hoch. Dabei gab es in Deutschland noch nie so viele Ärzte wie derzeit. Der Ärzte- und Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist in aller Munde. 8.000 Euro zahlt das Klinikum Herford ab Juli seinen Mitarbeitern, wenn sie einen Arzt eines anderen Hauses dazu bewegen, auf eine ausgeschriebene Oberarztstelle ins Klinikum zu wechseln. Für eine Hebamme gibt es 6.000 Euro. Für Pflegekräfte, Radiologieassistenten und Assistenzärzte mit guten Deutschkenntnissen 4.000 Euro. Kritik an "Wildwest-Methoden" „Bevor wir eine Personalagentur einschalten, zahlen wir das Geld lieber an die eigenen Mitarbeiter", begründet der kommissarische Geschäftsführer des 800-Betten-Hauses, Armin Sülberg, die Idee. Erst vor kurzem musste er die Geburtshilfe in Herford für fünf Tage schließen, weil Hebammen fehlten. Konkurrent Georg Rüter verzeichnet schon vermehrt Anrufe mit Angeboten aus Herford bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Als Geschäftsführer des katholischen Klinikverbundes Franziskus in Bielefeld, Mathilde in Herford, St. Vinzenz in Rheda und Vorsitzender des Zweckverbandes Gemeinnütziger Krankenhäuser im Münsterland und Ostwestfalen kennt er die Situation: „Die Fangprämien werden Alltag in der gesamten Branche, im Rheinland wie in Ostwestfalen." Er bezeichnet den Kampf um Fachkräfte als „Wild-West". Für qualifizierte Ärzt würde das drei bis vierfache des Tarfifgehaltes gezahlt. Nur um Stellen zu besetzen. Die Fluktuation der Mitarbeiter habe entsprechend extrem zugenommen. Rüter: „Wir machen das nicht." Für das St. Vinzenz-Krankenhaus in Paderborn ist das nicht neu. Seit drei Jahren gibt es dort das Programm „Mitarbeiter werben Mitarbeiter". Die Prämien sind allerdings nicht so hoch wie in Herford. 1.000 Euro gibt es für einen vermittelten Kollegen in Vollzeit, 500 für Teilzeit. Unabhängig von der Qualifikation der Stelle. Nie gab es so viel Ärzte wie heute Dabei stellt sich vor allem bei Ärzten längst Frage, warum so viel über deren Mangel gesprochen wird und sie so hoch dotiert werden müssen. Nie gab es so viele ausgebildete und arbeitende Mediziner im Land wie heute. Nach Zahlen der Bundesärztekammer praktizieren aktuell 392.402 Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. Nur 333.600 waren es 2010 und im Jahr 2000 lediglich 294.676. Die summierten Personalkosten für Ärzte haben die der Pflegerinnen und Pfleger - eine sehr viel größere Zahl - vor wenigen Jahren überholt, sagen viele Bilanzen. Krankenhausmanager Georg Rüter ist der Ansicht: „Wir haben keine Ärztemangel. Die Mediziner sind nur falsch verteilt."
Bielefeld/Herford

"Kopfgeld": OWL-Kliniken werben sich Ärzte gegenseitig mit Fangprämien ab

Klinikärzte sind auch in OWL dringend gesucht. Krankenhäuser werben sie sich gegenseitig ab. © dpa

Bielefeld/Herford (nw). Die Situation im Gesundheitswesen wird immer verrückter. Das Klinikum Herford zahlt seinen Mitarbeitern ab Juli eine Art Kopfgeld, wenn es ihnen gelingt, neue Kolleginnen und Kolleginnen für das Haus zu gewinnen. Kein Einzelfall. Auch andere Krankenhäuser in OWL zahlen, wenn eine Fachkraft erfolgreich von der Nachbarklinik abgeworben wird. Vor allem für Oberärzte sind die Prämien hoch. Dabei gab es in Deutschland noch nie so viele Ärzte wie derzeit.

Der Ärzte- und Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist in aller Munde. 8.000 Euro zahlt das Klinikum Herford ab Juli seinen Mitarbeitern, wenn sie einen Arzt eines anderen Hauses dazu bewegen, auf eine ausgeschriebene Oberarztstelle ins Klinikum zu wechseln. Für eine Hebamme gibt es 6.000 Euro. Für Pflegekräfte, Radiologieassistenten und Assistenzärzte mit guten Deutschkenntnissen 4.000 Euro.

Kritik an "Wildwest-Methoden"

„Bevor wir eine Personalagentur einschalten, zahlen wir das Geld lieber an die eigenen Mitarbeiter", begründet der kommissarische Geschäftsführer des 800-Betten-Hauses, Armin Sülberg, die Idee. Erst vor kurzem musste er die Geburtshilfe in Herford für fünf Tage schließen, weil Hebammen fehlten.

Konkurrent Georg Rüter verzeichnet schon vermehrt Anrufe mit Angeboten aus Herford bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Als Geschäftsführer des katholischen Klinikverbundes Franziskus in Bielefeld, Mathilde in Herford, St. Vinzenz in Rheda und Vorsitzender des Zweckverbandes Gemeinnütziger Krankenhäuser im Münsterland und Ostwestfalen kennt er die Situation: „Die Fangprämien werden Alltag in der gesamten Branche, im Rheinland wie in Ostwestfalen."

Er bezeichnet den Kampf um Fachkräfte als „Wild-West". Für qualifizierte Ärzt würde das drei bis vierfache des Tarfifgehaltes gezahlt. Nur um Stellen zu besetzen. Die Fluktuation der Mitarbeiter habe entsprechend extrem zugenommen. Rüter: „Wir machen das nicht." Für das St. Vinzenz-Krankenhaus in Paderborn ist das nicht neu. Seit drei Jahren gibt es dort das Programm „Mitarbeiter werben Mitarbeiter". Die Prämien sind allerdings nicht so hoch wie in Herford. 1.000 Euro gibt es für einen vermittelten Kollegen in Vollzeit, 500 für Teilzeit. Unabhängig von der Qualifikation der Stelle.

Nie gab es so viel Ärzte wie heute

Dabei stellt sich vor allem bei Ärzten längst Frage, warum so viel über deren Mangel gesprochen wird und sie so hoch dotiert werden müssen. Nie gab es so viele ausgebildete und arbeitende Mediziner im Land wie heute. Nach Zahlen der Bundesärztekammer praktizieren aktuell 392.402 Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. Nur 333.600 waren es 2010 und im Jahr 2000 lediglich 294.676.

Die summierten Personalkosten für Ärzte haben die der Pflegerinnen und Pfleger - eine sehr viel größere Zahl - vor wenigen Jahren überholt, sagen viele Bilanzen. Krankenhausmanager Georg Rüter ist der Ansicht: „Wir haben keine Ärztemangel. Die Mediziner sind nur falsch verteilt."

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