S 18 KR 75/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 18 KR 75/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 511/16
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung eines vollstationären Krankenhausaufenthaltes.

Die Klägerin ist Trägerin der A. in A-Stadt. Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte C. C. befand sich in der Zeit vom 24.07.2013 bis zum 10.08.2013 in der Klinik der Klägerin zur vollstationären Behandlung.

Bei der Versicherten wurde aufgrund einer Aortenklappenstenose eine kathetergestützte Aortenklappenimplantation (TAVI) durchgeführt.

Mit Rechnung vom 13.08.2013 bezifferte die Klägerin die Behandlungskosten in Höhe von 33.662,39 EUR. Die Abrechnung erfolgte unter Zugrundelegung der Fallpauschale (Diagnosis Related Group) DRG F98Z (Komplexe minimalintensive Operation an Herzklappen). Der Fallpauschale lag der OPS 5-35a.00 (Minimalinvasive Operationen an Herzklappen: Implantation eines Aortenklappenersatzes: Endovaskulär) zugrunde.

Mit DTA-Schreiben nach § 301 SGB V vom 23.08.2013 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und wies die Rechnung ab. Die Abrechnung der DRG F98Z falle nicht unter den Versorgungsauftrag ihres Krankenhauses.

Die Klägerin hat am 05.03.2014 Klage erhoben.

Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Behandlung sei vom Versorgungsauftrag der Klägerin umfasst. Nach dem Hessischen Krankenhausrahmenplan 2005 sei die Klägerin für das Fachgebiet der Inneren Medizin zugelassen. Nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Weiterbildungsordnung (WBO 2004) falle die Kardiologie in das Gebiet der Inneren Medizin. Bei dem streitgegenständlichen transfemoralen Herzklappenersatz handele es sich um ein minimalinvasives kardiologisches Verfahren, das eine Herzklappen-Implantation ohne die Notwendigkeit der Öffnung des Brustkorbes unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine ermögliche.

Nur in seltenen Fällen sei aufgrund von Komplikationen die Konversion in eine herzchirurgische Behandlung erforderlich. Die Komplikationsrate, die zu einer unmittelbaren herzchirurgischen Intervention führe, liege bei lediglich 1,2 %. Dabei handele es sich um Notfälle, die auch außerhalb des Versorgungsauftrages erbracht und abgerechnet werden dürften.

Die Notwendigkeit, für diese Fälle eine herzchirurgische Abteilung vorzuhalten, könne weder aus den insoweit uneinheitlichen ärztlichen Leitlinien hergeleitet werden, noch entfalteten ärztliche Leitlinien eine Bindungswirkung für den Umfang des Versorgungsauftrages eines Krankenhauses.

Die Klägerin stelle durch einen Kooperationsvertrag mit dem Universitätsklinikum D-Stadt sicher, dass bei der Durchführung der streitgegenständlichen Leistung jederzeit ein herzchirurgisches Team im Standby zur Verfügung stehe.

Die Klägerin stützt ihre Auffassung im Laufe des Verfahrens u. a. auf ein Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie vom August 2014 sowie die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu minimalinvasiven Herzklappenintervention/MHI-RL vom 22.01.2015.

Sie legt im Weiteren einen Dienstleistungsvertrag mit der Klinik für Herz-Thorax und Gefäßchirurgie der Universitätsmedizin der Uni-Klinik D-Stadt vom 24.07.2013 vor. Danach beauftragte die Klägerin die Uni-Klinik D-Stadt damit, namentlich die Mitarbeiterinnen Dr. med. E. und Dr. med. F. zur Mitwirkung bei der Patientenbehandlung von Frau C. C. im Rahmen einer transfemoralen TAVI bereitzustellen. Die Mitarbeiterinnen der Uni-Klinik D-Stadt, seien Fachärztinnen für Herzchirurgie.

Darüber hinaus hätten die Klägerin und die Universitätsklinik D-Stadt die Vorhaltung sämtlicher zum damaligen Zeitpunkt anerkannten Qualitätsstandards für TAVI-Eingriffe mündlich vereinbart. Die Klägerin legte den Entwurf eines Kooperationsvertrages mit der Universitätsmedizin der G-Universitätsklinik D-Stadt über die Aufgabenstellung und verteilung zwischen den Kooperationspartnern zum Zwecke der Durchführung von herzchirurgischen Eingriffen in der Klinik der Klägerin vor. Der Vertrag sei letztlich nicht zustande gekommen, weil die Vertragspartner unterschiedliche Auffassungen über die budgetrechtliche Zuordnung von TAVI-Patienten gehabt hätten und zunächst eine krankenhausplanerische Lösung angestrebt worden sei.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 33.662,39 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.09.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wendet im Wesentlichen ein, die streitgegenständliche Leistung gehöre nicht zum Versorgungsauftrag der Klägerin und somit nicht zu deren Leistungsspektrum

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wir auf die Gerichtsakte, die Patientenakte der Klägerin und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, denn bei einer auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse handelt es sich um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSGE 90, 1 ff.). Es ist demnach weder ein Vorverfahren durchzuführen noch eine Klagefrist zu beachten.

