Interview mit der Ex-Aufsichtsratsvorsitzenden Dedanwala: "Klinikum braucht Kulturwandel"

Wuppertal · Vera Dedanwala war viele Jahre lang Aufsichtsratsvorsitzende der städtischen Kliniken — bis zum Verkauf an die Helios-Gruppe 2004. "Vor allem die Entwicklungen in der jüngeren Zeit will ich nicht mehr schweigend hinnehmen", sagt sie im Gespräch mit Rundschau-Redaktionsleiter Hendrik Walder und kritisiert die momentane Geschäftspolitik.

 Vera Dedanwala (SPD) saß von 1990 bis 2005 als direkt gewählte Abgeordnete für Wuppertal im Landtag und gehörte davor elf Jahre lang dem Stadtrat an.

Vera Dedanwala (SPD) saß von 1990 bis 2005 als direkt gewählte Abgeordnete für Wuppertal im Landtag und gehörte davor elf Jahre lang dem Stadtrat an.

Foto: Wuppertaler Rundschau

Rundschau: Hat Helios die städtischen Kliniken in den letzten 15 Jahren nicht eigentlich nach vorn gebracht?

Dedanwala: Da muss man schon differenzieren. 1990 bis 2005 war es auch durch meine Arbeit im Landtag und viele neue Baumaßnahmen gelungen, den schlechten baulichen Zustand und den medizinischen Gerätepark deutlich und systematisch zu verbessern. Hinzu kam die Verpflichtung renommierter Chefärzte, die den medizinischen Ruf des Hauses festigten: Prof. Roth hatte Prof. Thüroff in der Urologie abgelöst, Prof. Prinz folgte Prof. Greiner in der Gastroenterologie, dem Neurologen Prof. Jörg folgte Prof. Isenmann, auf den Gefäßchirurgen Dr. Fraunhofer folgte Dr. Kusenack. Diese Linie wurde auch fortgeführt, solange Herr Henke für Helios als Geschäftsführer aktiv war. Mit dem Neubau der Kinderklinik, meinem persönlich schönsten Erfolg, war das Haus in einem guten Zustand.

Rundschau: Was läuft nach Ihrer Einschätzung denn jetzt falsch?

Dedanwala: Mit dem Verkauf der Helios-Gruppe an den Fresenius Konzern hat offensichtlich ein Umdenken stattgefunden.

Rundschau: Woran machen Sie das fest?

Dedanwala: Beispielsweise an einer aggressiveren Haltung gegenüber den anderen Krankenhäusern im Tal. So war die Neurochirurgie im Bethesda ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal für Wuppertal. Da baute Helios ohne Not eine Konkurrenz auf, mit bis dato unüblichen Methoden, ohne Einigungsversuch. Oder aktuell versucht man, St. Josef an der Bergstraße mit der Errichtung der Endo-Klinik im Bereich der Gelenkprothetik das Wasser abzugraben. Das sind Veränderungen, die höhere Gewinne einfahren, aber sie werden abschließend im Krankenhausbedarfsplan des Landes NRW geregelt.

Rundschau: Vielleicht braucht man die Einnahmen aus diesen lukrativen Bereichen?

Dedanwala: Ja sicher, es gibt seit der Einführung der Fallpauschalen lukrative, rentable und weniger einträgliche Disziplinen. So konnte Helios über Jahre mit den Überschüssen aus dem Herzzentrum Verluste problemlos ausgleichen und noch investieren. Nach dem altersbedingten Ausscheiden von Prof. Gülker sind die Fallzahlen im Herzzentrum wohl kontinuierlich rückläufig.

Rundschau: Prof. Gülker war damals auch bereits 65 Jahre alt.

Dedanwala: Ja, er hatte aber Strahlkraft über Wuppertal hinaus, zog Patienten auch aus der Umgebung, dem Bergischen Land an. Es sind die vielen guten Mediziner, die den Ruf des Hauses prägten. Und jetzt gibt es den Weggang fast eines Dutzends ausgewiesener Aushängeschilder, die in Wuppertal keine Zukunft mehr haben. Der ständige Wechsel in der Geschäftsführung — ich habe mit jedem neuen Mann an der Spitze ein Gespräch geführt — machte deutlich: Nun stehen Einsparpotenziale und Wirtschaftlichkeit ganz oben auf der Agenda. Der Fresenius-Konzern hat viele Krankenhäuser aufgekauft, das will bezahlt sein. Der Kurs der Aktie ist zuletzt erheblich gefallen, so erkläre ich mir den aktuellen Strategiewechsel.

Rundschau: Was fordern sie konkret?

Dedanwala: Das Haus mit fast 1.000 Betten und über 2.000 Beschäftigten muss als Krankenhaus der Maximalversorgung mit universitärer Anbindung in der Lage sein, Chefärzte und Oberärzte für seine Einzelkliniken mit Renommee einzustellen. Auch wenn sie Geld kosten. Das Klinikum braucht — im Interesse der Wuppertaler Bevölkerung — einen Kulturwandel zurück zur besten qualitätsgeprüften Medizin. Der Dreiklang aus Spitzenmedizin, bester Pflege auch mit der DRK-Schwesternschaft, und angenehmen Patientenzimmern muss gleichberechtigt funktionieren. In der Pflege müssen neue Ansätze der Stärkung durchgesetzt werden. Ein Blick in die Niederlande zeigt, wie das geht. Verunsichertes Pflegepersonal, das Kündigungen befürchtet, verunsichert auch mögliche Patienten. Fazit: Ein Herzzentrum ohne Führung der Kardiologie und der Chirurgie vor Ort, nebenbei geleitet von Teilzeitkräften aus Nachbarstädten, eine "Stroke Unit" ohne Chefarzt der Neurologie, eine Augenklinik ohne Chefarzt für Notfälle des hinteren Augenabschnitts — das funktioniert nicht und bringt das Haus nicht nach vorn. Der neue Geschäftsführer muss schnell sehr gute Arbeit leisten, um verlorenes Vertrauen wieder herzustellen. Ich wünsche ihm eine glückliche Hand.

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