Friesland - Als bekannt wurde, dass die Geburtsklinik in Wittmund schließt, machte sich unter den Schwangeren im Jeverland schon leichte Nervosität breit. „Nachdem nun auch feststeht, dass die Helios-Klinik in Nordenham ihre Geburtsstation auflöst, machen sich viele Frauen im nördlichen Friesland ernsthaft Sorgen“, sagt Christina Harms-Janßen (Mederns), Kreisdelegierte Hebamme für Friesland und Wilhelmshaven: „Sie fragen sich, ob sie beim Einsetzen der Wehen überhaupt in einer Geburtsklinik angenommen werden“, weiß Harms-Janßen.
Denn mit der Schließung der Kreißsäle in Nordenham und Wittmund sowie im Pius-Hospital „müssen sich rund 1000 Geburten auf die übrigen Kreißsäle verteilen, die ebenfalls schon viel zu tun haben“, sagt die Kreis-Hebamme.
Mit Blick auf die Schließung der Geburtshilfe-Stationen in Nordenham und Wittmund prüft die Frauenklinik des St. Johannes-Hospitals in Varel einen Ausbau der Geburtshilfe: Drei Kreißsäle gibt es in Varel, „Chefarzt Dr. Christoph Reiche führt Gespräche mit der Helios-Klinik in Nordenham über die Übernahme von deren Equipment“, sagt Klinik-Geschäftsführer Frank Germeroth: Dann hätte Varel einen vierten Kreißsaal.
Denn der Druck auf die Friesland-Kliniken steigt: 645 Kinder wurden dort 2018 zur Welt gebracht; im Januar 2019 zählte die Geburtsklinik Varel zehn Geburten mehr als 2018.
Kapazität erweitern
Doch fest steht: In Varel wird keine Frau mit Wehen abgewiesen. „Jede werdende Mama wird aufgenommen – diese Sorge können wir den Frauen nehmen“, betont Frank Germeroth, Geschäftsführer der Friesland-Kliniken Nordwest-Krankenhaus Sanderbusch und St. Johannes-Hospital Varel.
Im Vareler Krankenhaus wird mit Blick auf die geschlossenen Kreißsäle in der Region zurzeit eine Kapazitätserweiterung geprüft: Drei Kreißsäle gibt es dort, ein vierter könnte schnell eingerichtet werden.
Zehn Geburten mehr als im Vorjahr hat die Frauenklinik im Januar bereits gezählt. „Ein Trend lässt sich daraus sicher noch nicht ableiten – wir werden sehen, wohin sich die Frauen nun orientieren“, sagt Germeroth: „Auf jeden Fall ist das St. Johannes-Hospital sehr gut aufgestellt. Frauen müssen keine Sorge haben, dass wir sie abweisen könnten.“
Für Germeroth ist die Schließung der Geburtsstationen in den umliegenden Krankenhäusern Zeichen einer fehlgeleiteten Gesundheitspolitik. „Sicher ist ein Grund für die Schließung von Kreißsälen Personalmangel. Hinzu kommen aber handfeste wirtschaftliche Gründe“, sagt er: Geburten lohnen sich schlichtweg nicht.
Für eine so genannte Spontangeburt ohne Komplikationen erhalten die Krankenhäuser pauschal 2035 Euro für die Frau plus 878 Euro für das Kind. Im Schnitt bleiben Frauen nach der Geburt drei Tage in der Klinik. „Das ist an sich schon ein Hungerlohn für eine qualitativ hochwertige und anspruchsvolle Tätigkeit“, sagt Germeroth.
Zudem rechnet sich für ein Krankenhaus das Vorhalten der gesamten Geburts-Infrastruktur erst ab 500 Geburten im Jahr – „und deshalb verabschieden sich nun so viele Anbieter vom Markt“, sagt der Klinik-Geschäftsführer.
Auch Kreis-Hebamme Christina Harms-Janßen sieht die niedrige Fallpauschale als Riesen-Problem: „Der Faktor Geduld – unbedingt notwendig bei einer Geburt – wird nicht berücksichtigt.“
Hochsensibles Thema
Und dadurch ergebe sich ein Teufelskreis: „Die Kliniken verdienen nichts an Geburten und können deshalb die Geburtshelfer nicht ordentlich entlohnen. Die Folge: Geburtshelfer und Hebammen geben auf, Kreißsäle schließen.“
Ihre Forderung: „Der Anfang des Lebens muss uns deutlich mehr wert sein und entsprechend honoriert werden.“ Doch genau das Gegenteil ist der Fall, sagt Germeroth. „Das Gesundheitswesen wird ramponiert – gerade Geburten sind ein hochsensibles und hochemotionales Thema. Kein Wunder, dass die aktuelle Entwicklung massive Ängste bei den Frauen schürt.“
Um ganz sicher zu gehen, dass sie in ihrem Wunsch-Krankenhaus gebären können, sollten sich Schwangere zur Geburt anmelden – „eigentlich mittlerweile gang und gäbe“, sagt Christina Harms-Janßen: „In Varel sind Geburtsanmeldungen ab der 36. Schwangerschaftswoche möglich.“