Die Klage ist unbegründet, denn der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch für die vollstationäre Behandlung der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Patientin H. H. in der Zeit vom 24.07.2013 bis 10.08.2013 nach der DRG F98Z nicht zu.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V mit Verweis auf das Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), sowie der "Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V" zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassen (-verbänden). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse gegenüber einem Krankenhaus entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistungen des Krankenhauses durch einen Versicherten der Krankenkasse, wenn die Versorgung in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist.

Gemäß § 108 SGB V dürfen die Krankenkassen Krankenhausbehandlung nur durch Krankenhäuser (zugelassene Krankenhäuser) erbringen lassen, die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt, in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen worden sind, oder einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sind Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen für alle Benutzer des Krankenhauses einheitlich zu berechnen. Die Entgelte dürfen nach § 8 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG nur im Rahmen des Versorgungsauftrages berechnet werden. Der Versorgungsauftrag des Krankenhauses ergibt sich nach § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG bei einem Plankrankenhaus aus den Festlegungen des Krankenhausplans in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung.

Mit dem Inkrafttreten des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) hat der Bund den Ländern die Aufgabe der Krankenhausplanung zugewiesen. Nach § 1 KHG ist Zweck des Gesetzes die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser, um eine qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, qualitativ hochwertig und eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen. Gemäß § 6 KHG stellen die Länder zur Verwirklichung der Ziele des Gesetzes Krankenhauspläne auf. Nach § 1 des Hessischen Krankenhausgesetzes 2011 (HKHG) hat der Gesetzgeber das Ziel, in Hessen eine qualitativ hochwertige patienten- und bedarfsgerechte stationäre Versorgung der Bevölkerung durch ein flächendeckendes gegliedertes System qualitativ leistungsfähiger und eigenverantwortlicher wirtschaftender Krankenhäuser sicherzustellen. Zur Verwirklichung dieses Ziels wird nach § 17 Abs.1 HKHG für das Land ein Krankenhausplan aufgestellt, auf dessen Grundlage die bedarfsgerechte Krankenhausversorgung der Bevölkerung sicherzustellen ist. Nach § 17 Abs. 8 HKHG soll der Krankenhausplan zur Sicherung einer bedarfsgerechten, leistungsfähigen und wirtschaftlichen regionalen Versorgung bestimmte medizinische Indikationen, insbesondere für chronische Erkrankungen, bei denen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich ist, Anforderungen an die Zusammenarbeit und eine Aufgabenteilung zwischen den Krankenhäusern festlegen. Unter diesen Voraussetzungen ergibt sich der Versorgungsauftrag für die Klinik der Klägerin aus dem Hessischen Krankenhausrahmenplan 2009 i. V. m. dem Feststellungsbescheid des Hessischen Sozialministeriums vom 23.01.2013. Danach wurde die Rechtsvorgängerin der Klägerin u. a. der Versorgungsauftrag für das Fachgebiet Innere Medizin erteilt. Der Feststellungsbescheid enthält darüber hinaus weder einen Versorgungsauftrag für das Fachgebiet der Herzchirurgie noch trifft er Festlegungen zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit der Klägerin mit der Universitätsmedizin der G Universität in D-Stadt.

Verfügt die Klägerin weder über einen Versorgungsauftrag für das Fachgebiet der Herzchirurgie noch über eine ministerielle Festlegung zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit einer anderen Klinik, kann ein Anspruch auf das Entgelt nach der DRG F98Z nur bestehen, wenn der streitgegenständliche Eingriff allein dem Versorgungsauftrag für das Fachgebiet der Inneren Medizin/Kardiologie zugeordnet werden kann.

