S 9 KR 944/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KR 944/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.945,40 Euro nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 29.10.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte zu 73% und die Klä-gerin zu 27%.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung einer Krankenhausvergütung streitig.

Der bei der klagenden Krankenkasse versicherte L1-E N (geb. 00.00.1954; im Folgenden: Versicherter) wurde in der Zeit vom 22.11.2012 bis 28.08.2013 in dem von der Beklagten betriebenen, für die Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen (§ 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)) Krankenhaus vollstationär behandelt. Zuletzt wurde er nach einer somatischen Behandlung im Klinikbereich Neurologie vom 22.03.2013 bis 29.03.2013 am 29.03.2013 erneut mit den Diagnosen F33.2 (Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome) und M46.86 (Sonstige näher bezeichnete entzündliche Spondylopathien: Lumbalbereich) in den Klinikbereich Psychiatrie 1 (Allgemeinpsychiatrie) aufgenommen, in dem er bis einschließlich 28.08.2013 zur Behandlung verblieb. Die von der Beklagten gestellten Rechnungen beglich die Klägerin zunächst in voller Höhe, beauftragte aber den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der Leistungspflicht und Fallgestaltung. Der MDK kam in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 23.12.2013 zu dem Ergebnis, dass bei einer stringenten zeit- und phasenadäquaten psychopharmakologischen und psychotherapeutischen Behandlung mit Einbindung in das tatsächliche multimodale Behandlungssetting und regelmäßiger Überprüfung der Therapiemotivation und der Therapieziele eine Verkürzung der Behandlungsdauer um rechnerisch 2 Monate möglich gewesen wäre und daher eine Kostenübernahmeempfehlung nur bis zum 28.06.2013 gegeben werden könne.

