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Hebammen-Notstand Bremer Kreißsäle vor dem Kollaps

Wegen einer Krankheitswelle und dem akuten Mangel an Hebammen musste das St.-Joseph-Stift in Bremen seinen Kreißsaal einen Tag schließen. Zwei andere Kliniken haben die Zahl der Geburtsanmeldungen limitiert.
22.02.2019, 21:11 Uhr
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Bremer Kreißsäle vor dem Kollaps
Von Sabine Doll

Der Hebammen-Notstand in den Bremer Geburtskliniken verschärft sich zusehends: Am Freitag musste das St.-Joseph-Stift seinen Kreißsaal für 24 Stunden schließen, er soll an diesem Sonnabend ab 13 Uhr wieder öffnen. Grund ist eine Krankheitswelle, die in Kombination mit dem akuten Mangel an Hebammen für die Schließung verantwortlich ist.

Nur noch eine Hebamme hätte pro Schicht zur Verfügung gestanden, normalerweise benötige die Klinik neun Hebammen für den Drei-Schicht-Betrieb. „Eine solche Minimalbesetzung ist zu wenig, um eine verantwortungsvolle Geburtshilfe leisten zu können. Von daher sahen wir uns zu diesem Schritt bedauerlicherweise gezwungen“, sagte Geschäftsführer Torsten Jarchow.

Zunehmender Druck

Das Krankenhaus habe die Ausfälle nicht kompensieren können, auch die drei anderen Geburtskliniken – Links der Weser (LDW), Bremen-Nord und Diako – seien zunehmendem Druck durch den bundesweiten Mangel an Hebammen ausgesetzt. Laut des Hebammenlandesverbands sind 19 Stellen in Bremer Kreißsälen seit Monaten unbesetzt. Einige Kliniken gehen daher im Ausland auf die Suche, im St.-Joseph-Stift fangen im März drei Hebammen aus Italien an. Auch der Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) hat eine italienische Agentur beauftragt.

In den Kliniken Bremen-Nord und LDW sind laut Geno-Sprecherin Karen Matiszick je sechs Stellen vakant. Um die Versorgung der Schwangeren sicherzustellen, hätten Hebammen in Bremen-Nord unter anderem auf ihre Pausen verzichtet. Der Betriebsrat habe daraufhin die Gewerbeaufsicht wegen Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz eingeschaltet.

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Anfang Februar zog die Leitung der Geburtsklinik deshalb in einem Brandbrief an die niedergelassenen Frauenärzte in Bremen die Reißleine: „Bei Erreichen der maximal möglichen Anzahl von Geburtsanmeldungen und -planungen im Monat besteht leider die Notwendigkeit, gesunde Schwangere mit unkompliziertem Schwangerschaftsverlauf an andere Geburtskliniken weiterzuleiten“, heißt es in dem Brief, der dem WESER-KURIER vorliegt.

Bereits im Sommer gab es einen solchen Brandbrief aus der Geburtsklinik des LDW. „Notfälle werden immer behandelt und auch Frauen, bei denen die Geburt kurz bevorsteht, werden natürlich nicht abgewiesen. Es geht nur um die planbaren Anmeldungen, die sind limitiert“, betont die Geno-Sprecherin. „Wir versuchen, das so gut wie möglich gemeinsam mit den anderen Häusern zu steuern. Allerdings betrifft der Hebammenmangel alle.“

Jede dritte Schwangere, die in Bremen entbindet, kommt aus Niedersachsen

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Claudia Bernhard, bezeichnet die aktuelle Lage als „Versorgungsgau für werdende Mütter“. Die Schließung zeige, dass die Hebammen am Limit seien; der Krankheitsausfall zeige, wie katastrophal die Situation inzwischen sei, heißt es in einer Mitteilung. Bernhard sieht den Senat in der Pflicht, in einem Dringlichkeitsantrag für die Bürgerschaft fordert die Fraktion ein Konzept zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) betont, dass trotz des Hebammenmangels die Versorgung von Schwangeren in Bremen sichergestellt sei. „Die Situation ist angespannt, deshalb arbeiten wir kontinuierlich an Lösungen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.“ Dazu gehörten etwa die Einrichtung eines Hebammenstudiengangs ab 2020, die Einstellung von Hebammen aus dem Ausland, ein zusätzlicher Kurs an der Hebammenschule in Bremerhaven sowie weitere Ausbildungs- und Weiterbildungskonzepte. Dies seien Ergebnisse eines Arbeitskreises Geburtshilfe, dem auch die Klinikleitungen angehörten. Nach dem Brandbrief aus Bremen-Nord hätten das Diako und das Klinikum Reinkenheide in Bremerhaven signalisiert, mehr Geburten zu übernehmen.

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Schließungen von Geburtskliniken im niedersächsischen Umland üben zusätzlichen Druck aus: Jede dritte Schwangere, die in Bremen entbindet, kommt aus Niedersachsen. Laut der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft hat sich die Zahl der Kliniken mit Geburtshilfestation von 107 im Jahr 2003 auf aktuell rund 70 verringert. Zuletzt hat am
11. Februar die Helios-Klinik Wesermarsch in Nordenham ihren Kreißsaal geschlossen: 2018 sind dort rund 320 Kinder zur Welt gekommen. Die Geburten werden sich nach Einschätzung von Bremer Klinikleitern auf das Klinikum Reinkenheide und Bremen-Nord verteilen.

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