L 9 KR 203/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 15 KR 62/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 203/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Abrechnungsbestimmungen des OPS sind streng nach ihrem Wortlaut auszulegen und zu handhaben.
2. "Multimodale Komplexbehandlung" erfordert mehr als unimodale Behandlungsansätze, die unabhängig von einander zur Anwendung gelangen. Erforderlich ist eine planende Abstimmung der verschiedenen an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen untereinander, die sich in der Dokumentation der wöchentlichen Teambesprechung niederschlagen muss.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Mai 2014 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.895,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2010 zu zahlen. Insoweit wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rückzahlung der Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung in Höhe von noch 5.895,16 Euro.

Der bei der Klägerin krankenversicherte und im Jahre 1950 geborene B befand sich vom 15. Januar 2009 (Donnerstag) bis zum 2. Februar 2009 (Montag) in stationärer Behandlung in dem von der Beklagten getragenen A. Die Aufnahme erfolgte am 15. Januar 2009 im Wege der Verlegung aus dem J-Krankenhaus in B "zur weiteren Parkinsontherapie-Optimierung" mit der Hauptdiagnose "Primäres Parkinson-Syndrom mit schwerster Beeinträchtigung: Mit Wirkungsfluktuation". Während des stationären Aufenthalts wurde die Medikation des Versicherten umgestellt (Beginn einer anticholinergen Therapie mit Biperiden), was zu einem "deutlichen Benefit" führte, da er u.a. bezüglich des Tremors in den oberen Extremitäten bei Entlassung beschwerdefrei war (Entlassungsbrief vom 2. Februar 2009).

Der bei der Patientenakte des Versicherten befindliche "Dokumentationsbogen –Komplexbehandlung – Morbus Parkinson" verzeichnet für die Tage 19. Januar 2009 bis 23. Januar 2009 und 26. Januar 2009 bis 30. Januar 2009 (jeweils Montag bis Freitag) jeweils täglich Behandlungen in den Therapiebereichen Physiotherapie, Ergotherapie und Psychotherapie, außerdem eine Ergotherapieeinheit am 24. Januar 2009. Diese Übersicht entspricht nicht vollständig den Einträgen auf der täglichen "Fieberkurve". Hier hinterließen die Therapeuten der drei Therapiebereiche ihre Handzeichen an folgenden Tagen:

Erste Woche: Ergotherapie: 19. bis 23. Januar täglich Physiotherapie: 19., 20. Januar Psychotherapie: 19. bis 23. Januar täglich

Zweite Woche: Ergotherapie: 26. bis 30. Januar täglich Physiotherapie: kein Eintrag Psychotherapie: 26. bis 30. Januar täglich

Auf einem Extrabogen "Physiotherapie" sind mit Handzeichen versehen tägliche Behandlungen vom 19. bis 23. Januar, vom 26. bis 30. Januar und am 2. Februar 2009 dokumentiert.

Unter "Behandlungsziele und Ergebnisse/Teambe¬sprechung" heißt es auf demselben Dokumentationsbogen, jeweils undatiert, ohne Benennung von Teilnehmern der Besprechung und abgezeichnet vom Oberarzt Dipl.-Med. K:

(Erste Behandlungswoche:) "Deutlich herabgesetztes psychisches und motorisches Tempo, Übung von Grobmotorik verbessernden und Feinmotorik fördernden Bewegungsabläufen, allgemeine Mobilisation und Koordinationsübungen"

(Zweite Behandlungswoche:) "Besserung der Mobilität erreicht, noch Phasen von Überbeweglichkeit, Krankheitsverarbeitung bei depressiver Stimmung muss angegangen werden, Besserung alltäglicher Funktionen"

Ihrer an die Klägerin gerichteten Rechnung vom 10. März 2009 über insgesamt 10.681,08 Euro legte die Beklagte die DRG B49Z (Multimodale Komplexbehandlung bei Morbus Parkinson) zugrunde; als Prozedur kodierte sie OPS 8-97d.1:

8-97d Multimodale Komplexbehandlung bei Morbus Parkinson Hinw.: Mindestmerkmale: · Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung (Facharzt für Neurologie) · Wöchentliche Teambesprechung mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele · Vorhandensein mindestens folgender Therapiebereiche: Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie · Einsatz von mindestens 3 Therapiebereichen (Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Sporttherapie, Logopädie, Künstlerische Therapie (Kunst- und Musiktherapie), Psychotherapie) in patientenbezogenen unterschiedlichen Kombinationen von mindestens 7,5 Stunden pro Woche, davon müssen 5 Stunden in Einzeltherapie stattfinden. Einer der eingesetzten Therapiebereiche muss Physiotherapie/Physikalische Therapie oder Ergotherapie sein 8-97d.0 Mindestens 7 bis höchstens 13 Behandlungstage 8-97d.1 Mindestens 14 bis höchstens 20 Behandlungstage

Die Klägerin beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) mit einer Überprüfung dieser Kodierung. In Auswertung der von der Beklagten übersandten Krankenblattunterlagen gelangte der MDK in Gutachten vom 17. Juli 2009 und 12. März 2010 zu der Auffassung, dass der multimodale Charakter der durchgeführten Behandlung in der mangelhaften Dokumentation der Teambesprechung nicht erkennbar sei und daher die Mindestmerkmale der OPS 8-97d nicht erfüllt seien.

Der Aufforderung der Klägerin, eine korrigierte Rechnung einzureichen, kam die Beklagte nicht nach.

Die Klägerin nahm daraufhin eine Korrektur der Rechnung vor und berechnete den Behandlungsfall ohne Komplexbehandlung; sie setzte die DRG B67A an (Morbus Parkinson mit äußerst schweren CC oder schwerster Beeinträchtigung), kodierte OPS 9-404.2 (Neuropsychologische Therapie: Mehr als 4 Stunden) sowie OPS 8-561.1 (Funktionsorientierte physikalische Therapie: Funktionsorientierte physikalische Monotherapie) und ermittelte einen Brutto-Rechnungsbetrag von 4.785,92 Euro (Differenz zu 10.681,08 Euro: 5.895,16 Euro).

Die Beklagte ließ die wiederholte Aufforderung der Klägerin, den Differenzbetrag (5.895,16 Euro) zurückzuzahlen, unbeachtet.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin zunächst die Zahlung von 10.681,08 Euro begehrt, die Klageforderung aber im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens auf 6.195,16 Euro reduziert. In Ermangelung anderer Behandlungsfälle habe eine Verrechnung nicht vorgenommen werden können. Eines der Mindestmerkmale für die Kodierung der OPS 8-97d sei die Dokumentation der wöchentlichen Teambesprechungen mit Behandlungsergebnissen und Behandlungszielen. Diese Dokumentation liege nur unzulänglich vor.

Die Klägerin nimmt insoweit Bezug auf ein im Klageverfahren erstelltes weiteres Gutachten des MDK vom 24. Juli 2012. Darin heißt es in Analyse der von der Beklagten vorgelegten Patientenakte, der multimodale Charakter bzw. Therapieansatz der durchgeführten Komplexbehandlung sei in der Dokumentation nicht erkennbar, weshalb OPS 8-97d nicht kodiert werden dürfe. Zwar sei eine Behandlung des Versicherten in den Therapiebereichen Psychologie/Psychotherapie, Physiotherapie und Ergotherapie dokumentiert, doch die "wochenbezogene Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele" verlange einen Abgleich aller beteiligten Therapeutengruppen über das weitere therapeutische Vorgehen. Ohne diesen Abgleich in der Teambesprechung handele es sich allenfalls um unterschiedliche und nicht verzahnte unimodale Therapieformen, die lediglich gleichzeitig nebeneinander und unabhängig von einander erfolgten.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Parkinson-Komplexbehandlung zu Recht abgerechnet zu haben. Der Versicherte habe durchweg Behandlungen in drei Therapiebereichen erhalten. Zudem hätten stets mittwochs um 13 Uhr wöchentliche Teambesprechungen über Behandlungsziele und -ergebnisse im Beisein sämtlicher Teammitglieder stattgefunden. Die Dokumentationsanforderungen seien erfüllt. In der ersten Woche der Komplexbehandlung hätten nur Behandlungsziele formuliert werden können. Behandlungsergebnisse seien für die zweite Woche niedergelegt worden. Eine Aufgliederung nach einzelnen Therapiebereichen sei nicht erforderlich; ebenso wenig sei vorgeschrieben, dass alle Besprechungsteilnehmer namentlich aufzuführen seien.