Die Klägerin forderte daraufhin von der Beklagten 13.717,80 Euro erfolglos zurück. Mit der am 29.10.2014 erhobenen Klage begehrt sie die Erstattung des aus ihrer Sicht zu Unrecht gezahlten Betrags in Höhe von 13.717,80 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 2% (gemeint sind 2 Prozentpunkte) über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit wegen einer sekundären Fehlbelegung ab 29.06.2013 unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK vom 23.12.2013. Auch aus dem weiteren Gutachten des MDK vom 12.05.2015 ergebe sich keine andere Beurteilung. Die Diagnosen seien nur dem zusammengefassten Entlassungsbericht zu entnehmen. Es lägen keine weiteren Dokumentationen, Konsilien oder Verlegungsberichte vor, um die Diagnosen zu stützen. Die pflegerische Dokumentation sei lückenhaft und auch die psychologische Dokumentation enthalte lediglich wöchentlich zusammengefasste, nicht datums- und kontaktbezogene Darstellungen einer eher übergreifenden zusammengefassten Therapieeinschätzung. Sie ende zudem am 09.08.2013. Die Klinik habe eine rezidivierende depressive Störung, derzeit schwer, kodiert. Nach der entsprechenden Leitlinie habe dann eine Kombinationsbehandlung von Psychotherapie und Psychopharmaka zu erfolgen. Eine psychotherapeutische Behandlung mit Zielsetzung, Therapieplanung, Reevaluierung der Zielsetzung, Verdeutlichung der Mittel zur Zielerreichung sei nicht nachgewiesn. Ein sog. roter Faden der psychotherapeutischen Behandlung sei nicht dargelegt worden und ein individuelles Konzept nicht erkennbar. Zum Teil seien die verschiedenen Dokumentationsachsen widersprüchlich. Im Gegensatz zu den psychologischen Verlaufseintragungen seien in der pflegerischen Dokumentation keine Hinweise für Suizidalität, Intrusionen, Flashbacks, Angst und Panik zu erkennen. Auch die psychopharmakologische Behandlung sei im Hinblick auf die Diagnose nicht leitliniengerecht erfolgt. Es sei durchgehend eine Hochdosis von Benzodiazepinen gegeben worden, die im Verlauf langsam reduziert und nach Absetzen als Bedarfsmedikation weitergeführt worden sei. Aufgrund der Dauer der Einnahme sei von einer iatrogenen Benzodiazepinabhängigkeit auszugehen, die von der Beklagten weder wahrgenommen und problematisiert noch kodiert worden sei. Üblicherweise erfolge zudem bei einer unzureichenden Symptomverbesserung nach einer antidepressiven Medikation nach einer Wartezeit von 4 bis 6 Wochen eine Umstellung auf ein anderes Antidepressivum, ggf. auch in Kombination, oder eine andere Maßnahme. Das sei hier nicht durchgeführt worden.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 13.717,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie sieht die medizinische Erforderlichkeit der vollstationären Behandlung des Versicherten auch über den 29.06.2013 hinaus bis zum 28.08.2013 als gegeben an. Die Dauer sei wegen des schweren Verlaufs, der durch wiederholte, schwerwiegende körperliche Komplikationen belastet und unterbrochen worden sei, notwendig gewesen. Lange Zeit habe bei dem Versicherten ein schweres depressives Zustandsbild dominiert mit starker innerer Unruhe und Anspannung, Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit, Antriebslosigkeit, Niedergedrücktheit, Grübelzwang, negativistischen Gedankenketten, Alpträumen, Angst vor dem Verlust der Tochter, extremer Dünnhäutigkeit, Nervosität, Übererregbarkeit sowie intermit-tierender Suizidgedanken. Der Versicherte sei gequält und verzweifelt gewesen, es hätten sich Bilder seiner vor Jahren erschossenen Tochter aufgedrängt, verbunden mit Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen, so dass es einer engmaschigen Begleitung und vieler Gesprächsangebote bedurft habe. Erschwerend seien die somatischen Probleme hinzugekommen und eine irrationale, unkorregierbare Angst vor einer Fußamputation sowie Belastungen im privaten Umfeld wie der Tod eines seiner engsten Freunde und Arbeitskollegen, die Trennung von seiner Lebensgefährtin nach zwanzig Jahren, der damit verbundene eigene Wohnungswechsel und der Umzug seiner Tochter in eine andere Stadt. Die MDK-Gutachterin habe den ihr zur Beurteilung vorgelegten Behandlungsabschnitt isoliert und getrennt von den vorausgehenden Behandlungsabschnitten betrachtet und daher die im Hause der Beklagten durchgeführte antidepressive Medikation unzutreffend beurteilt. Auch die Ausführungen zur Benzodiazepin-Medikation und dessen abhängigkeitserzeugender Wirkung seien undifferenziert und missverständlich gewesen. Das Risiko bestehe zwar, sei aber kein Ausschlusskriterium für die Therapie. Die Pflegedokumentation sei zu-dem ausreichend gewesen; psychopathologische Befunde seien darin nicht zulässig. Auch die Verlaufsdokumentation im Übrigen sei stets von dem zuständigen Oberarzt vidiert worden. Aus dem Pflegeverlauf sei deutlich zu erkennen, dass der Versicherte kaum in der Lage gewesen sei, an den Therapien teilzunehmen und während der Belastungsproben in seiner Wohnung von Panikattacken und Ängsten befallen worden sei. Auch nach dem 28.06.2013 zeige der ärztliche Verlauf weiterhin die wechselhaften Stimmungen und die problematischen Testbeurlaubungen.

