(17.7.2019) Der Leistungsinhalt der Kombinationsnarkose nach GOP 31822 EBM erfordert eine Narkose, die über die gesamte Dauer der Operation aufrechterhalten wird. Eine Maskenbeatmung im Sinne dieser Ziffer erfordert die Verwendung einer Maske, die die Überwachung der Beatmung in Gestalt der Messung des endexpiratorischen CO2-Wertes ermöglicht (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 20. Februar 2019 – L 4 KA 3/16). Das Bundessozialgericht hat die Revision der Ärztin am 15.7.2020 als unbegründet zurückgewiesen (BSG, Urteil vom 15. Juli 2020 – B 6 KA 24/19 R), so dass die Entscheidung des LSG nun rechtskräftig ist. 

Beatmung eines Patienten bei Narkose durch AnästhesistenDer Fall:

Im Streit stand die Frage, ob eine niedergelassene Anästhesistin für für eine Anästhesieleistung bei Katarakt-Operationen auch im Regelfall die Leistung nach Nr. 31822 (Anästhesie und/oder Narkose mit einer Prüfzeit von 53 Minuten) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM-Ä) oder nur die geringwertigere Leistung nach Nr. 31831 EBM-Ä (Einleitung und Unterhaltung einer Analgesie und/oder Sedierung) abrechnen kann.

Es ging um Anästhesien, bei denen die Ärztin den Patienten zur Vorbereitung der OP jeweils ein Narkosemittel und eine Retrobulbäranästhesie verabreichte und mittels einer einfachen Maske während der OP Sauerstoff gab und dies mit der GOP Nr. 31822 abrechnete.

Die KV sah hier eine Implausibilität. Sie war der Ansicht, dass diese Leistungen der Ärztin nur den Tatbestand der geringwertigeren Leistung nach Nr. 31831 erfülle, ersetzte im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung in der Berechnung die höherwertige Ziffer durch die Ziffer 31831 und forderte Honorare in Höhe von rund 100.000 EUR von ihr zurück. Dagegen wehrte sich die Ärztin gerichtlich. Sie wandte u.a. ein, sie benötige eben nur 25 – 30 Minuten je Anästhesie.

Die Entscheidung:

Das Sozialgericht bestätigte die Honorarrückforderung im wesentlichen. Die Ärztin habe die Leistungslegende des EBM verkannt und fälschlich die höherwertige Ziffer abgerechnet. Statt dieser sei die geringwertigere Ziffer Nr. 31831 anzusetzen, allerdings sei darüber hinaus die Nummer 31820 EBM-Ä jeweils einmal im Behandlungsfall zu zusetzen.

Die Ärztin ging in Berufung.

Das Landessozialgericht folgte dem Sozialgericht.

Denn die Ärztin habe eine über die GOP Nr. 31822 abrechenbare Leistung nicht dokumentiert. Die Anästhesie der Ärztin habe jeweils nur rund 25 Minuten in Anspruch genommen.

Aufgrund der hohen Prüfzeit der Ziffer 31822 von 53 Minuten sei zu erkennen, dass nicht jede Kombinationsnarkose zwecks Durchführung der Retrobulbäranästhesie zur vollständigen Erfüllung des Leistungsinhaltes ausreichte. Zur vollständigen Erfüllung sei eine nur initiale Narkose mit Maske, bei der die Maske verwendet wird, um die Retrobulbäranästhesie zu erleichtern, nicht hinreichend. Vielmehr erfordere die Ziffer 31822, dass die Narkose über die gesamte Dauer der OP aufrechterhalten wird, was hier nicht der Fall war. Auch erfülle die Voraussetzungen der Ziffer 31822 nur eine solche Maske, die die Überwachung der Beatmung (in Gestalt der Messung des endexspiratorischen CO2-Wertes) ermögliche. Auch dies war hier nicht der Fall, da die Ärztin den Patienten lediglich mit einer nicht abdichtenden Maske Sauerstoff verabreichte, die ausgeatmete Luft aber nicht gemessen wurde. Allein die Gabe von Sauerstoff reiche hierfür aber nicht aus, so das LSG.

Praxisanmerkung:

Die Kombinationsnarkose ist eine komplexe und zeitaufwendige anästhesistische Leistung. Die Anästhesistin hat hier die Leistungslegende der höherwertigen Ziffer zu ihren Gunsten missverstanden. Die gerichtliche Entscheidung ist also korrekt.

Das Gericht wies darauf hin, dass es zum Nachweis der Verwendung der Maske im Sinne der Ziffer 31822 ausreichend sei, den CO2-Wert im Narkoseprotokoll fortwährend zu dokumentieren.

Es ist also für den Anästhesisten der sicherste Weg, die Behandlung hier umfassend zu dokumentieren und zu vermerken:

  • die Dauer der Narkose
  • die Verwendung eines Tubus: ja/nein?
  • den endexpiratorischen CO2-Wert.

Diese Abrechnungspraxis hat sogar schon zu Strafermittlungsverfahren gegen Anästhesisten wegen vermeintlichen Abrechnungsbetruges geführt. Wer sich mit einer Plausibilitätsprüfung der Kombinationsnarkose nach GOP 31822 EBM konfrontiert sieht, oder gar schon als Beschuldigter eines Ermittlungsverfahrens wegen Abrechnungsbetruges geführt wird, sollte vor einer Stellungnahme anwaltlichen Rat einholen, um seine Rechte bestmöglich zu wahren.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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