Brake - „Wie kann den Schwangeren die Angst genommen werden, dass sie nicht mehr vernünftig versorgt werden?“, fragte Julia Bittner am Dienstag in der Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit im Kreishaus in Brake. Sie gehört zu einer Elterninitiative, die den Wegfall eines Geburtshilfeangebotes in der Wesermarsch nicht hinnehmen will.

Mütter sind besorgt

Einige Mütter aus Nordenham waren nach Brake gekommen, um ihren Unmut über das Vorgehen der Helios-Kliniken-Gruppe am Standort im Nordenhamer Ortsteil Esenshamm kundzutun. „Wir gehen davon aus, dass das Interesse groß ist, die Geburtshilfe am Leben zu halten“, sagte Julia Bittner. Dass eine Gynäkologie nicht zur Grund- und Regelversorgung gehöre, sei skandalös. Sowohl die Helios-Klinik in

Nackte Zahlen

Nordenham als auch das St.-Bernhard-Hospital in Brake sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung ohne Verpflichtung, eine Gynäkologie vorzuhalten.

Von Helios überrascht

Was also kann die Kreisverwaltung tun? „Es ist schwierig. Wir sind auch von der Schließung überrascht worden“, sagte der 1. Kreisrat Hans Kemmeries. Die Kreisverwaltung habe jetzt die Absicht, mit umliegenden Häusern Gespräche zu führen, nach Strukturen und Einrichtungen zu suchen, um unterstützend tätig sein zu können. Auch intern würde mit dem Gesundheitsamt nach Lösungen gesucht.


Auf den zeitlichen Ablauf der plötzlichen Schließung wies Manfred Wolf (FDP) hin. Am 29. Januar seien die Helios-Mitarbeiter über die Schließung informiert worden. „Am 11. Februar war schon zu“, sagte er und fragte, ob das ein vernünftiger, regulärer Zeitrahmen sei.

Es werde Gespräche mit Helios geben, betonte Hans Kemmeries weiter. „Ob die Wirtschaftlichkeit das eigentliche Problem wäre, haben sie verneint“, so der 1. Kreisrat. Noch im Februar werde Landrat Thomas Brückmann nach Berlin fahren, um sich mit dem Helios-Vorstand zu treffen. „Ich habe aber Zweifel, dass es zu anderen Entscheidungen kommt“, so Hans Kemmeries. Auch sei man in Kontakt mit der Stadt Nordenham und Bürgermeister Carsten Seyfarth. Eine ambulante Praxis in Nordenham einzurichten, sei ein Thema. Er erwähnte aber auch, dass zum Beispiel die Einrichtung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) nur mit einem Träger gelingen könne.

Mit Unverständnis reagierte Ulla Bernhold. „Wir sind so ein reiches Land und leisten uns, Frauen hängen zu lassen“, betonte die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Wesermarsch. „Das ist unerhört“, sagte sie und sprach von einer „fatalen Situation“.

Welche Zielsetzung?

Und Julia Bittner hakte nach. Es gehe um das gesundheitliche Angebot einer Geburtenstation. Unter welchen konkreten Zielsetzung nach Berlin gefahren werde und ob eine Geburtshilfe in der Wesermarsch überhaupt noch gewünscht sei, wollte sie wissen. „Geburt ist der Start allen Lebens.“ Dass eine Geburtshilfe nicht zur Regel- und Grundversorgung zähle, sei eine Schande für das Gesundheitsministerium.

Hans Kemmeries merkte dazu an, dass mit der Klinik-Leitung wohl darüber gesprochen werde, wie ein Angebot und mit welcher Struktur aufrecht erhalten werden könne. Das aber habe bislang nicht funktioniert. „Ob das ernsthaft eine Chance ist, wage ich nicht zu beurteilen“, so Hans Kemmeries. Und weiter: „Ich möchte mir nicht vorwerfen lassen, nicht alles versucht zu haben.“ Helios habe andere Vorstellungen. „Sie haben keine wirtschaftlichen Gründe vorgeschoben. Der Hauptfaktor war das fehlende Personal. Helios konnte die Vorgaben nicht halten.“ Dieser Darstellung sei nicht widersprochen worden.

Wenig Hoffnung

„Ich war bei Gesprächen mit Helios dabei, habe die Vertreter erlebt. Man beißt auf Granit“, sagte Manfred Wolf. „Im Grundsatz wird sich bei Helios nichts ändern.“ Er sehe keine Gesprächsbasis. Dass rein wirtschaftliche Gründe zur Schließung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe führten, wurde erwähnt. Es habe genügend Bewerbungen von Hebammen gegeben, die man aber nicht wollte, hieß es. „Das wissen wir“, merkte dazu Julia Bittner an.

Geburtshilfe sei seit Jahren nicht gewinnbringend zu leisten. Sie sei jedoch ein wesentliches Element der Daseinsvorsorge. „Wir müssen uns fragen, was uns das wert ist.“ Helios hingegen interessiere das nicht. Eine Gynäkologie sei schlichtweg zu teuer. Der Wunsch-Kaiserschnitt bringe wesentlich mehr Geld. Auch gebe es keinen Zusammenhang zwischen Qualität und Menge an Eingriffen. Der Begriff Qualität werde nur benutzt, um weiter zu zentralisieren – und einzusparen. Von der Schließung in Esenshamm seien beispielsweise mit einem Schlag 18 Leute betroffen, jedoch weniger als zehn Prozent der Gesamtbelegschaft der Helios-Klinik Nordenham. Der Konzern brauchte daher nicht mal einen Sozialplan aufzustellen.

Nur ein Standort

Helios-Klinik kontra St.-Bernhard-Hospital: „Wir leisten uns seit vielen Jahren eine gepflegte Animosität. Wo bleibt der Gedanke, aus zwei Schwachen einen Starken zu machen, und dann eine Geburtshilfe mit einzupflegen? Da geht es um Ideologien, nicht um Sachthemen“, merkte Dr. Hans Schmid (CDU) an. „Wir bekommen beide nicht an einen Tisch. Ich erwarte eine politische Initiative.“ Beide Krankenhäuser seien zum Erfolg verdammt. Er würde sich wünschen, dass es nur einen Krankenhaus-Standort in der Wesermarsch gebe, sagte Hans Schmid.

Ulrich Schlüter
Ulrich Schlüter Redaktion Brake