Das Gericht hat Beweis erhoben und zu der Frage der medizinischen Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung bis zum 28.08.2013 ein fachpsychiatrisch-psychotherapeutisches Gutachten nach Aktenlage des U M vom 30.04.2016 sowie zwei ergänzende Stellungnahmen vom 10.08.2016 und 03.11.2016 eingeholt. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass die schwergradige Ausprägung der von der Beklagten kodierten depressiven Störung wegen der konkreten Suizidalität wohl zu Behandlungsbeginn vorgelegen habe, aber über den gesamten Behandlungszeitraum wegen mangelnder Dokumentation, insbesondere der fehlenden regelmäßigen Dokumentation des vollständigen psychologischen Untersuchungsbefundes nicht zweifelsfrei nachzuvollziehen sei. Zu einer medizinisch-inhaltlichen Dokumentation des Behandlungsverlaufs aus fachpsychiatrischer Sicht gehöre eine regelmäßige vollständige Erhebung und Dokumentation des psychischen Befundes und im Falle einer als hauptsächliche Behandlungsindikation genannten depressiven Störung auch die engmaschige Erhebung und Dokumentation einer standardisierten Beurteilungsskala zum Schwergrad einer Depression, die in den Akten jedoch fehle. Das vom Pflegepersonal beschriebene Aktivitätsniveau des Versicherten sowie der Aufbau einer neuen Partnerschaft zu einer Mitpatientin im Juni 2013 stünden aber einer persistierenden schwergradigen Symptomatik zweifelsfrei entgegen. Insofern sei im Vergleich zu dem psychischen Zustand des Versicherten bei Beginn der Krankenhausbehandlung trotz des protrahierten Behandlungsverlaufs aufgrund suboptimaler Pharmakotherapie ab Mitte Juni von einer wesentlichen Besserung der depressiven Störung auszugehen. Darüber hinaus sei keine weitergehende Besserung mehr belegt und die psychische Verfassung bis zu Entlassung im Wesentlichen unverändert geblieben. Zum Schluss hätten nachweislich nur noch pflegerische und soziotherapeutische Maßnahmen im Vordergrund gestanden, die keinen vollstationären Behandlungsrahmen mehr erfordert hätte. Eine Entlassung habe zum 28.06.2013 zu Gunsten einer ambulanten fachpsychiatrischen, psychopharmakologischen und psychotherapeutischen Behandlung erfolgen können. Pharmakologisch leitliniengerecht wäre zudem eine Behandlung anhand der Behandlungsleitlinie Affektive Erkrankungen der DGPPN gewesen. Dementsprechend komme der Behandlung mit Antidepressiva zentrale Bedeutung zu, während Beruhigungsmittel vom Benzodiazepintyp lediglich adjuvant einzusetzen seien. Bei Behandlungsversagen nach vier bis sechs Wochen seien stets Compliance und Diagnose zu überprüfen, der Plasmaspiegel des Antidepressivums zu messen, ggf. die Dosierung anzupassen und bei Erfolglosigkeit das Antidepressivum zu wechseln. Im Falle des Versicherten seien jedoch im Behandlungsverlauf über längere Zeiträume Benzodiazepine zum Einsatz gekommen, während dies systematische Behandlung mit Antidepressiva nicht entsprechend der beispielhaft genannten Leitlinie erfolgt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 54 bis 166, 177 bis 181 und 191 bis 195 verwiesen.

Während die Klägerin sich durch das Gutachten bestätigt sieht, ist die Beklagte der Auffassung, der Sachverständige habe insbesondere die Arztdokumentationen zu den Belastungserprobungen nicht hinreichend berücksichtigt, die auch im Juli 2013 noch äußerst wechselhafte Verläufe zeigten. Ende Juli 2013 sei noch eine erste Übernachtung zu Hause katastrophal verlaufen. Vor diesem Hintergrund sei eine rein ambulante Behandlung des Versicherten nicht vorstellbar gewesen. Auch die Rahmenbedingungen der Wohn- und Lebenssituation bei Entlassung – Trennung von der Partnerin, neue Wohnung, Umzug der Tochter, unklare körperliche Erkrankungen - seien in die Beurteilung nicht hinreichend einbezogen worden.