Das Sozialgericht hat zur Frage der Kodierung Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, das der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. D (DAG) am 1. August 2013 erstellt hat. Zu Recht habe die Klägerin der Abrechnung die DRG B67A zugrunde gelegt. Denn für die erste Behandlungswoche fehle es an der Dokumentation von Behandlungsergebnissen. Zudem gehe aus der Patientenakte nicht hervor, dass mindestens fünf Therapiestunden in Einzeltherapie durchgeführt worden seien. Selbst wenn man die inhaltlichen Anforderungen an die Komplexbehandlung in der zweiten Behandlungswoche als gegeben ansehe, sei diese nicht nach OPS 8-97d.0 kodierbar, denn erforderlich sei danach die Behandlung an mindestens sieben Tagen.

Mit Urteil vom 8. Mai 2014 hat das Sozialgericht Potsdam der Klage stattgegeben, die Beklagte zur Zahlung von 6.195,16 Euro nebst Zinsen verurteilt und ihr die Kosten des Verfahrens auferlegt. 6.195,16 Euro habe die Klägerin ohne Rechtsgrund an die Beklagte geleistet. Die Mindestmerkmale der OPS 8-97d seien nicht vollständig erfüllt. Die Aufzeichnung über die erste Teambesprechung lasse eine Aussage zum Behandlungsergebnis vermissen. Zweieinhalb Tage nach Therapiebeginn sei eine erste Zusammenfassung zum Stand der Therapie auch machbar gewesen. Für die zweite Behandlungswoche seien zwar sämtliche Mindestanforderungen der OPS 8-97d erfüllt, doch die Anzahl der dokumentierten Therapietage betrage nur fünf und nicht, wie vorgeschrieben, mindestens sieben.

Gegen das ihr am 19. Mai 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. Juni 2014 Berufung eingelegt. Naturgemäß hätten bei der Teambesprechung am 21. Januar 2009 noch keine Ergebnisse der zwei Tage zuvor begonnenen Komplexbehandlung formuliert werden können, denn sämtliche Therapeuten hätten den Versicherten erst zweimal sehen können, wobei die erste Theapieeinheit jeweils der Anamnese gedient hätte. Auch ärztlich sei erst am 20. Januar 2009 eine medikamentöse Umstellung veranlasst worden, deren Ergebnisse tags darauf noch nicht formulierbar gewesen seien. Auch die auf die Besprechung am 21. Januar 2009 formulierten Befunde seien als erstes Ergebnis der bisherigen Behandlung zu werten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Mai 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Klägerin hat im Berufungsverfahren ihre Klage in Höhe von 300,00 Euro zurückgenommen, so dass nun eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 5.895,16 Euro verfolgt wird.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte des Verwaltungsvorgangs der Klägerin und der Patientenakte des Versicherten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat, soweit über sie noch streitig zu entscheiden ist, keinen Erfolg. Richtiger Weise hat die Klägerin ihre Klageforderung im Berufungsverfahren um 300,00 Euro reduziert, denn streitig konnte von vornherein nur der Betrag von 5.895,16 Euro sein, der die Differenz ausmacht zwischen dem von der Klägerin für richtig gehaltenen Brutto-Rechnungsbetrag von 4.785,92 Euro einerseits und der geleisteten Zahlung in Höhe von 10.681,08 Euro andererseits. In Höhe von 5.895,16 Euro nebst Zinsen hat das Sozialgericht die Beklagte zu Recht zur Zahlung verurteilt.

1. Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf Rückzahlung eines Teils der geleisteten Vergütung für die Krankenhausbehandlung eines Versicherten ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, können grundsätzlich zurückgefordert werden (vgl. Urteil des Senats vom 17. Dezember 2014, L 9 KR 324/12, zitiert nach juris, dort Rdnr. 16 m.w.N.).

2. Zur Überzeugung des Senats fehlte es der an die Beklagten gerichteten Leistung in Höhe von 5.895,16 Euro am rechtlichen Grund, denn zu Unrecht hat die Beklagte der Klägerin für die stationäre Behandlung des Versicherten im Zeitraum 15. Januar 2009 bis zum 2. Februar 2009 mehr als 4.785,92 Euro in Rechnung gestellt. Die Abrechnung der DRG B49Z (Multimodale Komplexbehandlung bei Morbus Parkinson) in Verbindung mit OPS 8-97d.1 war fehlerhaft.

a) Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erforderlich und wirtschaftlich ist.

Die Höhe der Vergütung für die Behandlung Versicherter im Jahr 2009 bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie dem der Beklagten nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), jeweils in der 2009 geltenden Fassung. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen [FPV]) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung vereinbaren nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KHEntgG.

Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung. Nach § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV 2009 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH (InEK = Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus), einer gemeinsamen Einrichtung der o.g. Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.

Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (z.B. die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (hier in der Version 2009) sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen OPS (hier in der Version 2009). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind.

Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien und der FPV-Abrechnungs-bestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. zu alledem Urteil des Senats vom 17. Dezember 2014, L 9 KR 324/12, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18 bis 22 m.w.N.).

b) Mit der DRG B49Z wird die "multimodale Komplexbehandlung bei Morbus Parkinson" bezeichnet. DRG B49Z darf nur herangezogen werden, wenn die Voraussetzungen der OPS-Ziffer 8-97d vorliegen, die die Mindestmerkmale einer multimodalen Komplexbehandlung bei Morbus Parkinson verbindlich definiert.

Zur Überzeugung des Senats liegen die Mindestvoraussetzungen der OPS-Ziffer 8.97d bei der gebotenen strengen Orientierung an ihrem Wortlaut nicht vollständig vor, so dass die Beklagte keine multimodale Komplexbehandlung abrechnen durfte:

aa) Dass die stationäre Behandlung des Versicherten durch ein "Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung (Facharzt für Neurologie)" erfolgte, bestreitet auch die Klägerin nicht. Der Patientenakte der Beklagten ist insoweit die Einbindung des Oberarztes K zu entnehmen, eines Facharztes für Neurologie und spezielle neurologische Intensivmedizin. Fachärztlich wurde eine Anpassung der Medikation verfügt, was nach dem Entlassungsbrief vom 2. Februar 2009 insbesondere zum Therapieerfolg beitrug. Auch waren die Therapiebereiche Physiotherapie/Physikali¬sche Therapie und Ergotherapie unstreitig vorhanden. In den drei Therapiebereichen Physiotherapie, Ergotherapie und Psychotherapie wurde im Umfange von mindestens 7,5 Stunden pro Woche behandelt; davon dürften nach den weiteren Erklärungen der Beklagten im Verfahren auch fünf Stunden in Einzeltherapie stattgefunden haben.