Nach Überzeugung der Kammer handelt es sich bei der streitgegenständlichen kathetergestützte Aortenklappenimplantation (TAVI) jedoch um eine interdisziplinäre Therapie der medizinischen Fachgebiete für Innere Medizin/Kardiologie und Herzchirurgie, die in ihrer Gesamtheit nicht unter den Versorgungsauftrag der Klägerin nach dem Feststellungsbescheid des Hessischen Sozialministeriums vom 23.01.2013 fällt.

Das Krankenversicherungsrecht enthält keine Legaldefinition des Versorgungsauftrags. Aus den gesetzlichen Bestimmungen, die den Begriff "Versorgungsauftrag" verwenden, lässt sich ableiten, dass der Versorgungsauftrag Rückschlüsse darauf zulassen muss, welche medizinischen Leistungen ein Krankenhaus erbringen darf und muss (§ 39 Abs 1 Satz 3, § 109 Abs 4 Satz 2 SGB V) sowie über welche diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten es zu verfügen hat (§ 107 Abs 1 Nr 2 SGB V). Ferner ergibt sich aus § 109 Abs 3 und 4 SGB V, dass der Versorgungsauftrag sowohl die Leistungskapazität als auch die Leistungsstruktur umfasst. Die Vorschriften über die Zulassung zur Krankenhausversorgung sind von dem Ziel geleitet, die begrenzten finanziellen Mittel zur Krankenhausfinanzierung und zur Gewährung der laufenden Versorgung sparsam einzusetzen, was bei Überkapazitäten gefährdet wäre. Deshalb ist der Anspruch auf Beteiligung an der Versorgung nach § 109 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB V bedarfsgebunden. Die Zulassung ist abhängig von dem konkreten Versorgungsbedarf im Einzugsbereich des Krankenhauses, auf den bezogen im Zulassungsfall ein konkreter Versorgungsauftrag festzulegen ist. Vor diesem Hintergrund ist unter "Versorgungsauftrag" die Festlegung von Art, Inhalt und Umfang der Leistungen zu verstehen, die das Krankenhaus während der Dauer seiner Zulassung für die Versicherten zu erbringen hat (BSG, Urteil vom 27.11.2014 – B 3 KR 1/13 R). Eine bedarfsgerechte Versorgung, die immer auch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V als allgemeines Prinzip im Gesundheitswesen zu beachten hat, hat dabei Über-, Unter- und Fehlversorgung zu vermeiden (Hess. KHPlan 2009, S.7).

Der Krankenhausrahmenplan 2009 beschränkt sich bei der Zuweisung von Versorgungsaufträgen auf eine Festlegung der bettenführenden Fachabteilungen nach der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Hessen. Ein Versorgungsauftrag bezieht sich grundsätzlich auf das gesamte in der Weiterbildungsordnung dem jeweiligen Fachgebiet zugeordnete Leistungsspektrum (Hess. KHPlan 2009, S. 25).

Die Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen (Stand 01.07.2013) enthält keine ausdrückliche Regelung für die streitgegenständliche kathetergestützte Aortenklappenimplantation (TAVI). Die Methode wird weder in den Weiterbildungsinhalten zum Facharzt/Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie noch in den Weiterbildungsinhalten zum Facharzt/Fachärztin Herzchirurgie ausdrücklich erwähnt.

Die Zuordnung der kathetergestützten Aortenklappenimplantation (TAVI) zu den Weiterbildungsinhalten der medizinischen Fachgebiete in der hessischen Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte hat somit anhand einer Gesamtschau der einschlägigen Fachpublikationen zu erfolgen. Die Kammer bedient sich dabei der "Richtlinie zur minimalinvasiven Herzklappeninterventionen/MHI-RL" des Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 137 Abs. 1 S. 1 SGB V. Die Richtlinie bietet einen umfassenden Überblick über den Stand der medizinischen Erkenntnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V zur kathetergestützten Aortenklappenimplantation (TAVI). Die Richtlinie beruht überwiegend auf Publikationen, die bereits zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Behandlung im Juni 2013 den Stand der medizinischen Erkenntnis beschrieben haben.

In den Tragenden Gründen der Richtlinie wird folgendes ausgeführt:

"Zur Sicherstellung der Patientensicherheit dürfen kathetergestützte Aortenklappenimplantationen (TAVI) nur in Krankenhäusern mit beiden genannten Fachabteilungen durchgeführt werden.