Das Gericht hat im Nachgang Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren psychiatrischen Gutachtens nach Aktenlage des T L2 vom 24.04.2018. Er führt aus, dass anhand der recht detaillierten, jedoch in wenig fachspezifischer Sprache gehaltenen und damit den Erfordernissen einer fachpsychiatrisch psychopathologischen Krankheitsdarstellung nur eingeschränkt entsprechenden Verlaufsdokumentation zunächst eine "schwere" depressive Episode diagnostiziert werden könne. Die Stimmung des Versicherten sei aber auflockerbar und positiv beeinflussbar gewesen; so seien im Juni und Juli 2013 die neue Part-nerschaft, Tatendrang und eine leicht gehobene Stimmungslage dokumentiert. Zumindest ab diesem Zeitpunkt könne nicht mehr von einer anhaltenden schwergradigen Depression gesprochen werden, sondern von einem beginnenden Remissionsprozess. Auch aus seiner Sicht sei die Umsetzung der psychopharmakologische Behandlung ineffektiv betrieben worden. Die entscheidenden Schritte hätten wesentlich eher erfolgen können. Insbesondere die Aufdosierung des Antidepressivums Venlafaxin von 150 auf 300 mg vom 24.06. bis 27.06.2013 sei indiziert gewesen, allerdings bereits Wochen vorher. Allerdings sei eine Entlassung mit einer Empfehlung nach weiterer Medikamentenaufdosierung unüblich, so dass vor dem Hintergrund der konkreten Umsetzung ein Entlassdatum Ende Juli realistisch gewesen wäre. Um die Wirkung der neuen Dosis beurteilen zu können, seien jedenfalls zwei weitere Wochen zur Verlaufsbeurteilung vorauszusetzen. Am 28.06.2013 hätte die Behandlung nicht fachgerecht beendet werden können. Ein Entlassdatum vier Wochen ab Einsetzen der ersten Belastungserprobungen, etwa ab Ende Juli, sei aber möglich gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 234 bis 244 verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 20.06.2018 hat die Klägerin eine vergleichsweise Regelung vorgeschlagen, die von einer sekundären Fehlbelegung ab 15.07.2013 ausgeht und die Erstattung von 9.945,40 Euro vorsieht. Damit werde berücksichtigt, dass auch nach dem Gutachten von L2 eine Medikamentenänderung als leitliniengerechte Behandlung schon wesentlich vor Ende Juni hätte stattfinden können und müssen.

Die Beklagte hält unter Hinweis auf das Gutachten von L2 eine vergleichsweise Regelung auf eine mögliche Entlassung Ende Juli 2013 für sachgerecht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- sowie die von der Klägerin beigezogene Verwaltungs- und die von der Beklagten beigezogene Patientenakte Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG erhobene Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten die Erstattung der geleisteten Krankenhausvergütung in Höhe von 9.945,40 Euro beanspruchen.

Die Rechtsgrundlage für den mit der Klage verfolgten Zahlungsanspruch bildet der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Diese gesetzlich nicht im Einzelnen ausgestaltete Anspruchsgrundlage ist allgemein anerkannt und aus den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere dem Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung herzuleiten (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz; vgl. nur BSG, Urteil vom 30.01.1962 – 2 RU 219/59 -, juris). Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (BSG, aaO). Seine Anspruchsvoraussetzungen entsprechen zwar, soweit sie - wie vorliegend - nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs. Es scheidet aber ein Rückgriff auf die zivilrechtlichen Normen aus, soweit der vom öffentlichen Recht selbstständig entwickelte Erstattungsanspruch reicht (BSG, Urteil vom 16.07.1974 – 1 RA 183/73 -, juris).

Hier liegt dem Rechtsstreit ein öffentlich-rechtliches Bereicherungsverhältnis zugrunde. Die Abrechnungsbeziehungen zwischen der klagenden Krankenkasse und dem beklagten Krankenhaus sind öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Dieses ergibt sich explizit aus § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R -, juris). Hiernach sind die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden abschließend im Vierten Kapitel des SGB V, in den §§ 63, 64 SGB V und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Da es sich bei diesen Vorschriften um solche des öffentlichen Rechts handelt, sind auch die hierauf beruhenden Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011, aaO).

Die für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch tatbestandlich erforderliche Vermögensverschiebung liegt gleichsam vor, da die Beklagte durch die Zahlung der Klägerin eine mit einem Auszahlungsanspruch gegenüber ihrem Kreditinstitut korrespondierende Gutschrift erhalten hat.

In Höhe von 9.945,40 Euro ist die Leistung der Klägerin ohne Rechtsgrund erfolgt, weil der Vergütungsanspruch der Beklagten um diesen Betrag geringer ist, als der mit ihren Krankenhausabrechnungen für den Zeitraum vom 29.06.2013 bis 28.08.2013 in Ansatz gebrachte und von der Klägerin geleistete Betrag.