bb) Allerdings sieht der Senat das Erfordernis einer "wöchentlichen Teambesprechung mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele" nicht als belegt an. Die in der Patientenakte enthaltenen, im Tatbestand zitierten Besprechungsvermerke sind insoweit nicht ausreichend. So bleibt schon unklar, ob die beiden vom Oberarzt K abgezeichneten Vermerke überhaupt auf eine Teambesprechung zurückgehen. Weiter bleibt offen, welche Berufsgruppen an der jeweiligen wöchentlichen Besprechung teilgenommen haben. Selbst wenn das Regelwerk in Gestalt der OPS-Ziffer 8-97d ausdrücklich weder das Führen eines Protokolls noch das Abzeichnen eines Teambesprechungsprotokolls durch alle anwesenden Teammitglieder verlangt, muss doch irgendwie deutlich werden, ob eine Teambesprechung unter Beteiligung aller relevanten Berufsgruppen (Ärzte, Therapeuten, Pflegekräfte) stattgefunden hat. Erforderlich ist zumindest eine nach Therapierichtungen differenzierende kurze und stichpunktartige Zusammenstellung der bisherigen Behandlungsergebnisse und der weiteren Behandlungsziele, um den Voraussetzungen der OPS-Ziffer 8-97d zu genügen (vgl. insoweit auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Dezember 2016, L 5 KR 4875/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 40 [geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung]).

Weiter sind für die erste Behandlungswoche Behandlungsergebnisse nicht ansatzweise dokumentiert. Immerhin befand der Versicherte sich am mutmaßlichen Besprechungstag Mittwoch, 21. Januar 2009, schon am siebten Tag stationär im Krankenhaus der Beklagten. Es erschließt sich daher nicht, warum nicht auch Behandlungsergebnisse niedergelegt wurden. Dem lässt sich nicht entgegen halten, dass die Komplexbehandlung erst am 19. Januar 2009 begonnen wurde. Denn das Krankenhaus muss ggf. seine Teambesprechungen auf einen Wochentag (z. B. Freitag) legen, der gewährleistet, dass alle Mindestmerkmale der kodierten Prozedur erfüllt werden können.

Ferner lassen die formulierten Behandlungsziele ("Übung von Grobmotorik verbessernden und Feinmotorik fördernden Bewegungsabläufen, allgemeine Mobilisation und Koordinationsübungen") eine Bezugnahme der verschiedenen Therapieansätze aufeinander vermissen und deuten nicht auf eine Multimodalität der Behandlung. Der Patientenakte ist insoweit lediglich zu entnehmen, dass der Versicherte tatsächlich nebeneinander mit Physio-, Ergo- und Psychotherapie behandelt wurde. Allein eine Behandlung durch verschiedene Therapeuten macht die Versorgung aber noch nicht "multimodal"; zu fordern ist vielmehr eine Form von Abstimmung und Planung, die sich in der Dokumentation der wöchentlichen Teambesprechung niederschlagen muss. Daran fehlt es. Es fehlt auch an einer Zuordnung der einzelnen Behandlungsziele zu den verschiedenen Therapieformen. Danach ergibt sich eher das Bild einer jeweils unimodalen Behandlung des Versicherten durch verschiedene Therapeuten unabhängig voneinander. Ebenso wenig lässt der ärztliche Entlassungsbericht vom 2. Februar 2009 auf eine multimodale Behandlung des Versicherten schließen. Unter "Therapie und Verlauf" ist vielmehr nur die Rede von einer medikamentösen Umstellung des Versicherten, von der dieser profitiert habe.

Ob die immer noch sehr knappe Dokumentation für die zweite Behandlungswoche dem Erfordernis der Aufzeichnung "bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele" genügt, kann der Senat offen lassen. Denn jedenfalls umfasste die zweite Behandlungswoche nur sechs Behandlungstage, während OPS 8-97d.0 eine Abrechnung der Komplexbehandlung nur bei mindestens sieben Behandlungstagen gestattet. "Behandlungstage" dürften insoweit nicht mit Belegungstagen gleichzusetzen sein (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 3 KHEntgG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz [SGG]) i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung und folgt dem Ergebnis in der Sache. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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