Gerade bei hochkomplexen Eingriffen wie TAVI kommt der Struktur- und Prozessqualität in kardiologisch/internistischer wie herzchirurgischer Hinsicht und deren kontinuierlicher Gewährleistung über 24 Stunden an sieben Tagen der Woche grundlegende Bedeutung zu. ( )

Auch ist es erforderlich, dass sich beide Abteilungen in einem Krankenhaus befinden. Denn nur durch das Vorhandensein und das Zusammenspiel der Organisationsstrukturen beider Fachabteilungen in einer organisatorischen Einheit (hier das Krankenhaus) können die Mindestanforderungen vor allem für die Patientensicherheit erfüllt werden. Es muss also jederzeit (intra-, peri- und postprozedural) vor Ort (ohne Verlegung der Patientin oder des Patienten) ein herzchirurgischer/kardiologischer Notfalleingriff möglich sein. Daraus folgt, dass jederzeit die räumlichen, apparativen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen für die Indikationsstellung und sofortige Durchführung herzchirurgischer/kardiologischer Eingriffe gegeben sein müssen. Die Gewährleistung des geforderten Mindestmaßes an die Patientensicherheit ist dabei nicht nur von der räumlichen Nähe der Fachabteilungen Innere Medizin und Kardiologie sowie Herzchirurgie zueinander abhängig, sondern auch von einem organisatorisch reibungslosen Verlauf einschließlich geregelter Weisungsbefugnisse wie es nur durch die organisatorischer Gesamtverantwortung eines Krankenhauses gegeben ist, das über beide Fachabteilungen verfügt.

Im Rahmen der Entscheidung wurde abgewogen, ob die im Weiteren in der Richtlinie normierten Anforderungen (sofortiger herzchirurgischer Notfalleingriff möglich, keine Verlegung von Patientinnen und Patienten nach herzchirurgischem Notfalleingriff, jederzeitige Möglichkeit weiterer herzchirurgischer Notfalleingriffe, ununterbrochene Betreuung durch Fachärztinnen und Fachärzte für Herzchirurgie und in der herzchirurgischen Intensivmedizin erfahrenes Personal, angemessene räumliche und apparative Voraussetzungen für die Durchführung herzchirurgischer Eingriffe) ausreichend sind und deren Erfüllung ggf. über Kooperationsmodelle sicherzustellen ist. Nach Auffassung des G-BA fordert indes die Patientensicherheit mithin das erreichbare Maß an Ergebnisqualität, vorliegend dass beide Fachabteilungen in einem Krankenhaus vorhanden sein müssen. Denn die bloße Anwesenheit eines herzchirurgischen oder kardiologischen Interventions- oder Operationsteams während einer TAVI-Prozedur (intraprozedural) im Rahmen eines Kooperationsmodells gewährleistet nicht, dass ein sofortiger herzchirurgischer Notfalleingriff in der gleichen angemessenen sowie routinierten Standardisierung und gebotenen Qualität wie in einer Fachabteilung für Herzchirurgie durchgeführt werden kann. Ebenso wenig genügt die alleinige Anwesenheit eines kardiologischen Interventionsteams. Dies betrifft sowohl den Zugriff auf und die Verfügbarkeit verschiedenster Materialien und maschineller Unterstützungssysteme als auch die berufsgruppenübergreifende personelle Expertise und strukturierten Prozesse eines eingespielten Behandlungsteams, die in einem solchen Notfall notwendig werden können. Eine optimale interdisziplinäre Zusammenarbeit von der Indikationsstellung bis zur Intervention und Nachbehandlung muss unter einer organisatorischen Gesamtverantwortung in einem Krankenhaus erfolgen. Durch den Teamansatz in einer Verantwortung werden Fehlentscheidungen oder unterschiedliche Handlungsanweisungen und Befunde minimiert. ( ) Kooperationsmodelle können auch nicht gewährleisten, dass die frisch operierten Patientinnen und Patienten ohne Verlegung in einem Krankenhaus weiterbehandelt werden können, in der die jederzeitige Möglichkeit eines weiteren herzchirurgischen Eingriffs gegeben ist und das über eine Intensivstation verfügt, die regelmäßig frisch operierte herzchirurgische Patientinnen und Patienten behandelt. Darüber hinaus bietet ein Kooperationsmodell für den herzchirurgischen Eingriff auch nur eingeschränkt geeignete Bedingungen, da räumlich, apparativ und personell nicht die für herzchirurgische Patientinnen und Patienten erforderliche Infrastruktur und Erfahrung zur Verfügung stehen. Die gesamte Infrastruktur und die komplexen Prozesse einer bettenführenden Fachabteilung für Herzchirurgie sind daher durch kein Kooperationsmodell in gleicher Weise zu gewährleisten." (S. 6,7)

Im Weitern wird in den Tragenden Gründen der Richtlinie zu den wissenschaftlichen Grundlagen der Festlegung ausgeführt:

"Zusammenfassend ist festzustellen, dass in internationalen, interdisziplinären Konsenspapieren der führenden europäischen, nordamerikanischen und australischen Fachgesellschaften die Durchführung von TAVI nur in Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Herzchirurgie empfohlen wird.