Die Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses gegenüber einer Krankenkasse bildet § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 1 KHEntgG und § 17b KHG. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht nach ständiger Rechtsprechung unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.d. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (BSG, Urteil vom 30.06.2009 – B 1 KR 24/08 R -, juris). Danach haben Versicherte einen Anspruch auf vollstationäre Behandlung, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre und ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind (§ 39 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V). Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des zwischen der Kran-kenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und den Krankenkassen und Krankenkassen-Landesverbänden geschlossenen Vertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V – Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung – vom 30.01.1992 (im Folgenden: Sicherstellungsvertrag) ist die Krankenhausbehandlung zu beenden, wenn sie aus medizinischen Gründen nicht mehr notwendig bzw. eine andere Maßnahme zweckmäßig ist.

Hier war die vollstationäre Krankenhausbehandlung über den 15.07.2013 hinaus nicht mehr medizinisch erforderlich. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts auf der Grundlage des Gutachtens von L2 in Zusammenschau mit dem Gutachten und den ergänzenden Stellungnahmen des U M und den beiden Gutachten des MDK fest. L2, M und die Gutachterin des MDK gehen übereinstimmend davon aus, dass zu Beginn des Behandlungsabschnitts am 29.03.2013 eine stationäre Behandlung indiziert war, weil die Beklagte bei dem Versicherten zu Recht eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode, diagnostiziert hatte. Im Hinblick auf den weiteren Verlauf der Erkrankung und Behandlung des Versicherten geht die Gutachterin des MDK davon aus, dass die Behandlung nicht leitliniengerecht und stringent erfolgt und zudem unzureichend dokumentiert sei, so dass rechnerisch eine Verkürzung um 2 Monate angenommen werden könne und daher der Vergütungsanspruch der Beklagten nur bis zum 28.06.2013 bestehe. M geht gleichermaßen von einer pharmakologisch ineffizienten Behandlung aus und von eine unzureichenden Dokumentation und hält nicht nur rein rechnerisch, sondern auch medizinisch eine stationäre Krankenhausbehandlung über den 28.06.2013 für nicht mehr indiziert, weil jedenfalls ab Mitte Juni 2013 eine wesentliche Besserung des Gemütszustands des Versicherten eingetreten sei. L2 bestätigt das Ergebnis der Vorgutachter insoweit, als auch er eine vollständige und durchgängige, den Erfordernissen einer fachpsychiatrischen psychopathologischen Krankheitsdarstellung genügenden Dokumentation des multiprofessionellen Vorgehens vermisst. Mit den Vorgutachtern geht er zudem davon aus, dass die antidepressive Therapie sowohl psychotherapeutisch als auch pharmakologisch ineffektiv betrieben worden sei und darüber hinaus auch ein beginnender Remissionsprozess eingesetzt habe. Er hält jedoch die rechnerische Verkürzung um 2 Monate für willkürlich und eine Entlassung aus medizinischen Gründen zum 28.06.2013 für nicht vertretbar, da vom 24.06. bis 27.06.2013 das Antidepressivum Venlafaxin aufdosiert worden war und sich eine Verlaufsbeurteilung von zwei Wochen anschließen müsse. Ein Entlassdatum vier Wochen ab Einsetzen der ersten Belastungserprobung ab Ende Juli 2013 hält er für möglich.

Zur Überzeugung des Gerichts kann auf der Grundlage der Gutachten des L2 und des M nicht über den gesamten Behandlungsabschnitt von einer persistierenden schwergradigen depressiven Störung ausgegangen werden, die eine vollstationäre Behandlungsbedürftigkeit über den ganzen Zeitraum hätte begründen können. Vielmehr kommen die beiden Gutachter zu dem Ergebnis, dass ab Mitte Juni 2013 eine deutliche Besserung bei dem Versicherten eingetreten sei, die sich durch das Eingehen einer neuen Partnerschaft und gesteigerte Aktivität gezeigt habe. Dabei verkennen sie nicht die weiterhin dokumentierte und anhaltende innere Ruhe, den raschen Stimmungswechsel und die intermittierenden Schlafstörungen sowie die Veränderungen im privaten Umfeld des Versicherten, die von Beklagtenseite angeführt werden. Sie erachten die Dokumentation aber als nicht ausreichend, um vor dem Hintergrund des sichtbaren Tatendrangs weiterhin von einer schweren Symptomatik auszugehen, da vollständige psychopathologische Befunde oder validierten Beurteilungsskalen fehlen. Die Koordination diverser therapeutischer Ansätze, die nur stationär möglich sei, müsse nach übereinstimmender Auffassung der Gutachter durch eine vollständige und durchgängige Dokumentation des multiprofessionellen Vorgehens nachvollziehbar gemacht werden. Dies sei vorliegend nicht geschehen.

