Missbrauchsskandal in Homburg Uniklinik informierte Behörden nicht über Verdacht

Saarbrücken/Homburg · Laut Gesetz hätte sie sich an das Gesundheitsministerium und das Landessozialamt wenden müssen – das unterblieb angeblich.

 Der Direktor der Klinik steht jetzt im Fokus der Ermittler.

Der Direktor der Klinik steht jetzt im Fokus der Ermittler.

Foto: BeckerBredel

Der mutmaßliche Missbrauchsskandal in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Homburg wirft immer mehr Fragen auf. Nach SZ-Informationen kam die Uniklinik nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Jahr 2014 ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nach, die Krankenhausaufsicht im Gesundheitsministerium und das für die ärztlichen Approbationen zuständige Landesamt für Soziales zu informieren.

Das Saarländische Krankenhausgesetz schreibt vor, dass „bei begründetem Verdacht auf einen Verstoß gegen Berufspflichten der Ärztinnen und Ärzte“ die Krankenhausaufsicht, das Landesamt und die Ärztekammer „unterrichtet“ werden müssen. Die Ärztekammer des Saarlandes wurde im Dezember 2014 über den Verdacht gegen den Assistenzarzt informiert, der seit 2010 an der Uniklinik arbeitete und Kinder sexuell missbraucht haben soll – sie riet nach eigenen Angaben dringend zu sofortiger Strafanzeige und arbeitsrechtlichen Schritten. Allerdings: Weil der Arzt damals bereits in Kaiserslautern arbeitete, waren die zu benachrichtigenden Kammern laut Saar-Ärztekammer diejenigen in Rheinland-Pfalz.

Der Staatssekretär im Saar-Gesundheitsministerin, Stephan Kolling (CDU), sagte auf Anfrage: „Wir wurden zu keinem Zeitpunkt informiert.“ Das hätten Nachforschungen ergeben, nachdem das Gesundheitsministerium im April 2019 von Staatskanzlei-Chef Jürgen Lennartz (CDU) Kenntnis von den Vorfällen erlangt habe.

Daraufhin habe man direkt die Leitung der Uniklinik um eine Stellungnahme gebeten. Das Landesamt für Soziales habe zudem den Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Professor Dr. Alexander von Gontard, angeschrieben und ihn um eine Stellungnahme gebeten. Auf Nachfrage bestätigte das Gesundheitsministerium, dass das Approbationsreferat des Landesamtes für Soziales, das zuständig für Erteilung und Entzug der Zulassung als Arzt ist, ein Verfahren gegen von Gontard führt.

Gegen von Gontard hat zudem die Rechtsaufsicht über die Uniklinik, die in der Staatskanzlei angesiedelt ist, ein Disziplinarverfahren eingeleitet – weil angeblich konkrete Maßnahmen zum Kinderschutz und der Patientenfürsorge in der Ambulanz lange Zeit unterblieben sein sollen.

Zudem liegt inzwischen eine Strafanzeige der Opfer-Anwältin Claudia Willger gegen Klinikdirektor von Gontard vor. Willger stellte zudem Strafanzeige gegen die Justiziarin der Uniklinik, die ehemalige Vorgesetzte des Assistenzarztes (Oberärztin) und die Staatsanwältin, die das Ermittlungsverfahren gegen den 2016 verstorbenen Assistenzarzt führte.Nach  Willgers Ansicht haben Klinik-Verantwortliche ihre Aufsichtspflicht gegenüber dem Arzt verletzt. Der Justiziarin wirft sie vor, dafür gesorgt zu haben, dass die Eltern der betroffenen Kinder nicht informiert wurden. Die Staatsanwaltschaft hätte aus ihrer Sicht intensiver ermitteln müssen.

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