Die deutschen Arbeiten, die die Sachgerechtigkeit der Durchführung von TAVI ohne Vorhandensein einer Fachabteilung für Herzchirurgie anhand retrospektiver Analysen postulieren, weisen starke methodische Schwächen auf und leisten somit keinen belastbaren wissenschaftlichen Beitrag.

Folglich stellen hochwertige, interdisziplinäre Empfehlungen internationaler wissenschaftlicher Fachgesellschaften die derzeit bestverfügbare Evidenz dar. Damit besteht international ein interdisziplinärer und für eine Strukturanforderung außergewöhnlich umfassender Konsens, TAVI nur in Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Innere Medizin und Kardiologie und einer Fachabteilung für Herzchirurgie durchzuführen." (S. 11)

Die Kammer gelangt unter diesen Voraussetzungen zu der Überzeugung, dass die Methode der kathetergestützten Aortenklappenimplantation zu keinem Zeitpunkt allein dem Fachgebiet der Kardiologie als einem Teilgebiet der Inneren Medizin, sondern im Sinne einer interdisziplinären Zusammenarbeit, welche denknotwendig die Zuständigkeit beider Disziplinen erfordert, immer auch dem Fachgebiete der Herzchirurgie zuzuordnen war und ist.

Da die Klägerin für das Fachgebiet der Herzchirurgie keinen Versorgungsauftrag hat, kann es dahinstehen, ob die Klägerin in dem streitgegenständlichen Fall die weiteren abrechnungsrelevanten Voraussetzungen erfüllt, insbesondere eine dem Stand der medizinischen Erkenntnis i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V entsprechende Leistung erbracht hat (vgl. BSG, Urteil vom 07.12.2013 – B 1 KR 70/12 R, Rdnr. 14). Sofern die Kooperation der Klägerin mit der Herzchirurgie der Universitätsklinik in D-Stadt die nach dem Stand der medizinischen Erkenntnis im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 3 SB V erforderliche hohen strukturellen Anforderungen an die Zusammenarbeit der Fachabteilung der Inneren Medizin/Kardiologie mit einer Fachabteilung der Herzchirurgie, die nicht der gleichen Klinik angehört, erfüllt haben sollte, hätte sie mit dieser Einrichtung eine neue Leistungsstruktur geschaffen, die unmittelbar die hessische Krankenhausplanung betroffen und damit eines ausdrücklichen landesrechtlichen Versorgungsauftrages bedurft hätte. Die Leistungsstruktur der hessischen Krankenhausplanung wäre insbesondere auch deswegen betroffen gewesen, weil aufgrund steigender Fallzahlen bei der kathetergestützten Aortenklappenimplantation zu erwarten ist, dass die Fallzahlen in der Herzchirurgie zurückgehen.

Im Übrigen findet die im Jahr 2015 in Kraft getretene "Richtlinie zur minimalinvasiven Herzklappeninterventionen/MHI-RL" des Gemeinsamen Bundesausschuss auf den streitgegenständlichen Fall keine unmittelbare Anwendung. Dies gilt auch für die Übergangsregelung des § 9 MHI-RL, wonach unter nachfolgend beschriebenen Voraussetzungen bis zum 30.06.2016 kathetergestützte Aortenklappenimplantationen auch von Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Innere Medizin und Kardiologie erbracht werden, die keine Fachabteilung für Herzchirurgie aufweisen, diese Leistungen jedoch im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 30.06.2014 erbracht haben. Der Gemeinsame Bundesausschuss entscheidet nicht darüber, ob eine Klinik eine Leistung im Rahmen ihres landesrechtlichen Versorgungsauftrages erbringen darf. Die Richtlinie im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 2 SGB V dient allein der Qualitätssicherung. Sie definiert Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität für Kliniken, die aufgrund ihres Versorgungsauftrages zur Durchführung von minimalinvasiven Herzklappeninterventionen zugelassen sind und setzt damit den landesrechtlichen Versorgungsauftrag, der in dem streitgegenständlichen Fall nicht vorliegt, voraus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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