L2 geht in seinem Gutachten davon aus, dass nach der Medikamentendosierung eine Verlaufsbeobachtung von zwei Wochen, also bis Mitte Juli 2013, medizinisch erforderlich gewesen wäre und schlägt als Entlassdatum Ende Juli (4 Wochen nach Beginn der Belas-tungserprobung) vor. Dass eine Entlassung bei Erreichen der Aufdosierung nicht fachgerecht sei, weil zunächst eine Verlaufsbeurteilung erfolgen müsse, ist für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend, so dass sie M nicht folgen kann, der eine stationäre Behandlung über den 28.06.2013 hinaus für nicht indiziert erachtet.

Das Gericht geht aber in Übereinstimmung mit dem Vergleichsvorschlag der Beklagten davon aus, dass die medizinische Erforderlichkeit für die vollstationäre Behandlung bereits mit dem 15.07.2013 entfallen ist. Dabei legt es den tatsächlichen Zeitpunkt der Medikamentenumstellung zu Grunde und die von L2 überzeugend als medizinisch indiziert angesehene sich anschließende Verlaufsbeobachtung.

Selbst wenn mit L2 eine medizinische Notwendigkeit der vollstationären Behandlung bis Ende Juli 2013 gesehen würde, wäre eine rechnerische Verkürzung um zwei Wochen gerechtfertigt, um der übereinstimmenden Auffassung aller Gutachter, dass eine insuffiziente Pharmakotherapie erfolgt sei, Rechnung zu tragen. Das übereinstimmend vorgetragene leitliniengerechte Vorgehen mit dem Schwerpunkt auf Antidepressiva mit Spiegel- und Einnahmekontrolle, Umstellung auf ein neues Präparat nach 4 bis 6 Wochen bei Behandlungsversagen, ggf. auch in Kombination, ist bei dem Versicherten nicht umgesetzt worden. Die Beklagte hat insoweit gegen das Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot aus §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 SGB V verstoßen. Nach Auffassung von L2 hätte die Aufdosierung des Venlafaxin bereits zwei bis drei Wochen nach stationärer Aufnahme oder sogar noch eher erfolgen können. Die Kammer hält zwar die vom MDK zu Grunde gelegte rechnerische Kürzung um zwei Monate für nicht ausreichend nachvollziehbar, eine Kürzung von zwei Wochen aber für jedenfalls gerechtfertigt.

Wegen der Erstattungssumme verweist das Gericht auf den von der Beklagten im Schriftsatz vom 20.06.2018 ermittelten Betrag, der der Höhe nach auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen plausibel und im Übrigen unangegriffen ist.

Im Hinblick auf den darüber hinaus geltend gemachten Anspruch ist die Klage unbegründet. Der weitergehende Anspruch beruht auf der Annahme der Klägerin, dass die Behandlungsdauer bei effizienter und leitliniengerechter Behandlung um zwei Monate hätte verkürzt werden können und auf dieser Grundlage eine Vergütung nur bis zum 28.06.2013 zu erfolgen habe. Die rechnerische Verkürzung um zwei Monate ist nicht belegt; eine Entlassung zum 28.06.2013 unter Zugrundelegung des tatsächlichen Behandlungsverlaufs wäre medizinisch nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen L2 wegen der bis einschließlich 27.06.2013 erfolgten Aufdosierung des Antidepressivums nicht fachgerecht gewesen.

Der von der Klägerin ab Rechtshängigkeit geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 4 Sicherstellungsvertrag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.
Rechtskraft
Aus
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