Bundesverfassungsgericht bestätigt BSG-Rechtsprechung zur Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit

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Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Erfindung des gesonderten Prüfverfahrens auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Krankenhausabrechnung hat viel berechtigte Kritik erfahren. Sie war mit Blick auf die Bindung des BSG an die gesetzlichen Vorgaben des Prüfverfahrens nach § 275 Abs.1 SGB V auch unter Hinweis auf einen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG in mehreren Verfassungsbeschwerden angegriffen worden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat nun mit Beschluss vom 26.11.2018 (– 1 BvR 318/17 –) die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen und damit die Rechtsprechung des BSG bestätigt.

Die Entscheidung ist letztlich zu akzeptieren und wird die Gerichte weiter beschäftigen, insbesondere weil die Krankenkassen Ende 2018 aufgrund der drohenden Verjährung und der Ausschlussfrist durch das Pflegepersonalstärkungsgesetz zahlreiche Klagen auf Rückzahlung von Aufwandspauschalen erhoben haben, die angeblich allein Prüfungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit betrafen, auch wenn die Krankenkassen zum Zeitpunkt der jeweiligen Prüfungen, von der Existenz eines solches Prüfverfahrens noch keine Ahnung hatten.

Die Begründung der Entscheidung des BVerfG ist aber erstaunlich oberflächlich und wirft zahlreiche Fragen auf.

Denn zunächst bestätigt auch das BVerfG, dass der Gesetzgeber ein solches Prüfverfahren offenbar nicht vorgesehen hat, geht aber davon aus, dass die Schaffung eines solchen Prüfverfahrens die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung nicht überschreitet, weil mit Blick auf die gesetzlichen Regelungen die Annahme eines solchen Prüfverfahrens gut vertretbar sei und offenbar aufgrund der hohen Fehlerquote von 40 % der geprüften Rechnungen auch ein praktisches Bedürfnis für ein solches Prüfverfahren bestehe. Dazu verweist das BVerfG auch auf die Parallele zur  sachlich-rechnerischen Berichtigung im Vertragsarztrecht nach § 106d SGB V und dem Bedürfnis eines entsprechenden Prüfverfahrens, welches angeblich durch die Einführung des Fallpauschalensystems entstanden sei.

Die Begründung lässt den Leser etwas ratlos zurück, weil es insbesondere nicht die Frage beantwortet, warum die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit nicht auch im Rahmen des gesetzlich geregelten Prüfverfahrens nach § 275 SGB V durchgeführt werden kann, was auch der jahrelangen Praxis der Krankenkassen und Krankenhäuser nach Einführung des Fallpauschalensystems entsprach. Das in der Praxis unter dem Regime des § 275 SGB V etablierte Prüfverfahren lässt nach wie vor keinen Bedarf nach einem gesonderten und gesetzlch nicht geregelten Prüfverfahren erkennen. Insoweit ist auch der Vergleich zur  sachlich-rechnerischen Berichtigung der vertragsärztlichen Abrechnung verfehlt, die letztlich auf der gesetzlichen Differenzierung zwischen unterschiedlichen Prüfregimen mit unterschiedlichen Zuständigkeiten und Rechtsfolgen in den §§ 106a ff. SGB V beruht und damit auch über detaliierte gesetzliche Grundlagen verfügt. Eine solche Differenzierung kennt die Abrechnungsprüfung im stationären Bereich nicht, weil es dafür in der alleinigen Rechtsbeziehung zwischen Krankenhaus und Krankenkassen ohne Beteiligung anderer Stellen auch kein Bedürfnis gibt. Im Ergebnis bleibt die Frage unbeantwortet, warum die jahrelang geübte Praxis der Prüfung der korrekten Kodierung der Krankenhausabrechnungen nicht auch weiterhin allein dem Prüfregime nach § 275 SGB V unterfallen sollte.

Diese Frage kann nur mit Blick auf die vom BSG offenbar als unbillig empfundene Einführung der Aufwandspauschale vernünftig beantwortet werden.

Für diesen eigentlichen Grund der kritisierten BSG-Rechtsprechung müsste aber  die Rechtsprechung des BVerfG gelten, wonach mit Blick auf Art. 20 Abs. 3 GG die richterliche Rechtsfortbildung nicht dazu führen darf, dass die Gerichte ihre eigenen materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen. Insofern ist die Entscheidung des BVerfG wenig überzeugend und wird die Sozialgerichte im Rahmen der streitigen Verfahren um die angeblichen Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von Aufwandspauschalen weiter beschäftigen.

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