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19.07.2019 | Politik | Nachrichten

Paradigmenwechsel in der Krankenhausfinanzierung

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Martin Heumann, Geschäftsführer des Krankenhauszweckverbandes Rheinland e.V., referiert auf dem 17. Gesundheitspflege-Kongress im November in Hamburg zum „Paradigmenwechsel in der Krankenhausfinanzierung“. Wir wollten schon jetzt von ihm wissen, was er von der Ausgliederung der Pflege aus den Fallpauschalen hält.

Martin Heumann © privat

Halten Sie es für sinnvoll, die Pflege aus dem DRG-System herauszulösen?

Heumann: In der Ausgliederung der Pflege aus den bisherigen Erlösen und der zukünftigen Refinanzierung der tatsächlich entstehenden Pflegepersonalkosten liegt die einzige Chance, die Pflegepersonalkosten – so wie sie entstehen – für alle Häuser kostendeckend zu finanzieren. Ein erstmal verlockender Ansatz. Das setzt aber voraus, dass in der Praxis alles so funktioniert wie es politisch gewollt und theoretisch durchdacht war. Daran muss man als Verhandlungs-Praktiker zweifeln. Gerade die Frage „Was ist Pflege – und was nicht?“ dürfte noch zu Streitereien zwischen den Vertragsparteien auf Bundes-, vor allem aber auf Ortsebene führen. Diese Frage ist von immenser Bedeutung, denn es geht um rund 15 Milliarden Euro, die nun ausgegliedert werden und zunächst einmal nicht mehr wie bisher als Erlöse für die Krankenhäuser zur Verfügung stehen. Stattdessen werden die Pflegepersonalkosten erstattet, die tatsächlich entstehen. Ob dadurch wirklich mehr Geld als bislang bei den Krankenhäusern ankommt oder ob den Krankenhäusern am Ende sogar weniger Geld zur Verfügung steht, kann im Moment niemand beurteilen. Dazu wird man frühestens 2021 Aussagen machen können, wenn erkennbar ist, ob die im Jahr 2020 entstandenen Pflegepersonalkosten die in den bisherigen Entgelten enthaltenen Erlöse für die Pflege übersteigen. Es sollte auch nicht übersehen werden, dass Krankenhäuser – aufgrund des wirtschaftlichen Drucks und der Personalknappheit – vermehrt Strukturen geschaffen haben, in denen pflegenahe Tätigkeiten durch Pflegeassistenten erledigt werden. Hierfür ist die Refinanzierung vom Gesetzgeber auf 3 % des Pflegebudgets begrenzt worden. Dieser Anteil ist für viele Kliniken zu gering, und es ist unverständlich, warum sinnvolle Lösungen nun oftmals nur völlig unzureichend refinanziert werden sollen. Ich halte die Ausgliederung der Pflege für ein waghalsiges Unterfangen, dessen Folgewirkungen kaum eingeschätzt werden können. Der Eingriff in ein grundsätzlich gutes System erscheint überhastet. Und er löst das eigentliche Problem nicht: dass es zu wenig Pflegepersonal gibt.

Wie kann die Wiedereinführung der Selbstkostendeckung finanziert werden?

Heumann: Zunächst stellt sich ja die Frage, ob durch diesen Schritt überhaupt zusätzliche Kosten für die Sozialleistungsträger entstehen. Das ist aus meiner Sicht keinesfalls selbstverständlich. Denkbar ist, dass die Krankenkassen letztlich sogar durch diesen Schritt finanziell entlastet werden und die Krankenhäuser weniger Geld als bislang erhalten, denn schließlich gibt es die Pflegekräfte auf dem Arbeitsmarkt nicht, deren Refinanzierung jetzt versprochen wird. Aber selbst wenn durch die Selbstkostendeckung im Bereich der Pflege höhere Lasten für die Kostenträger entstünden, könnten diese über viele Jahre hinweg durch die milliardenschweren Rücklagen finanziert werden, die die Gesetzlichen Krankenversicherungen mittlerweile auf Halde liegen haben. Würde ein Bruchteil dieser Rücklagen für eine verbesserte Pflege eingesetzt, wären bis auf die Krankenkassen alle glücklich.

Wer gewinnt? Wer verliert?

Heumann: Gewinner werden die Krankenhäuser sein, deren Pflegekosten oberhalb der Erlöse liegen, die bislang für die Pflege in den DRGs enthalten sind. Denn diese Häuser haben bislang mehr Geld in Pflege investiert, als über die DRGs refinanziert wurde. Diese Kluft zwischen Kosten und Erlösen soll zukünftig entfallen, wenn die gesamten Pflegepersonalkosten des Krankenhauses refinanziert werden. Umgekehrt: Krankenhäuser, die bislang ihre ökonomischen Ergebnisse durch Einsparungen und/oder Prozessoptimierungen in der Pflege verbessert haben, werden voraussichtlich wirtschaftlich schlechter dastehen.

Welche Folgen hat die Ausgliederung der Pflege auf den restlichen DRG-Katalog?

Heumann: Der sogenannte Pflexit ist der größte disruptive Eingriff ins DRG-System seit dessen Bestehen. Es wird vermutlich einen deutlich veränderten DRG-Katalog 2020 geben. In den letzten 15 Jahren wurde das DRG-System immer stabiler und ausgereifter. Durch den Pflexit werden wir diesbezüglich bestimmt um einige Jahre zurückgeworfen. Wie stark jedes einzelne Haus im Ergebnis von dem Umbau betroffen sein wird, ist zurzeit nicht einschätzbar. Deshalb ist es zurzeit für die Krankenhäuser auch eine kaum lösbare Aufgabe, einen validen Wirtschaftsplan für das nächste Jahr aufzustellen.      

Das Interview führte Heike Ottow

Erleben Sie Martin Heumann live auf dem 17. Gesundheitspflege-Kongress in Hamburg. Dort wird er über den Paradigmenwechsel in der Krankenhausfinanzierung und die Ausgliederung der Pflege aus den Fallpauschalen sprechen.

  • Wiedereinführung des Selbstkostendeckungsprinzips in der Pflege – wird wirklich alles bezahlt?
  • Wie wirkt das neue Pflegebudget? Wer gewinnt? Wer verliert?
  • Welche Folgen hat die Ausgliederung der Pflege auf den restlichen DRG-Katalog? 

Hier finden Sie das Programm und die Online-Anmeldung.

GeKo2019 © Joana Rohr

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